Herdecke. Ein Bürgerbegehren beim TBH-Streit ist eine komplizierte Sache - der Rat hat am Donnerstag in der Hand, ob es so weit kommen wird.

Die angedachte Umwandlung der Technischen Betriebe Herdecke (TBH) hat sich als strittiges Thema entpuppt. Ein Lager spricht sich für eine Rückführung in städtische Organisationsformen aus, die andere Seite sieht in einer gemischtwirtschaftlichen Gesellschaft viele Chancen. Wer sich bisher nicht für die Auseinandersetzungen auf politischer Ebene oder für die vielen Leserbriefe interessiert hat, kann eines Tages womöglich doch ganz konkret auf das Thema stoßen. Sollten verschiedene Schritte erfolgen, können Bürgerinnen und Bürger im Verlauf dieses Jahres mit einem Gang zur Wahlurne das Thema mit Ja oder Nein entscheiden.

Nico Fischer (Die Partei) hat ein Bürgerbegehren auf den Weg gebracht. Die Stadtverwaltung hat dies bestätigt und mit ersten Prüfschritten begonnen. Wichtig in dem Zusammenhang sind unter anderem zeitliche Fristen. Nach dem erfolgten TBH-Beschluss in der nicht-öffentlichen Ratssitzung am 8. Dezember 2022 blieben Antragstellern drei Monate Zeit, um ein solches Verfahren als Bestandteil der direkten Demokratie in Gang zu setzen. Zu beachten: Eine Kommune muss laut Gemeindeordnung neutral beraten und auf formelle Aspekte hinweisen, zum Beispiel auf die dringend benötigte Fragestellung zum jeweiligen Anlassthema oder Pflichtangaben auf den Unterstützungslisten mit Namenszeichnung. Nur mit normgerechten Dokumenten können Initiatoren quasi gültige Unterschriften sammeln.

Drei Monate mit Unterbrechungen

Die Verwaltung selbst muss in dem Zusammenhang wiederholt Verschiedenes abchecken und auch eine Kostenschätzung vornehmen. Während dieser Phasen tickt die Drei-Monate-Uhr nicht weiter, die Zeit wird „gehemmt“, wie es im Amtsdeutsch heißt. Somit kann es bis zur Gültigkeit eines Bürgerbegehrens quasi netto länger als 13 Wochen dauern. Herdeckes Rechtsdezernent erklärt das Prozedere wie folgt: „Im Prinzip spielen sich der oder die Initiatoren und die Verwaltung mehrfach die Bälle hin und her“, sagt Dr. Lars Heismann.

Ein solch aufwendiges Verfahren ergibt aber keinen Sinn, wenn nicht am Ende daraus ein bindender und rechtskräftiger Bürgerentscheid wird. Dann wären alle Herdecker Wahlberechtigten aufgerufen, auf eine bereits im Vorfeld formulierte Frage mit Ja oder Nein zu antworten. Das klingt nicht nur weit weg, das ist es auch. Denn aktuell stehen noch andere Aspekte im Vordergrund. Die ganzen Schilderungen erübrigen sich zudem, wenn es am 2. März in der öffentlichen Ratssitzung zu einer Rolle rückwärts kommt.

Das Besondere an der Situation: Initiator und Ratsherr Nico Fischer fährt quasi zweigleisig. Einerseits fühlte er sich aufgrund verschiedener Stimmungen in der Bevölkerung motiviert, ein Bürgerbegehren gegen die Umwandlung der TBH zu starten. Andererseits will Fischer auch auf politischer Ebene eine vermeintliche Fehlentscheidung korrigieren. Zur Sitzung an diesem Donnerstag um 17 Uhr im Ratssaal haben Die Partei, SPD und Linke einen gemeinsamen Antrag gestellt. Ziel: „Aufhebung des Ratsbeschlusses vom 8. Dezember (Ausschreibung zur Gründung einer gemischtwirtschaftlichen Gesellschaft)“. Die drei Fraktionen begründen das wie folgt: „Egal wo man sich umhört, der Unmut der Bürgerinnen und Bürger der Stadt Herdecke über die Bildung einer gemischtwirtschaftlichen Unternehmung zeigt deutlich, dass diese nicht in ihrem Sinne ist. Die Falschdeutung der betriebswirtschaftlichen Zahlen der TBH rechtfertigt einen solchen Schritt nicht, der für die Zukunft der Stadt ein kapitaler Fehler wäre.“

Mehrheitsbeschluss aufheben?

Das Vorgehen von Die Partei, SPD und Linke ist rechtens, erklären die städtischen Kenner der Geschäftsordnung. „Der Rat darf sich mehrfach mit einer Sache befassen. Früher gab es dazu einen Sperrvermerk, der existiert nicht mehr“, sagt Fabian Haas, der Leiter des Büros für Rats- und Verwaltungsangelegenheiten.

Was bedeutet all das nun? Sollte das höchste Gremium der Herdecker Politik an diesem Donnerstag seinen erfolgten Mehrheitsbeschluss aufheben und sollten die TBH somit künftig weiterhin zu 100 Prozent bei der Stadt verbleiben (vor einigen Jahren gab es bereits einen Ratsbeschluss zur Rückführung der Technischen Betriebe in die Verwaltungsorganisation), braucht es weder ein Bürgerbegehren noch einen Bürgerentscheid. Sollte sich aber das Abstimmungsverhältnis vom 8. Dezember in ähnlicher oder gleicher Form wiederholen, käme womöglich doch die Bevölkerung mit einem Urnengang an die Reihe.

Bis zum 2. März und wohl noch einige Zeit länger regiert in dieser Hinsicht also der Konjunktiv, viele Was-wäre-wenn-Fragen auch zum Bürgerbegehren lassen sich erst in den nächsten Tagen und Wochen beantworten. Somit ist unsicher, ob es in der Geschichte Herdeckes zum zweiten Bürgerentscheid kommt. Viele dürften sich erinnern: 2013 konnten Wahlberechtigte eine recht lange Frage zu Grundschulstandorten und zur Einrichtung einer Primusschule mit Ja oder Nein beantworten. Damals scheiterten die Initiatoren am so genannten Quorum, das bedeutete: An der Abstimmung nahmen nicht genügend Wahlberechtigte teil.

Initiator weiterhin optimistisch

Nico Fischer hat, so sagte er es im Gespräch mit der Lokalredaktion, weitere vorbereitende Schritte zum Bürgerbegehren-Antrag eingeleitet und manche Vorgabe bereits abgeschlossen.

Bereits vor einigen Tagen hatte der Ratsherr beispielsweise Aufkleber mit der Aufschrift „Pro TBH“ drucken lassen.

Fischer hat – wie berichtet – bei seinem Bestreben, über eine Bürgerabstimmung eine Teilprivatisierung der Technischen Betriebe zu verhindern, Unterstützung von der SPD und Linken bekommen, auch die AfD wolle sich auf die Seite der Gegner der gemischtwirtschaftlichen Gesellschaft stellen.

Der Ratsherr von Die Partei äußerte sich vor einiger Zeit optimistisch, im Fall der Fälle genügend Unterschriften sammeln zu können. Sobald er Grünes Licht dafür habe, wolle er mit dem Sammeln beginnen.

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