Herdecke. Ein Riss geht durch den Rat: Warum ein Bürgerbegehren zur Zukunft der Technischen Betriebe in Herdecke immer wahrscheinlicher wird

Das Ringen um die Zukunft der Technischen Betriebe Herdecke (TBH) geht weiter. Im Rat fand sich keine Mehrheit, einen Beschluss vom Dezember zu korrigieren. Demnach bleibt es bei der Ausschreibung einer privaten Beteiligung. Noch in der Sitzung sammelte Nico Fischer (Die Partei) Unterschriften für das von ihm auf den Weg gebrachte Bürgerbegehren, stattdessen die TBH zurück zu führen unter das Dach der Stadt.

Das Abstimmungsergebnis war eine ziemliche Überraschung. Vier Ratsmitglieder fehlten bei CDU, Grünen und FDP, die es im Dezember in einer nicht-öffentlichen Sitzung vermutlich mit ihrer Mehrheit durchgesetzt hatten, den nächsten Schritt auf dem möglichen Weg zu einer gemischtwirtschaftlichen Gesellschaft zu beschreiten. Jetzt wurde öffentlich diskutiert, die Abstimmung war aber erneut geheim. Als die Stimmzettel ausgezählt waren, stand es bei einer Enthaltung 17 zu 17. Bei Stimmengleichheit war der Antrag auf Aufhebung des Dezember-Beschlusses abgelehnt.

Unversöhnliche Positionen

Bevor es zur Abstimmung gekommen war, prallten die Positionen noch einmal ziemlich unversöhnlich aufeinander. Für die SPD stellte Fraktionssprecherin Dr. Nadja Büteführ zur Teilprivatisierung der Technischen Betriebe fest: „Es gibt ein paar Vorteile, mehr Nachteile und viele Risiken. Wir sollten diesen Schritt nicht gehen.“ Die Partei hatte zusammen mit der SPD und der Linken den Antrag gestellt, den Dezember-Beschluss aufzuheben.

Mehr Risiken als Chancen sah im Rat auch Dennis Osberg, als Beigeordneter mit an der Spitze der Verwaltung und vorübergehend kaufmännischer Kopf der Technischen Betriebe. Er hatte bereits im Dezember empfohlen, den Prüfprozess für die private Beteiligung zu beenden.

Aus Sicht von Dieter Kempka (Die Linke) ist „der Ausverkauf städtischer Betriebe ein überholtes Instrument“, wie der Blick auf andere Städte zeige. Nico Fischer sah seine ablehnende Haltung bestärkt durch den Unmut, den er in der Herdecker Bevölkerung wahr genommen habe. Eine Teilprivatisierung der Technischen Betriebe „ist nicht im Sinne der Bürger“, erklärte er, und warnte vor einem „kapitalen Fehler“, den die Stadt mit der Beteiligung eines Wirtschaftsbetriebes machen würde.

Auf eine „vermeintliche Stimmungslage“ wollte sich CDU-Fraktionschef Patrick Wicker nicht stützen. Die Haltung der drei Koalitionsparteien sei getrieben von Daten und Fakten. Beim Ausloten der Chancen einer Teilprivatisierung sah er die Stadt Herdecke erst am Anfang eines Klärungsprozesses. Jetzt sei es unabdingbar, dass auch Angebote eingeholt würden. Das sei keineswegs leichtfertig, sondern nur konsequent, so Grünen-Fraktionschef Andreas Disselnkötter.

Unterschriftensammlung läuft

Bei der FDP warb zunächst Wilhelm Huck dafür, „auch den nächsten Schritt noch zu machen.“ Ohne endgültige Erkenntnisse durch konkrete Angebote ließen sich die Chancen einer Kooperation nicht ausloten. Christopher Huck, ebenfalls FDP, wollte ein gewisses Risiko nicht leugnen, noch einmal über 130.000 Euro für die letzte Prüfphase auszugeben. Christopher Huck wörtlich: „Wenn wir jetzt abbrechen, ist das bisher ausgegebene Geld verschwendet.“

Zahlreiche Beschäftigte der Technischen Betriebe verfolgten die Diskussion über ihrer Zukunft. Die Zuschauerplätze unten waren bis auf den letzten Platz gefüllt, und auf der Empore verrieten mehrfach orangefarbene Warnwesten die Herkunft. Die TBH-Mitarbeitenden werden wohl noch öfter in den Ratssaal kommen müssen: Sollten für das Bürgerbegehren die nötigen 1600 Unterschriften zusammen kommen, könnte der Rat erneut abstimmen. Bleibt es beim Festhalten an der Ausschreibung, würden die Bürger bei einem Bürgerentscheid gefragt. 3900 Stimmen reichen, sagt Nico Fischer mit Blick auf die verlangte Mindestzustimmung. Für ihn ist klar, dass dabei die andere Seite deutlich zurück bleibt.

Der Kommentar: Der Ball rollt zum Bürger

Die Zukunft der Technischen Betriebe spaltet die Herdecker Politik. Beide Seiten fühlen sich in ihrer jeweiligen Blase bestätigt: Die Bürger wollen, dass weiter geprüft wird, was ihnen eine private Beteiligung an den Technischen Betrieben bringen kann, sagen CDU, Grüne und FDP. Die Bürger wollen die Technischen Betriebe wieder zurück bei der Stadt, sagen mehr oder weniger alle anderen. Wer hat Recht?

Wie es scheint, dürfen die Bürger das jetzt selbst sagen. Da der Rat seinen Prüfbeschluss vom letzten Dezember nicht korrigiert hat, bekommt das angeschobene Bürgerbegehren neuen Auftrieb.

Die Hoffnung auf Klarheit könnte trotzdem trügen. Ein erfolgreiches Bürgerbegehren wäre die Voraussetzung für einen möglichen Bürgerentscheid. Erst dann wird sich zeigen, ob die Gesellschaftsform der Technischen Betriebe so vielen Bürgern auf der Seele brennt, dass sie in ausreichender Zahl an die Abstimm-Urnen kommen.