Herdecke. Jubiläum in Corona-Zeit: Die 1972 in Herdecke gegründeten Lions feiern im Jugendtreff „FachWerk“, für dessen Renovierung der Club Geld spendete.

Wie lässt sich in Corona-Zeiten ein 50-jähriges Jubiläum für Mitglieder, darunter einige Senioren, feiern? Der Herdecker Lions Club entschied sich für eine kreative und zugleich aufwendige Lösung.

Genau ein halbes Jahrhundert nach der Gründung in der Gaststätte Bonsmanns Hof führten der aktuelle Präsident Christian Kinkenberg und Pressebeauftragte Stefan Augustin im Jugendzentrum „FachWerk“ am Bachplatz durch den Geburtstagsabend, den die Mitglieder zuhause per Videoübertragung verfolgen konnten. Kinkenbergs Sohn Jan hatte die Räume, die das Hochwasser im Juli 2021 stark beschädigt hatte und vor allem dank einer großen Spende der heimischen Lions renoviert werden konnten, in ein kleines Fernsehstudio verwandelt.

In Vertretung der erkrankten Bürgermeisterin dankte Bettina Bothe als Beigeordnete der Stadt den Lions für viele Aktivitäten in Herdecke. Besonders passend fand sie in dem Zusammenhang das Jubiläums-Motto „Tradition bewahren, Zukunft gestalten“. Damit lasse sich an geschichtliche Zusammenhänge in der Kommune anknüpfen, beispielsweise an die Unterstützung der Lions für verschiedene Projekte wie etwa den Wappenstein der Stiftsmühle oder das Aufstellen der Jakobsäule im Zentrum. Zugleich gehe der Blick nach vorn, da der Club auch Pfadfinder, Sportvereine, Feuerwehr, Musikschule oder Gemeinschaftskrankenhaus und viele mehr fördere. „Sie vermitteln wichtige Werte und stoßen auch zugunsten von Kindern sowie Jugendliche viele Dinge an, die die Gesellschaft bewegen“, sagte Bothe und erinnerte noch an die Initiative „Ende räumt auf“, ehe sie die lange Liste nicht ausufern lassen wollte.

Stattdessen erhielten die zugeschalteten Lions-Mitglieder viele Eindrücke, wie die Stadt dank der Finanzspritze des Clubs den Treffpunkt „FachWerk“ wieder herrichten konnte. Jugendamtsleiterin Daniela Leogrande, Holger Steiner, Peter Niewrzol und Marcella Gralka berichteten vor den drei Kameras sowohl über die Renovierung als auch grundsätzlich über die offene Kinder- und Jugendarbeit.

Die Gründungsmitglieder vor 50 Jahren:  Wilfried Wlecke (oben links),  Präsident Jochen Berger (3. v. li.), Gerhard Blumberg (unten 3. v. links), Hubert Schmoll und Thomas Küstermann (unten von rechts).
Die Gründungsmitglieder vor 50 Jahren: Wilfried Wlecke (oben links), Präsident Jochen Berger (3. v. li.), Gerhard Blumberg (unten 3. v. links), Hubert Schmoll und Thomas Küstermann (unten von rechts). © Lions Herdecke

Zwischendurch richtete District Governor Martin Weber ein Grußwort an die Herdecker Lions, die dazu einen fast 20-minütigen Film zu den Interviews mit den Gründungsmitgliedern sowie weitere Videoeinspielungen sahen. Viel Arbeit – am Ende viel Applaus.

Aufgezeichnete Einspieler

Zum 50-Jährigen lassen sich natürlich zahlreiche Geschichten erzählen. Seit 1972 ist allerlei passiert – wer könnte besser darüber berichten als vier Gründungsmitglieder? Zumal viele in der Stadt an den Ruhrseen Wilfried Wlecke, Hubert Schmoll, Gerhard Blumberg und Thomas Küstermann auch aus anderen Zusammenhängen kennen.

Im Zweibrücker Hof traf sich das Quartett kürzlich, um im Beisein der Ehefrauen Ehrungen durch den District Governor und aktuellen Herdecker Lions-Präsidenten entgegen zu nehmen. Zudem berichteten die treuen Mitglieder in Interviews, was ihnen nach einem halben Jahrhundert zum Jubiläum des Service-Clubs einfällt.

Kalter Glühwein nach Polizei-Besuch

Wilfried Wlecke zum Beispiel kam zu den Lions „wie die Jungfrau zum Kinde“. Der heute 83-Jährige hatte 1972 keine Ahnung, was dieser Club darstelle. Als angehender Ingenieur zeigte er sich damals skeptisch, ob er eine Mitgliedschaft und Verpflichtungen seiner jungen Familie zumuten könne. „Heute bin ich froh, dass ich es getan habe.“ Zu den vielen schönen Erinnerungen gehöre auch, wie er mit weiteren Mitgliedern Brennholz für Kaminbesitzer (über einen Obolus kam Geld für gute Zwecke zusammen) gehackt habe oder aus abgefaulten Strommasten der Elektromark Umrandungen für Kindergarten-Sandkästen am Nacken baute.

