Wetter/Herdecke. „Lost places“: Rechtsanwalt Stefan Heiermann aus Volmarstein hat Mandanten verteidigt, die unbefugt alte Gebäude wie das Demag-Hochhaus aufsuchen.

Verlassene Häuser, nicht mehr genutzte Firmengebäude, alte Bunker oder Türme, leerstehende Kirchen – diese Orte, sogenannte „Lost places“, ziehen Abenteuerlustige und Diebe fast schon magisch an. Mögliche Gefahren blenden sie dabei ebenso aus wie die Tatsache, dass sie sich unter Umständen strafbar machen. Und dazu hat der Volmarsteiner Strafverteidiger Stefan Heiermann eine klare Meinung.

Sicherlich, vermeintlich vergessene Orte wie der Cuno-Schornstein in Herdecke oder das frühere Demag-Verwaltungsgebäude in Wetter haben ihren Reiz. Sich an Orten aufzuhalten, wo womöglich (von Gleichgesinnten abgesehen) seit Jahren oder Jahrzehnten niemand mehr gewesen ist, wo der Hauch der Geschichte vielleicht zum Greifen nah ist und die Gänsehaut zum Programm wird, scheint verlockend. Die Szene ist nicht klein, dürfte vielmehr immer größer werden.

Auf Diebesgut aus

Und dann gibt es die zweite Gruppe. Die, die hoffen, an verlassenen Orten Beute machen zu können – in erster Linie Kupferdraht, Mobiliar oder Maschinenteile. Und die Diebe gehen nicht zimperlich vor. Verschlossene Türen oder intakte Fenster können sie nicht aufhalten. Hier gilt der klassische Grundsatz: Wo ein Wille ist, ist ein Weg.

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Stefan Heiermann, Rechtsanwalt in Deutschland und italienischer Avvocato (dt. Anwalt) mit Büro in Rom, vertrat bereits mehrere Personen, die im verlassenen Verwaltungsgebäude der Firma Demag auf Beute aus gewesen sein sollen. Dem erfahrenen Juristen, der seine Berufswahl mit einem großen Gerechtigkeitssinn und einer sozialen Ader begründet sowie stets Wert darauf legt, auch am nächsten Tag noch in den Spiegel gucken zu können, ist nichts Menschliches fremd. Er setzt sich für seine Mandanten ein.

Im Gespräch mit dieser Zeitung redet er allerdings Tacheles: „Ich habe Verständnis für die Abenteuerlust, aber alles findet seine Grenzen, wenn Rechte anderer verletzt werden. Nur, weil jemand zum Beispiel ein Gebäude nicht mehr nutzt, heißt das ja nicht, dass das für die Öffentlichkeit zur Verfügung steht.“ Zudem warnt der Fachanwalt für Strafrecht vor den Risiken: „Die Gefahren bestehen natürlich, weil das zum Teil nicht genutzte oder baufällige Bauwerke sind. Weshalb Unbefugten der Zutritt ja auch verboten ist. Ganz abgesehen davon, sind manche Bauwerke ja auch gar nicht dazu gedacht, dass man sie begeht oder besteigt.“

Der Cuno-Turm gilt als bekannter „Lost place“.
Der Cuno-Turm gilt als bekannter „Lost place“. © Elisabeth Semme

In dem Zusammenhang verweist er als Beispiel auf den Cuno-Schornstein und einen möglichen Sturz in die Tiefe: „Jeder haftet für sich selbst.“ Und es sei doch sehr fraglich aus seiner Sicht, ob eine Versicherung da greife. Auch dann, wenn unter Umständen Dritte geschädigt würden.

Geld- oder sogar Freiheitsstrafe

Zum Themenkomplex Strafbarkeit wird Rechtsanwalt Stefan Heiermann konkret: Ein Hausfriedensbruch werde es wahrscheinlich immer sein. Und der führe zu einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder zu einer Geldstrafe. Sollten „Eindringlinge“ Wände mit Graffiti beschmieren, Türen aufbrechen oder für einen Wasserschaden sorgen, handele es sich um Sachbeschädigung. Der Strafrahmen hier: bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe. Wenn sich die ungebetenen Gäste gewaltsam Zutritt verschafften, um etwas zu klauen, sei das ein Diebstahl im besonders schweren Fall. Und der werde mit einer Freiheitsstrafe zwischen drei Monaten und zehn Jahren geahndet.

Für die Fans von „Lost places“ hat der 49-jährige Jurist (mit Kanzlei in Volmarstein) also einen wertvollen Rat auf Lager: „Ich rate Abenteuersuchenden dazu, sich vorab bei den jeweiligen Eigentümern eine Erlaubnis einzuholen oder Plätze auszuwählen, bei denen das Betreten ohnehin gestattet ist – beispielsweise alte Burg- und Schlossruinen. Und unbedingt Betretungshinweise beachten. Ansonsten drohen Festnahme, Strafverfahren, Verurteilungen und Sanktionen. Von etwaigen Schadensersatzforderungen ganz zu schweigen.“

Zur Person

Stefan Heiermann ist 49 Jahre alt, seine Kindheit verbrachte er in Wetter. Heute wohnt er in Volmarstein, wo er sehr verwurzelt ist.

Seit 2007 ist er als Rechtsanwalt mit einer Kanzlei in Volmarstein tätig. Der Fachanwalt für Strafrecht ist seit 2013 italienischer Avvocato (mit Büro in Rom).

Zu seinen Hobbys gehören unter anderem Reisen, Fotografie, Musik, Kunst und Motorradfahren.