Herdecke. Hilfsgüter hingebracht, Geflüchtete mit zurückgenommen. So kam der Herdecker Thees Wullkopf an seine neue kleine Familie aus der Ukraine.

Sozialamt und Brotkorb, Sprachkurse und Telefonkarten – aktuell ist Organisationstalent gefragt daheim bei Thees Wullkopf. Dort ist seit knapp zwei Wochen nichts mehr so, wie es einmal war. Denn der Herdecker hat bei seinem zweiten Hilfsgütertransport zur polnisch-ukrainischen Grenze von dort eine kleine Familie mit nach Herdecke genommen: Olena Novikova, Tochter Jeva (14) und den siebenjährigen Sohn Nazar.

Zwei Hilfstransporte

Thees Wullkopf ist im Homeoffice und macht kurz Pause. Denn seine Zeit ist knapp. Seit Anfang März kümmert er sich in beinahe jeder freien Minute um Transporte, nun auch um Termine und Treffen. Das erste Mal brachte er 4,5 Tonnen Hilfsgüter Richtung Kriegsgebiet und nahm aus Platzmangel nur zwei Geflüchtete mit. Vor knapp zwei Wochen fuhr er im VW-Bus samt Anhänger und zwei Tonnen Hilfsgütern ein weiteres Mal dort hin und nahm bei der Gelegenheit zwei Familien mit und lotste eine weitere Großfamilie im Auto hinter sich her. Damit sie folgen konnten, füllte er den Tank unterwegs immer wieder auf. Alle hatten andere Ziele; nur die Novikovas nahm er mit nach Herdecke.

Termine koordinieren

Ämter, Anlaufstellen, Geschäfte: „Alles ist gleichzeitig geöffnet, einige Termine müssen wir noch klären“, sagt der Herdecker, „wobei ja alle nur helfen wollen und alle das Richtige machen. Aber wenn es gleichzeitig passiert, wird es schwierig.“

Auch interessant

Nicht, dass das jemand falsch verstehe, betont Wullkopf, er wolle keinesfalls auf die Kommune schimpfen: „Die geben sich alle sehr viel Mühe.“ Am Ende müsse jeder sehen, was in seinen Kräften stehe und dafür Sorge tragen, sich selbst nicht zu überfordern. „Deswegen konzentrieren wir uns jetzt auf diese kleine Familie“, sagt er mit einer Handbewegung in Richtung der Novikovas.

Kontakt in die Heimat

Die Verständigung klappt dank Google-Translator ziemlich problemlos. „Hier fühle ich mich sicher“, antwortet Olena Novikova auf die Frage, wie es ihr gehe. Mutter, Vater und Ehemann sind in ihrer Heimatstadt Wassiljewka zurückgeblieben. „Es wurden wieder Menschen evakuiert. Mein Mann bringt ein Kind zu einer Frau ins Krankenhaus“, so die 38-Jährige. Sie ist froh, dass sie jetzt wieder Kontakt zu ihrer Familie hat; am vergangenen Wochenende war der komplett unterbrochen.

Mama versucht zu helfen

Zu dem Zeitpunkt hätten die Russen 3000 Frauen und Kinder aus dem zerbombten Mariupol rausgelassen, erklärt Thees Wullkopf: „Sie haben die Menschen zwei Tage warten lassen und sie dann nach Wassiljewka evakuiert. In eine Stadt, die schon total zerbombt war und in der nur noch Rentner und Männer zurückgeblieben sind.“ Olena habe ihm gesagt: „Mama versucht zu helfen, so gut sie kann. Sie kocht jetzt für 3000 Menschen.“

Freunde überall verstreut

Während unseres Gesprächs sitzt die 14-jährige Jeva mit ihrem Handy auf dem Sofa, ihr kleiner Bruder Nazar versucht sich an dem Legotechnic-Spielzeug auf dem Fußboden. Ob Jeva Kontakt zu ihren Freundinnen bzw. Freunden hat? Sie nickt und antwortet: „Viele sind in Polen, in Deutschland, in der Tschechoslowakei und in Italien.“ Thees Wullkopf sorgt sich um das Mädchen: „Gerade in dem Alter bekommt sie ja alles schon mit und versteht doch so wenig von dem Krieg.“ Das bestätigt Mutter Olena: „Jeva fällt die Eingewöhnung schwerer als Nazar, aber sie hat schon eine Freundin hier gefunden.“ Jeva nickt: „Emili.“

Dringlichstes in die Wege leiten

Thees Wullkopf weiß, dass es nicht damit getan ist, den Geflüchteten ein Dach überm Kopf zu besorgen. „Ich habe die Drei aufgegriffen, und sie haben sich voller Vertrauen zu mir ins Auto gesetzt, ohne zu wissen, wer ich bin. Wir haben jetzt hier eine Sondersituation, weil unsere Wohnung gleich nebenan im Rostesiepen frei war. Wenn man den Menschen helfen will, heißt das aber auch, dass man sich kümmern muss. Man versucht, zu vernetzen und die dringlichsten Dinge in die Wege zu leiten, denn sie sollen selbstständig werden.“ Deswegen freue er sich, dass Nazar schon Anschluss beim FC Herdecke-Ende gefunden habe: „Als Nazar das erste Mal Fußball gespielt hat, musste ich weinen, und ich weine nicht so häufig. Diesen kleinen Mann hinter dem Ball herrennen und lachen zu sehen, das hat alles wett gemacht.“

Wunsch nach Rückkehr

„Uns geht es hier sehr gut“, sagt Olena Novikova, und es klingt beinahe so, als schäme sie sich ein bisschen dafür, dass sie und ihre Kinder es so gut angetroffen haben bei Familie Wullkopf in Herdecke. Den Dank der Redaktion für das Gespräch erwidert sie mit einem Kopfnicken und tippt noch einmal eifrig in ihr Handy: „Ich möchte auch wirklich, dass der Krieg so schnell wie möglich endet und ich zu meiner Familie zurückkehre.“

So kann man helfen

Thees Wullkopf weiß, dass es für Geflüchtete noch an allen Ecken und Enden fehlt. „Wer helfen will, kann den Brotkorb, den VCS oder auch Dr. Dennis Prokofiev unterstützen.“

Dieser unterstützt aktuell das größte Krankenhaus in Mykolajiw, damit Verletzte operiert und behandelt werden können. Wer Geld spenden möchte: Verein zur Förderung christlicher Sozialarbeit e.V., Bank für Sozialwirtschaft Köln, IBAN DE56 37020500 0001086300, BIC BFSWDE33XXX.