Ende/Iserlohn. Nachhaltigkeit macht auch erfinderisch: Supermarkt-Inhaber aus Herdecke und Wengern erläutern den sensiblen Umgang mit Lebensmitteln und Grenzen.
Im Zusammenhang mit dem Umgang von Lebensmitteln in Supermärkten tauchen immer mehr Anglizismen auf: Containern, Foodsharing oder eine App namens „Too good to go“ lauten Themen, mit denen sich auch heimische Geschäftsleute beschäftigen. Die Lokalredaktion führte nun Paul Nowak aus Wengern, Inhaber eines Edeka und Marktkaufs in Iserlohn, mit dem Herdecker Christian Symalla zusammen. Vor dessen Rewe in Ende, den Georg Schlomberg leitet, sprach das Trio über verschiedene Nachhaltigkeitsfragen.
In dieser Hinsicht spielen auch Aspekte wie die Wertschätzung von Lebensmitteln, Regionalität und das Kundenverhalten eine Rolle. Natürlich achten die Supermarkt-Geschäftsführer als Kaufleute auch auf Wirtschaftlichkeit, von daher gelte das Credo: Möglichst nichts von der vorhandenen Ware wegwerfen und dazu effektive Mechanismen entwickeln. Herausforderungen entstehen vor allem über das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD).
Neue Technik für Effektivität
Für Nowak wie auch für Symalla/Schlomberg seien örtliche Tafeleinrichtungen die wichtigsten Partner zur Zweitverwertung von Lebensmitteln. Der Wengeraner bereitet in Iserlohn dreimal pro Woche Produkte in einem separaten sowie gekühlten Raum für die so genannte Caritasche und Bedürftige vor. „Mir ist dabei wichtig, dass die Ware weiterhin pfleglich behandelt wird“, so der 61-Jährige, der sich in seinem Berufsumfeld vielfältig engagiert.
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Das kann auch Symalla von sich behaupten. Der Herdecker und sein Marktleiter Schlomberg bestellen seit März 2021 nicht mehr nach Augenmaß („Im Zweifel lieber etwas mehr“) bzw. mit Bleistift und Papier, sondern ermitteln – wie Nowak – über ein Computerprogramm den Bedarf in den Regalen. „Das hat Vor- und Nachteile, wobei wir seither mehr als 50 Prozent weniger Abschriften haben. Wenn doch etwas übrig bleibt und das MHD näher rückt, stellen wir Ware dem Herdecker Brotkorb, der Tafel in Hagen und einer Privatinitiative zur Verfügung. Wobei wir in der Regel keine offenen Lebensmittel abgeben“, sagt Symalla, der auch Grenzen beim Verteilen (Foodsharing) sieht.
Vorsicht vor der Tonne
Der sorgsame Umgang beinhalte viele Facetten. Kühlketten beachten, Mitarbeitende sensibilisieren, rechtzeitige Rabattierung, aber logischerweise auch Gesetze einhalten. Denn wer abgelaufene Lebensmittel abgibt, mache sich strafbar. Daher sei es manchmal doch der Fall, dass etwas im wahrsten Wortsinn final in der Tonne lande. Dementsprechend vorsichtig achtet Nowak darauf, dass Unbefugte diese Behälter nicht öffnen können. „Containern“ heißt eine Bewegung, bei der Umwelt-Aktivisten oder auch Bedürftige nach Verwertbarem im Müll suchen. Doch dort gelange mit schimmeligem Brot oder verdorbenem Fisch auch giftige und gefährliche Ware hinein. Während es diesbezüglich in Iserlohn schon mal zu Problemen kam, setzt Symalla auf den Verstand potenzieller Diebe: „Wenn wir etwas wegschmeißen, ist das zu 99 Prozent ungenießbar.“
Drei Personen und ihre Entwicklungen
Paul Nowak bezeichnet sich als „Einzelhändler aus Passion, der gerne den eigenen Kiez beackert“. Der Wengeraner, der dort seit 1961 lebt, hat 2009 einen Marktkauf in Iserlohn und 2017 einen Edeka in Letmathe eröffnet. Der 61-jährige Lebensmittelkaufmann ist im besagten Stadtteil auch Vorsitzender der Werbegemeinschaft.
Christian Symalla (46) zog mit seinem Supermarkt 2005 in den Neubau am Dorfplatz in Ende ein. 2003 hatte der Herdecker, der hier viele Aktivitäten sponsert und unter anderem im Lions-Club oder in der Bürgerstiftung mitmischt, einen Rewe in Werne eröffnet, 2011 kam dort die zweite Filiale hinzu. Mittlerweile bzw. seit Kurzem sind diese beiden Standorte aber geschlossen.
Georg Schlomberg ist gebürtiger Herdecker und wuchs in Werne auf. Seit 2011 arbeitet der heute 32-Jährige für Rewe Symalla, wo er „von der Pieke auf“ alles erlernte und Marktleiter am Westender Weg ist.
Nowak tendiert vielmehr dazu, „von Mittag zu Mittag statt von morgens bis abends zu denken. Es bringt wenig, um 18 Uhr Rabattschilder aufzukleben, wir wollen die Ware ja auch nicht verramschen. Edeka gibt teilweise große Mengen Lagerware 1:1, also für ‘n Appel und ’n Ei, weiter.“ Er lässt auch verwertbare Essensreste an Tiere verfüttern und lobt zudem das Ziel von Initiativen, Plastik(müll) oder Flugblätter aus Papier zu vermeiden. „Wir sollten alle Geschäftsprozesse unter die Lupe nehmen.“ Unverpackte Ware sei nicht immer die 1a-Lösung. „Eine Wurst gehört in eine verrottbare Verpackung, dazu braucht es das richtige Material.“
Käsereste als leckere Chips
Ein Beispiel für die erhöhte Sensibilität im Warenumgang: Sowohl der Wengeraner als auch Rewe Symalla bieten in ihren Geschäften Käseecken als Chips an. Mit Erfolg. „Die Kunden wollen nun mal das schöne Käsemittelstück und möglichst wenig Rand.“ Generell seien die Ansprüche und das Verhalten der Verbraucher ein schwieriges Thema. „Krumme Sachen werden nicht gekauft, die Ware soll makellos sein. Auf der Suche danach bleiben oft Einzelteile übrig. Man könnte fast über eine Single-Börse für Bananen nachdenken“, meint Schlomberg.
Was lässt sich beim Lebensmittel-Verwerten im Handel optimieren? Eine App wie „Too good to go“, über die Kunden bestimmte Ware aus Supermärkten vergünstigt bestellen und vor der Entsorgung retten können, ist für Symalla zwar „ein gutes Instrument, doch der Brotkorb und die Tafel sind für uns um ein Vielfaches wichtiger. In Sachen Nachhaltigkeit ist vieles ausgereizt.“