Herdecke. Die Leseabende in der Buchhandlung Herdecke haben einen ganz besonderen Charme. Warum es wichtig ist, sich schnell um Karten zu kümmern

Schafft Mark Twain es diesmal doch ins Dachstübchen der Buchhandlung Herdecke? Beim letzten Versuch stand Corona im Wege. Nun unternimmt Buchhändlerin Inka Beermann erneut einen Anlauf, dem großartigen Geschichtenerzähler Gehör zu verschaffen in einem ganz und gar überschaubaren Ambiente. Weil der Schriftsteller aus der Neuen Welt aber schon seit über 100 Jahren tot ist, muss Michael Helm ihm seine Stimme leihen. Es ist nicht das erste Mal, dass der Vorleser in der Buchhandlung Herdecke zum Buche greift.

Die „Literatur im Dachgeschoss“ war bereits etabliert, als die Pandemie eine Zwangspause verordnete. Zwar gab es einen erfolgreichen Ausweichversuch in den Zuschauerraum vom Kino Onikon, aber im Dachstübchen herrschte erzwungene Ruhe. „Klein und schnuckelig“ nennt Inka Beermann die Atmosphäre. An Abstandsregeln sei hier gar nicht zu denken: Bis zu 25 Stühle können Zuhörer aufnehmen: „Kommt Michael Helm dazu, ist der Raum voll.“ Die Stimmung ist fröhlich und familiär, verspricht Inka Beermann: „Als wäre es eine Party.“

Im Herbst soll es dennoch wieder einen Abend im Onikon geben. Michael Helm hat es Spaß gemacht, vor größerem Publikum auftreten zu können, und auch Inka Beermann wollte gerne wiederkommen.

Ein Zeitgenosse aus dem letzten Jahrhundert

Aber zunächst einmal soll die Chance genutzt werden, der Literatur nicht nur unten im Laden den Boden zu bereiten. Bevor aber Mark Twain der Teppich im engen Dachstübchen ausgerollt wird, stellt Michael Helm Lyrisches von Annette Droste-Hülshoff vor. Zur Wiederbelebung der Lesereihe spricht aber zunächst Kurt Tucholsky durch seine Bücher zu den Herdeckern. Für Michael Helm ist „Tucho“ ein geradezu zeitgenössischer Autor. Die Texte, die das belegen sollen, stammen aus den Jahren 1930 bis 1933 und zeigen Kurt Tucholsky als Verteidiger der damals noch jungen und ersten deutschen Demokratie. „Tucholsky hat Haltung gezeigt“, sagt Michael Helm bewundernd, hat mit Verstand und Witz angeschrieben gegen Rechts. Und doch sei da diese Ambivalenz: „Am Schluss war er kein glücklicher Mensch.“

Einen Nachfrageboom erleben die Bücher von Kurt Tucholsky aktuell nicht, obwohl so mancher auch die heutige Demokratie von Rechten gefährdet sieht. „Das ist bei allen Klassikern so“, relativiert Inka Beermann. Die Nachfrage hält sich in Grenzen, und gerade weil Tucho auch Schulstoff ist, wird darüber hinaus nicht viel von ihm bestellt. Und sie selbst? Gerne schaut sie in Lesebücher oder andere Textsammlung von dem großen Autor, der mit mehreren Pseudonymen unterwegs war – „neben all dem Neuen, was mich interessiert.“

Karten für den Tucholsky-Abend unter der Überschrift „Schreiben für Demokratie & Freiheit“ am Donnerstag, 30. März, 19.30 Uhr gibt es in der Buchhandlung Herdecke für 15 Euro (ermäßigt 10 Euro).