Herdecke. Ein Herdecker ohne Wallbox auf der Suche nach Lademöglichkeiten und dem Fund einer günstigen Alternative.

Bei den Fahreigenschaften seines kleinen Elektro-Flitzers gerät Peter Postberg aus Herdecke weiter ins Schwärmen. Viele Assistenzsysteme und ein gutes Fahrgefühl hebt er als gute Eigenschaften des schwarzen Fiat 500 E hervor. Wenn es aber ums Aufladen der Batterie geht, „dann ist das für mich noch immer ein Abenteuer“, stellt der Elektro-Neuling fest. Das alles wäre doch etwas unkomplizierter, hatte er sich gedacht, als er den City-Flitzer geordert hatte, gerade noch rechtzeitig, um die volle Förderung für die Abkehr vom mobilen Verbrennungsmotor zu erhalten.

Frühzeitig hatte sich Postberg an den Vermieter seiner Wohnung im Quartier Ruhraue gewandt. Aus dem Mai letzten Jahres stammt sein Antrag auf Installation einer Ladestation in der Tiefgarage. Erst im Oktober gab die Eigentümergemeinschaft Grünes Licht für eine Wallbox. Installiert ist sie deshalb noch nicht. „Da soll was kommen“, zeigt sich der Pensionär und frühere Lehrer geduldig. Schließlich hat er ja seine Verlängerungsschnur, die aus dem Wohnungsfenster baumelt, wenn er vor dem Haus laden will.

Für Grüne ist Lage unbefriedigend

Das Laden vor der Tür hat mehrere Vorteile. Der stolze E-Auto-Besitzer muss gar nicht erst seine Handyapp fragen, ob ein Platz zum Laden frei ist. Der Blick aus dem Fenster reicht. Und: Der Strom aus der Küche kostet Peter Postberg aktuell die Hälfte vom Ladetarif an den öffentlichen Ladesäulen. Seinen Grünstrom-Vertrag hat er über einen längeren Zeitraum abgeschlossen, noch sind die Teuerungen auf dem Energiemarkt nicht zu ihm durchgedrungen. Und doch hat die Sache einen Haken: 17 Stunden muss die Zehn-Meter-Schnur aus dem Fenster hängen, bis der Kleinwagen vollständig geladen ist.

Nachladen unterwegs kostet da zwar mehr Geld, aber entschieden weniger Zeit. Zwei Stunden reichen meist, und die Akkuleistung ist wieder auf dem Höhepunkt. Wenn eine Ladesäule in der Nähe ist. Und manchmal reicht selbst das nicht. Bei einer Tour nach Olsberg gab’s am Zielort zwar eine Ladesäule, aber mit dem Laden wollte es nicht klappen. Zum Glück fand sich im Hochsauerlandkreis eine Alternative, bei der Auto und Ladekarte und Ladestation miteinander harmonierten. Der Herdecker hatte aber auch schon die Frage im Kopf bewegt, wer denn möglicherweise für ein Hotelzimmer aufkommen müsse, wo ihm doch eigentlich Mobilität zugesichert war.

Für unerwartete Abenteuer muss Peter Postberg aber nicht in die Ferne schweifen. Auch der Ladewunsch an öffentlichen Ladesäulen in Herdecke brachte für ihn überraschende Erkenntnisse. Eine davon: Anders als in Wetter, wo der Senior lange gelebt hat und auch immer noch zu tun hat, sind Lademöglichkeiten in der Herdecker Innenstadt nicht gerade gesät. Und im Ender Kern, da wo die Menschen wohnen, findet sich eigentlich gar keine öffentlich zugängliche Elektrotanke, wie auch die Stadt Herdecke auf Anfrage bestätigt. In den Gewerbegebieten an der Peripherie ist das anders, und auch auf dem Parkplatz am Gemeinschaftskrankenhaus gibt es zwei E-Ladesäulen mit vier Lademöglichkeiten. Allein: Wer hier „tanken“ will, zahlt die Parkplatzgebühr oben drauf.

Der Parkplatz am Krankenhaus findet sich auch auf einer Liste mit Lademöglichkeiten, die die Grünen zusammengetragen haben. Ihre Partei macht sich bundesweit besonders für die Verkehrswende stark. Wie sehen die Herdecker Grünen die Lage in der eigenen Stadt und wie helfen sie mit, dass die E--Mobilität aus den Kinderschuhen hinaus wachsen kann? Die aktuell sieben öffentlich zugänglichen Ladesäulen in der Stadt mit rund 20 Ladeanschlüssen seien ihnen deutlich zu wenig. Der Anreiz „Freies Parken für E-Autos im Stadtgebiet“ fand bei den anderen Parteien keine Mehrheit. Sonja Skerwiderski, Mitglied im Ausschuss für Wirtschaftsförderung, stellt fest: „Die Situation ist für Herdecke insgesamt unbefriedigend.“

Auch bei E-Bike-Ladestationen wünschen sich die Grünen Fortschritte, ebenso beim Ausbau privater Stromtankstellen. Gerade das öffentliche Ladenetz ist aber für Einheimische ebenso wichtig wie für Auswärtige. Fraktionssprecher Andreas Disselnkötter weiß: „Wer nicht in der Nähe des eigenen Wohnumfeldes ,tanken’ kann, ist nicht zu einem Umstieg bereit.“

Der Senior aus dem Wohnquartier an der Ruhr hat es trotzdem gewagt. Ob er seine persönliche Energiewende schon bereut? Nein sagt Postberg, auch wenn man sich mit Dingen auseinandersetzen muss, die bei seinem 500er-Vorgänger mit Verbrennungsmotor keinen Gedanken wert waren. Bis ins Gahlenfeld muss er seinen Elektro-Flitzer ja nicht gerade bringen, wenn er’s beim Laden mal eilig hat. Die App verrät dem Herdecker, ob am Stiftsplatz oder am Bahnhof ein Ladepunkt frei ist. Nicht mal zehn Minuten rechnet er für den einfachen Gehweg. Gemessen daran, wären alle Standorte in Herdecke ein zeitlicher Gewinn zu den 17 Stunden Ladezeit vor der Haustür. Auf die zusätzliche Zeit fürs Kabelwerfen und Wiedereinholen der Schnur käme es dann auch nicht mehr an.

Diese öffentlichen Ladestellen nennt die Stadt

Pumpspeicherkraftwerk bzw. Koepchenwerk, Im Schiffwinkel 43, zwei Anschlüsse;
Gewerbegebiet Gahlenfeld bei Nissan, Gahlenfeldstraße 39, zwei Anschlüsse;
Herdecker Bahnhof, Bahnhofstraße 45, ein Anschluss;
Herdecker Rathaus, Kirchplatz 3, zwei Anschlüsse;
Gewerbegebiet Loerfeld auf dem Vorberg-Gelände, Nierfeldstraße 3, zwei Anschlüsse;
Gemeinschaftskrankenhaus, Gerhard-Kienle-Weg, Parkplatz, vier Anschlüsse.