Wetter/Hagen. Ein 26-Jähriger hat in Wetter auf Polizisten gefeuert und muss sich daher nun vor dem Landgericht verantworten. Frage der Schuldfähigkeit klären.

Drogenexzesse, Stimmen in seinem Kopf und psychotisch: In diesem Zustand sorgte ein 26-Jähriger in Wetter offenbar für einen dramatischen Polizeieinsatz, gebrauchte dabei Schusswaffen. Nun steht er vor dem Hagener Landgericht. Ihm werden tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte und darüber hinaus bewaffneter Drogenhandel zur Last gelegt.

Der Angeklagte, der am Montag von Justizwachtmeistern in den Saal geführt wird, wirkt ruhig und agiert nicht nur äußerst höflich, sondern zeigt sich auch offen. Er dürfte nur entfernt Ähnlichkeit mit dem Mann aufweisen, der laut Anklage am Mittag des 11. Oktober 2021 ein Geschoss aus Metall durch das Schlüsselloch seiner Wohnungstür abfeuerte und kurz darauf die Tür geöffnet haben soll, um mit einem CO2-Gewehr in Richtung eines Polizisten zu schießen. Es handelt sich aber um jene Person, die damals aus dem Fenster sprang und verhaftet wurde.

Die Beamten, so der Vorwurf, stießen währenddessen in der Wohnung an der Heinrich-Kamp-Straße auf knapp 40 Gramm Cannabis, nahezu 900 Gramm Amphetamin und Ecstasy-Pillen. Zudem fanden sie offenbar neben einem selbstgebauten Brandsatz auch eine Schreckschusspistole und zwei Druckluftgewehre. Die Waffen, so die Anklage, sollten im Notfall der Verteidigung der zum Verkauf bestimmten Betäubungsmittel dienen (wir berichteten). „Er wird im Wesentlichen den Sachverhalt hier einräumen“, kündigt Verteidiger Ingo Kramer an. Tatsächlich ist der 26-jährige Angeklagte nicht nur bereit, sich zu den Vorwürfen zu äußern, sondern auch zu seinem damaligen Zustand und der Suchtproblematik.

An jenem Mittag habe er schon, wie zu der Zeit täglich, ein Gramm Amphetamin im Blut gehabt. Er habe sich mit seinem Vermieter gestritten, als es kurz darauf an seiner Tür geklopft habe. Er habe in seinem Zustand gedacht, dass der Vermieter ihm nun Leute geschickt habe. „Ich hatte richtig Angst. Ich wusste nicht, dass das die Polizei war.“

Schuss zur Abschreckung

Und etwas später fügt er hinzu: „Breit, wie ich war, habe ich einen Schuss durch die Tür abgegeben. Ich wollte niemanden verletzen.“ Er habe die Personen vor der Tür nur abschrecken wollen. Als die nicht gegangen seien, habe er die Tür kurz geöffnet, ins Leere geschossen und erst da gesehen, dass es sich tatsächlich um die Polizei gehandelt habe. Wieder habe er es mit der Angst zu tun bekommen, habe beim Blick aus dem Fenster weitere Beamte und andere Uniformen gesehen. „Ich war so breit, dass ich gar nicht bemerkt habe, dass das wegen mir war.“ Aus Angst, die Polizisten vor seiner Tür wollten ihn verletzen, und in der Hoffnung, die Beamten vor dem Haus würden ihn retten, sei er aus dem Fenster gesprungen und habe sich dann widerstandslos festnehmen lassen.

Einweisung in forensische Klinik möglich

Zwei Paragrafen des Strafgesetzbuches (StGB) könnten bei der Urteilsfindung eine Rolle spielen.

In § 20 des Strafgesetzbuches heißt es: Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Laut Paragraf 64 StGB werden Straftäter, die wegen einer Suchtkrankheit straffällig geworden sind oder während der Tat unter Alkohol- oder Drogeneinfluss standen, in einer forensischen Klinik untergebracht, wenn konkrete Aussicht auf einen Behandlungserfolg besteht.

Wenn er von einem nicht normalen Zustand spricht, von der Psychose oder davon, „breit“ gewesen zu sein, bezieht er sich auf seinen Konsum und Stimmen in seinem Kopf. Das seien Frauen und Männer gewesen, die ihm Befehle erteilt hätten. So hätten die Stimmen gesagt, dass er mit seinem Hund rausgehen und das Tier die Häuser „markieren“ solle, in dem Kinderschänder lebten. Und wenn gelbe Säcke vor den Häusern lägen, wäre das ein Zeichen dafür gewesen, dass vor ihm bereits eine andere Person nach diesen Männern gesucht und ihre Standorte gekennzeichnet habe. Und auch der selbstgebaute Brandsatz habe im Zusammenhang mit den Stimmen gestanden.

Erst als die Psychose abgeklungen sei, habe er realisiert, was an jenem Oktobertag passiert sei. Mit den Waffen, so betont er, habe er die Drogen nicht verteidigen wollen. Er habe sie gesammelt, habe damit Schießübungen auf eine Dartscheibe gemacht. Das Cannabis und die Ecstasy-Pillen seien nur für ihn selbst bestimmt gewesen. Von dem Amphetamin habe er circa die Hälfte verkaufen wollen, um seinen Konsum zu finanzieren.

Cannabis habe ihn entspannt, sei schmerzlindernd gewesen. Das Amphetamin habe ihm Energie gegeben. Ecstasy habe für gute Laune gesorgt. Es sei eigentlich eine psychische Sucht gewesen. So offen er sich zeigt, in einem Punkt will er schweigen: Angaben zu seinem Lieferanten, so erklärt er, wolle er nicht machen.

Auch interessant

Am Mittwoch wird das Verfahren fortgesetzt. Dann wird der psychiatrische Sachverständige sein Gutachten zur Frage der möglicherweise zum Teil vorhandenen Schuldunfähigkeit des 26-Jährigen und einer zur Rede stehenden Unterbringung in einer Entzugsklinik erstatten. Danach könnte es unter Umständen bereits die Plädoyers und das Urteil geben.