Herdecke. 750 Besucher in sechs Stunden - warum das Koepchenwerk in Herdecke so gefragt ist
Und wieder ein Strich. Genau 742 mal wurde vermerkt, dass ein Besucher oder eine Besucherin den Weg durch den Glaskasten ins Koepchenwerk gefunden hat. Im Jahr zuvor, ebenfalls zum „Tag des offenen Denkmals“, waren es sogar 900 Besucher gewesen. Aber damals waren auch gerade die Corona-Restriktionen gelockert worden, und der Drang, nach draußen zu kommen und etwas zu erleben, war entsprechend größer.
Die Coronazeit steckte den Gästen aber noch in den Knochen. Nein, die Strichliste dient wirklich nur der Statistik. Eintragen musste sich niemand, der in der großen Maschinenhalle oder auf dem Gelände dahinter Industriegeschichte nachspüren und sogar ein bisschen Zukunftsmusik hören wollte. Schon auf der Treppe runter vom Glaskasten in die Maschinenhalle war die Fülle von Menschen zu sehen, und sogar Küchengerüche zogen Richtung Eingang durch den Raum.
Flammkuchen war’s, den das Team vom Projekt „Vino“ aus dem Ofen holte, und wer wollte, konnte dazu auch gerne ein Glas Rebensaft trinken. Noch stammt der Wein allerdings nicht aus dem Weinberg, der zwischen den beiden Doppelrohren am Hang entstehen wird. 1300 Reben sollen dafür im nächsten Jahr gepflanzt werden. Wo genau, konnten die Besucher bei den stündlichen Führungen bis auf halber Hanghöhe erfahren. Weit mehr als die ursprünglich gedachten zehn Teilnehmer pro Führung bewegten sich die 360 schmalen Stufen Richtung RWE-Schriftzug nach oben. Und hätte es keine Limitierung gegeben: Unablässig hätten sich Besucher auf den Weg in den Hang und auch nach ganz oben gemacht.
Am Fuß der großen Wasserrohre, da, wo sie in die Erde und damit unter den Boden der Maschinenhalle führen, wurden immer wieder Kameras gezückt - mit schwerem Objektiv genau so wie im mitgeführten Mobiltelefon. Und zu den Fotos gab’s dann passend Fragen.
Erinnerungen und Erwartungen
Gibt es da oben nicht auch noch einen zur Anlage gehörenden See? Lässt sich dieser beim Spazierengehen umrunden? Warum wird hier nicht mehr so naturbasiert Strom gewonnen, wo doch die Versorgung mit Energie so drängt wie wohl noch nie? Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Koepchenwerk, die sich der Pflege des Industriedenkmals verschrieben hat, waren um Antworten nicht verlegen: Das Speicherbecken gibt es weiterhin, vor wenigen Jahren zur Kapazitätserweiterung sogar noch einmal aufgestockt. Umrunden geht noch nicht, steht aber auf der Wunschliste. Und natürlich wird weiterhin aus Wasserkraft für Spitzenzeiten Strom produziert - direkt nebenan, im neuen Koepchenwerk des RWE, das in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts in Betrieb genommen wurde und seine Leitungen lieber im Erdreich versteckt hat und nicht als Landmarke zeigt.
Immer wieder erwies sich im Gespräch, wie verbunden die Besucher mit dem Koepchenwerk sind: Ältere Gäste konnten sich noch erinnern, wie sie als Schulkinder mit dem Schrägaufzug den Hang hoch gefahren sind, andere schauen seit Jahren von Boele aus auf das Industriedenkmal und wollten es endlich einmal von innen sehen. Peter Gerigk, Vorsitzender der AG Koepchenwerk, zur Resonanz: „Wir sind völlig überrascht über die große Resonanz. Der Tag des offenen Denkmals im Koepchenwerk scheint sich zur Herdecker Großveranstaltung zu entwickeln.“
Der Eintritt war frei und verschaffte nicht nur Zugang zu den alten Anlagen, die die Stiftung Industriedenkmal und Geschichtskultur übernommen hat. Es gab eine Modelleisenbahnausstellung, und auch der Verein Wupperschiene präsentierte sich. Bei ihm steht die Lok, die früher am Koepchenwerk ihren Dienst versah. Nach den Vorstellungen der AG Koepchenwerk sollte sie das in Zukunft zumindest zeitweise wieder tun.
Strom aus der Kraft des Wassers
Beim historischen wie beim aktuellen Koepchenwerk handelt es sich um ein Pumpspeicherkraftwerk.
Wasser des Hengsteysees wird ins Speicherbecken oberhalb des Sees gepumpt und im Bedarfsfall schlagartig abgelassen.
Diese Art der Stromgewinnung ist besonders wichtig, wenn plötzlich besonderer Strombedarf im Netz besteht.