Herdecke. Herdecke: Geflüchtete Familien aus der Ukraine kommen in Haus Ende-Syburg unter. Drei Mütter erzählen von ihrer Reise und ihrem neuen Alltag.

Die Sonne scheint, Kinder spielen auf dem Gelände, fahren Fahrrad und lachen miteinander. Von Leid und Angst zunächst keine Spur. „Es ist ein bisschen wie ein Spiel für sie. Die meisten sind noch zu klein, um den Ernst der Lage zu verstehen“, erzählt Julia Cherneiko. Die 37-Jährige ist mit ihren zwei Kindern und ihrer Mutter aus Schytomyr geflohen. Die ukrainische Großstadt liegt ungefähr 120 Kilometer von Kiew entfernt und wurde bereits Anfang März von den russischen Truppen angegriffen. Doch wie sind Cherneiko und die anderen Geflüchteten im Haus Ende-Syburg in Herdecke gelandet? Per sprachgesteuerter Übersetzung erzählen drei ukrainische Mütter ihre Geschichte.

Flucht mit Hindernissen

Fünf Tage, 5000 Kilometer und zwei Länder sind Julia Cherneiko und ihre Familie durchlaufen. Sicherheit und Normalität für ihren neunjährigen Sohn und ihre anderthalbjährige Tochter stehen für sie an erster Stelle. Doch die Flucht aus der Ukraine lief anders als gedacht. Ohne Ehemann, der aufgrund der Ausreisesperre für Männer gewissen Alters das Land nicht verlassen durfte, musste die kleine Familie sich alleine in die Türkei retten. Von dort aus ging es weiter in Richtung Italien. Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft sei in dem südeuropäischen Land allerdings nicht vorhanden gewesen. „Wir hatten das Gefühl, dass Flüchtlinge aus der Ukraine in dem Land nicht willkommen sind“, sagt Cherneiko. Durch eine Verbindungsperson, die unter dem Namen Olga bekannt ist, entstand der Kontakt mit dem Haus Ende-Syburg in Herdecke, wo die vierköpfige Familie immer noch wohnt. „Wir haben eine Freiwillige gefunden, die uns diesen schönen Ort gezeigt hat. Sie hat uns hierher gebracht, wo wir freundlich aufgenommen wurden“, erzählt die 37-Jährige. Sowohl die anderen Bewohner und Geflüchteten als auch die Verantwortlichen seien stets freundlich und hilfsbereit gewesen. Zudem würden sie sich sehr gut um die Kinder kümmern und ein Gefühl von Geborgenheit vermitteln, dass so ihrem Nachwuchs die Anpassung an die neuen Lebensumstände leichter fällt als zunächst gedacht. „Ich würde sagen, die Kleinen merken noch nicht so viel, außer dass ihre Väter nicht hier sind. Alle Kinder vermissen ihren Papa, der ohne sie in der Ukraine ist“, betont Cherneiko. Der Kontakt zu ihrem Ehemann sei aber regelmäßig, da sie sich dank einer kostenlosen Handykarte und dem Internet jeden Tag unterhalten können. Die 37-Jährige Mutter zeigt Dankbarkeit gegenüber dem Haus Ende-Syburg, aber auch dem Land, das sie und ihre Familie aufgenommen hat: „Ein großes Dankeschön an Deutschland für die Hilfe und das Kümmern um Menschen in Not“.

Vom Urlaubsdomizil zum Alptraum

Die Hafenstadt Odessa könnte laut Medienberichten Russlands nächste Angriffsstation sein und wird sogar als Putins „großes Ziel“ bezeichnet. Eines der schönsten und beliebtesten Orte in der Ukraine wird für Tanja Stefano zum Alptraum. Die 32-Jährige bangt um ihre sechs Kinder, darunter ein Neugeborenes. Bereits bei Kriegsausbruch entschied sich die achtköpfige Familie für die Flucht nach Deutschland. Stefanos Ehemann reiste zwar mit nach Herdecke, kehrte aber zurück nach Osteuropa. Aus Polen heraus kümmert er sich mit einer Gruppe um Sachspenden und Hilfspakete für sein Heimatland. „Seitdem wir hier sind sage ich mir immer wieder- Alles ist gut, jetzt wird alles gut“, erzählt die Mutter von sechs Kindern. Trotz der aufbauenden Worte wirkt Tanja Stefano sichtlich mitgenommen, das Lächeln erreicht ihre Augen nicht.

Drei Generationen in Sicherheit

Auch Yana Tsybulska musste samt Mutter und Tochter ihre Heimat verlassen. Von der Stadt Saporischschja aus, die im Süden der Ukraine liegt, ging es über Polen nach Deutschland. Die Flucht dauert zwei Tage. Immer wieder geht die Frau über den Hof des Hauses Ende-Syburg, ihre Anspannung ist dabei deutlich zu spüren, während sie mit ihrem Ehemann telefoniert. Der Vater ihrer Tochter sei nicht mehr in der Ukraine, kümmere sich aber auch um Hilfsmöglichkeiten aus Polen heraus. Das Drei-Generationen-Gespann gelangte ebenfalls durch die Kontaktperson Olga nach Herdecke, wo sie sich nicht nur wohlfühlen, sondern allen voran sicher. „Wir sind mehr als dankbar, hier untergekommen zu sein, meine Mutter und meine Tochter können endlich wieder durchatmen“, betont die gebürtige Ukrainerin.