Wetter. Wenn die Männer vom Kolping-Team ein Haus ausräumen, lassen private Dinge der einstigen Bewohner sie oft nicht kalt. Denn die erzählen ein Leben.

Der Anlass ist meist wenig erfreulich: Wenn Menschen sterben oder in ein Seniorenheim umziehen, müssen oft Wohnung oder Haus ausgeräumt werden. Eine Aufgabe, mit der viele Angehörige überfordert sind und die sie deswegen Profis wie den Männern vom Kolping-Team überlassen. Aber: Den starken Männern mit den kräftigen Armen geht diese Arbeit hin und wieder sehr zu Herzen.

Sichtung für den „Store“-Verkauf

Den Anfang einer jeden Haushaltsauflösung macht in der Regel Beate Löhr, Leiterin des Second-Hand-Warenhauses „Store“ an der Kaiserstraße. „Ich schaue zunächst, was noch brauchbar ist und sich für den Verkauf in unserem Store eignet. Das sind zum Beispiel Elektrogeräte wie Waschmaschinen, Eierkocher oder Elektromesser. Auch Geschirr nehme ich mit. Der Klassiker mit dem Goldrand taucht in fast jedem Haushalt auf“, so Beate Löhr. Bettwäsche und Handtücher lassen sich gut wiederverkaufen, ebenso wie manche Gläser und Vasen. „Wenn ich fertig bin, dürfen die Männer loslegen“, so die Store-Leiterin. Wie am Mittwochmorgen, als das fünfköpfige Team zur Auflösung eines kompletten Hauses antritt. Zwei Tage sind dafür nächste Woche angesetzt, ein paar Stunden wollen sie schon mal vorarbeiten.

Kuscheltiere und Feldpost

„Dieser Auftrag hat es in sich“, sagt Chris Gmireck und deutet auf eine enge, steile Treppe, die ins Dachgeschoss und den Keller führt. Kein Weg führt beim Abtransport von Kisten, Säcken oder Möbeln daran vorbei. In einem einst als Kinderzimmer genutzten Raum packt er unzählige Kuscheltiere und Dinos in eine Plastikwanne: „Das berührt schon, wenn man solche privaten Sachen sieht, anderseits ist es manchmal auch skurril, wenn man das Gebiss des ehemaligen Bewohners in einer Schublade findet.“ Michael Hering räumt derweil einen Wohnzimmerschrank aus und stößt auf eine kleine Krippe. „Ist kaputt, können wir nicht gebrauchen“, sagt er mit fachmännischem Blick. „In Herdecke haben wir mal ein Haus ausgeräumt, wo wir unter einer Sitzbank alte Schwarz-Weiß-Fotos und Feldpost aus dem ersten Weltkrieg gefunden haben. So etwas legen wir natürlich zur Seite und fragen die Angehörigen noch mal, ob sie das nicht behalten möchten. Wir schmeißen nichts wahllos weg“, betont er, „aber ein gewisser Abstand ist schon wichtig; denn man wirft ein komplettes Menschenleben in einen Container.“

Seit sieben Jahren schon kümmern sich Michael Hering und Marco Jellinghaus um das Ausräumen von Wohnungen und Häusern; weitere Kollegen sind nach und nach dazugekommen. Das Wort Entrümpeln benutzt das ganze Team bewusst nicht – aus Rücksicht.

Auch schöne Momente

„Am Anfang war es schon komisch; denn wir kommen und machen tabula rasa“, sagt er. Bitter sei es, wenn man etwa Beutel und Fläschchen mit Spezialnahrung sehe und daran erkenne, dass der einstige Bewohner an Krebs verstorben sei. „Ich kenne die ganzen Sachen von meinem Onkel, der Krebs hatte“, erzählt Michael Hering. Aber natürlich gebe es auch bei seiner Arbeit durchaus schöne Momente. Etwa als er mit seinen Kollegen das Haus von Eheleuten in Herdecke ausräumen musste, die beide mit über 100 Jahren gestorben waren: „Da haben wir einen Original-Cricket-Schläger der Frau von 1921 gefunden.“ Eine Lenkrad-Sonderedition habe an den Beruf des Mannes, der als Ingenieur bei Mercedes gearbeitet hatte, erinnert. „Anhand vieler Dinge konnte man deren Lebensabschnitte verfolgen, und die Töchter des Ehepaars haben uns erzählt, dass die beiden ein sehr erfülltes Leben hatten. Das war das beeindruckendste.“ Zu manchen Dingen oder Wohnungen habe man gar keinen Bezug, „aber in anderen entdeckt man noch das Leben“, so der Handwerker.

Möbel in den Container

Aus der oberen Etage ruft Chris Gmireck herunter, ob er schon mit dem Abbau des Kleiderschranks beginnen solle. „Nein, erst muss die ganze Bettwäsche raus“, weist Michael Hering ihn an, „die muss runter ins Geschäft.“ Dass sie am Ende des Tages viele große Möbel zerhacken und in Container befördern müssen, „tut uns auch in der Seele weh“, versichert er, „aber letztlich ist es so, dass sie keiner mehr haben will.“ Und aufbewahren könne Kolping sie nicht; das Lager sei einfach zu klein. Noch zwei Mal werden Michael Hering und seine Kollegen nächste Woche anrücken. Am Ende verlassen sie diese Arbeitsstelle wie jede: besenrein.

Für Integration

Etwa zwei bis drei Haushalte löst das Kolping-Team im Monat auf. Dessen Einzugsgebiet ist der komplette Ennepe-Ruhr-Kreis.

Die Gesellschaft zur Entwicklung und Führung beruflicher Integrationsunternehmen mbH (GEFI), eine Kolping-Tochter, betreibt den „Store“. Darüber hinaus bietet sie Dienstleistungen wie Haushaltsauflösungen, Umzüge und kleinere handwerkliche Arbeiten an.

Ins Leben gerufen wurde der „Store“ in Wetter im Jahr 2015, damit behinderte Menschen im Sinne einer beruflichen Teilhabe einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen können.