Als die Lions in den 1970-er Jahren ihren ersten Glühweinstand vor dem damaligem Geschäft Hillering für den Weihnachtsmarkt vorbereiteten, erhielten Wlecke und Co. Besuch von der Polizei. „Die fragte uns, was wir nachts um halb eins auf dem Dach der Bude machen würden.“ Die Irritation ließ sich auflösen. Am nächsten Tag klappte aber die Stromversorgung nicht. „Zur Eröffnung gab es kalten Glühwein.“

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Unvergessen auch die Reise zum internationalen Lions-Treffen 1974 in den USA. Vier Herdecker flogen nach San Francisco, die Gruppe um den Gründungspräsidenten Jochen Berger marschierte bei einer Parade durch die Stadt und lernte unterschiedliche Ausprägungen der Clubs aus anderen Ländern kennen. Gleiches erlebte Wlecke bei einem Besuch in Australien. Am berühmten Ayers Rock schliefen die deutschen „Löwen“ im Zelt, Handwerker oder Farmer kamen mit Privatflugzeugen und nahmen 600 Kilometer Anfahrt in Kauf. „Als Hauptactivity war ein Kamelrennen zu veranstalten, um Altersheime zu versorgen – ein herrliches Erlebnis“, erinnert sich Wlecke, der die bewährte Grundidee „we serve“ bis heute als wichtige Basis einstuft.

Das bestätigt Thomas Küstermann. Der frühere Pfarrer und Superintendent der evangelischen Kirche reagierte 1972 wie Wlecke zurückhaltend auf den Vorschlag, einem solchen Herrenclub beizutreten. Aber durch das besagte Motto, anderen „zu dienen“, sah er Parallelen zu seinen beruflichen Aufgaben. Die Anfangszeit der Herdecker Lions beschreibt der heute 87-Jährige als Mischung aus Vorsicht und Mut. Besonders in Erinnerung bleiben ihm die Kaminabende, zu denen die Mitglieder dann auch die Ehegattin mitbrachten. „Es fing bescheiden mit belegten Brötchen an. Doch manche Gastgeberinnen wollten andere über gute Menüs überbieten.“ Zum Diner erschienen die Herren dann im Smoking, die Damen mit langem Kleid. „Meine Frau und ich waren für das Einfache, um das Soziale und die Gespräche in den Vordergrund zu rücken.“

Hilfe für einsame Menschen

Als Pfarrer und zugleich Activity-Beauftragter der Lions wollte sich Küstermann um alleinstehende Herdecker kümmern, organisierte Besuche und kleine Geschenke. Die Aktion „einsame Personen zur Weihnachtszeit“ fand auch bei den anderen Mitgliedern Anklang.

Zum 50-jährigen Jubiläum hebt er hervor: „Der Club sollte Gutes und Bewährtes wie den sozialen Auftrag pflegen.“ Und an die gute Zusammenarbeit mit anderen Herdecker Einrichtungen wie Kinderschutzbund oder Rotary Club anknüpfen.

Wer wiederum an Kultur und Musik bei den Lions denkt, landet sofort bei Hubert Schmoll. Der ehemalige Lehrer spielte viele Konzerte – sowohl intern bei Club-Treffen als auch bei öffentlichen Anlässen. „Ich kannte den Gründungspräsidenten Berger, da ich damals in Wetter seine zwei Söhne unterrichtete.“ Dadurch stieß der heute 91-Jährige 1972 zur Gründungsfeier in der Gaststätte Bonsmanns Hof. Aus der Anfangszeit hat er auch einen Lions-Brief aufbewahrt, in dem er einen herzlichen Dank für seine Violinkonzerte erhielt. Bei der Charterfeier 1973 führte er mit einem Quartett seine Komposition auf. All dies bezeichnet er als „erhebende Glücksmomente. Die Idee der Lions – ich bin da und helfe – hat mich von Beginn an gepackt, da ich mich stets auf der Seite der Rechtschaffenen sah. Ich freue mich, dass der Club so gedeihen konnte und freue mich über Jüngere, die jetzt zupacken.“

Apotheker Gerhard Blumberg kam über seinen Beruf und die Frau des Gründungspräsidenten Berger (Kundin in seinem Geschäft) zu den Lions. Der 84-Jährige stieß im Laufe der Zeit auf immer mehr Bekannte in dem Club. Heute seien die Lions in Herdecke schon bekannt, dazu hätten viele Veranstaltungen und Aktivitäten beigetragen. „Wir haben viel Gutes für die Bevölkerung gemacht, wir haben einigen unter die Arme gegriffen.“