Herdecke. Viele haben die Flucht vor den Taliban nicht geschafft. Aber einige Familien aus Afghanistan werden nun in Herdecke erwartet. Das birgt Probleme.

Aus dem August sind die erschütternden Bilder von Menschen, die in Kabul aufs Rollfeld drängen, um auf der Flucht vor den Taliban doch noch eine rettende Maschine besteigen zu können. Auch viele Ortskräfte, die den deutschen Soldaten in ihrem lang währenden Einsatz zur Seite gestanden hatten, hofften auf Aufnahme außerhalb von Afghanistan. Für viele Helfer und ihre Familien war es zu spät, einige aber haben es geschafft. 20 von ihnen werden nächste Woche in Herdecke erwartet.

Große Herausforderung

Auf vier bis fünf Familien hat sich das Sozialamt in Herdecke eingestellt. Das Amt sieht sich vor eine große Herausforderung gestellt. In den letzten Jahren sind die Kapazitäten für die Aufnahme von Flüchtlingen kontinuierlich abgebaut worden. Da die Zuweisungszahlen seit September wieder gestiegen sind, gab es schon vor Weihnachten Überlegungen, wie sich Wohnraum finden lässt.

Wohnung werden renoviert

Bei der HGWG wurde die Stadt fündig. Die Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft konnte gleich acht Wohnungen anbieten, die eigentlich abgerissen oder saniert werden sollten.

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Das muss jetzt warten. Für die Unterbringung von Familien seien die Wohnungen gut geeignet, berichtete jetzt Kerstin Jakob vom Sozialamt im Sozialausschuss. Die Wohnungen würden aktuell renoviert und hoffentlich fertig sein, wenn die ehemaligen Helfer der deutschen Soldaten mit ihren Familien in Herdecke eintreffen.

Problem Einkaufen

Wohnraum scheint also da zu sein. Als Schwierigkeit gestaltet sich eher die Grundausstattung mit Lebensmitteln. Der Brotkorb ist bereits eingesprungen und hat Hilfe zugesagt, dass etwas in den Vorratsschränken steht, wenn die Handvoll Familien ihr Quartier bezieht. Allerdings kann der Brotkorb nur zu Verfügung stellen, was vorher an ihn abgegeben wurde. Und das muss längst nicht das sein, was die Flüchtlinge brauchen oder sich selbst kaufen würden, wenn sie könnten. Aber gerade das Kaufen scheint das Problem zu sein.

Fahrt zum JobCenter

Die Stadt kann den Ankommenden nicht ohne weiteres ein Taschengeld auszahlen. Beim Geld für den Ersteinkauf sei das Sozialamt nicht zuständig sondern das Jobcenter. Da müssten die vor den Taliban Geflohenen aber erst einmal hinkommen. Ohne Geld ist das schwierig. Derzeit liefen Gespräche, dass vom JobCenter Vorab-Gutscheine ausgestellt werden, berichtete die Verwaltung im Sozialausschuss. Die fürs Soziale zuständige Beigeordnete Bettina Bothe appellierte, „die Dinge aus der Sicht der Menschen zu sehen“ und erklärte wörtlich: „Das JobCenter ist da wirklich stur.“

Erste Familie schon länger da

Der Zugang afghanischer Ortskräfte stelle für die beteiligten Behörden eine neue Situation dar, heißt es auf Anfrage bei der Pressestelle der Kreisverwaltung. Anders als im Asylverfahren erhielten die afghanischen Ortskräfte und ihre Angehörigen unmittelbar Leistungen nach dem SGB II. Die Vorläufe zwischen Ankündigung, Ankunft Unterbringung und Auszahlung von Leistungen zum Lebensunterhalt seien extrem knapp. Dem Jobcenter sei diese Situation bewusst. Es bemühe sich, mindestens vorläufige Geldleistungen in kürzester Zeit auszuzahlen. Wörtlich heißt es: „Mindestens werden dafür aber die persönlichen Daten der Ortskräfte benötigt. Das Jobcenter versucht in jedem Fall, den betroffenen Menschen in Absprache mit den Städten schnell und pragmatisch zu helfen.“

Die 20 Neuankömmlinge aus Afghanistan sind nicht die ersten Ortskräfte, die die Herdecke Aufnahme finden. Seit kurzem schon lebt eine Familie mit zwei Kindern in einer Flüchtlingsunterkunft der Stadt.

Zahl der Zuweisungen steigt wieder

Während Corona gab es wenig Zuweisungen für Herdecke. Flüchtlinge sind in Aufnahmeeinrichtungen geblieben. Seit September kommen vermehrt Flüchtlinge.

33 neue Asylbewerber wurden Herdecke seitdem zugewiesen aus Ländern wie dem Irak, Syrien, der Türkei, Afghanistan und China.

Hinzu kommen anerkannte Flüchtlinge aus besonders schutzwürdigen Gegenden wie die Ortskräfte aus Afghanistan. Seit September waren das insgesamt 26 Zuweisungen.

Im Bereich Asyl sei die Aufnahmequote nahezu erfüllt, so Sozialamtsleiterin Kerstin Jakob. Im Bereich der weiteren Zuweisungen liege die Erfüllungsquote aber nur bei 71 Prozent.

Auch andere kleinere Städte in NRW müssten verstärkt mit Zuweisungen rechnen. Die Großstädte hätten die Quoten meist bereits erfüllt.