Herdecke. CDU, Grüne und FDP in Herdecke sehen viele Gemeinsamkeiten. Was sie als Koalition für die Bürger erreichen wollen.
Monate haben die Gespräche gedauert, und nicht nur wegen Corona hat es schon mal gehakt. Jetzt haben auch die Mitglieder von CDU, Grünen und FDP den Koalitionsvertrag mit ihrer Zustimmung versehen. Bei der offiziellen Unterzeichnung der Vereinbarung wird ausgerechnet ein Seidentuch zum Sinnbild der neuen Koalition.
Fünf Herren und eine Dame haben sich für den Tag der Unterschrift unter das 20-Seiten-Papier fein gemacht. Gedeckte Farben dominieren. Krawatten aber sind im Schrank geblieben. So viel Lässigkeit darf sein. Doris Voeste, CDU-Vorsitzende in Herdecke, hat ein Tuch um den Hals geschlungen und lenkt mit Worten den Blick darauf: Schwarzgründig sei das Tuch, mit grünen Mustern darauf. Und auch wenn Gelb fehle – es seien Elefanten dargestellt, die Lieblingstiere von FDP-Schwergewicht Hans-Dietrich Genscher. Doris Voeste: „Das passt alles zusammen und sieht gut aus. Es wäre schön, wenn das bald auch über unsere Zusammenarbeit gesagt würde.“
Einmal schon haben es die drei Parteien zusammen versucht. 2009 stellten sie sich gemeinsam hinter die parteilose Bürgermeisterkandidatin Dr. Katja Strauss-Köster und bildeten bis zur Kommunalwahl 2014 ein Bündnis. Viel sei damals bewegt worden, sagt Patrick Wicker, seit ein paar Monaten Vorsitzender der CDU-Fraktion, und zählt auf: das Quartier Ruhraue, den Kampsträter Platz, Wohnen am Bahnhof. An diesen Schwung haben sich CDU, Grüne und FDP wieder erinnert. Patrick Wicker: „Das hat einen Riesenspaß gemacht. Wir sind auf den Geschmack gekommen. Wir wollen gestalten.“
Nach 2014 war das nicht mehr so einfach. Die Kommunalwahl brachte der Dreier-Koalition keine Mehrheit mehr. Eine andere wurde aber über Jahre auch nicht fest organisiert. Die wechselnden Mehrheiten hätten es auch für die Verwaltung nicht leicht gemacht, mit der Politik zu rechnen, sagt Andreas Disselnkötter, Fraktionsvorsitzender der Grünen. Das soll nun wieder anders werden. Am ehesten hat noch die FDP mit der Wiederauflage der Koalition gefremdelt. Am Anfang der Gespräche hätten nicht alle Parteien die gleichen Vorstellungen gehabt, blickt Wilhelm Huck, Fraktionsvorsitzender der FDP, zurück. Nun aber ist auf allen Seiten vom Aufeinanderzugehen und gewachsenem Vertrauen die Rede.
Neuer Platz für Gewerbe
In vielen Vereinbarungen seien die Farben der CDU zu finden, zeigt sich Patrick Wicker zufrieden und nennt den gemeinsamen Wunsch der Parteien, Platz für mehr Gewerbe in Herdecke zu finden. Auch den Ausbau des Offenen Ganztags stellt er heraus. Bei mehr Möglichkeiten für Gewerbe haben die anderen Parteien bei der FDP offene Türen eingerannt, sagt Wilhelm Huck. Auch bei einem anderen Thema fühlt er sich verstanden: „Wir brauchen neue Flächen auch für kleine Wohneinheiten“, sagt er und denkt an Ein- oder Zweifamilienhäuser.
Andreas Disselnkötter von den Grünen startet mit einem Lob für die schwarz-gelbe Landesregierung. Auch bei ihr sei mittlerweile die Bedeutung des Klimawandels angekommen. Vor Ort kann Disselnkötter sich ebenfalls freuen: „Klimaschutz ist längst nicht mehr nur ein Thema der Grünen.“ Nicht zuletzt das extreme Wetter und der Starkregen hätten die Verletzlichkeit gezeigt. Einigkeit herrsche auch beim Geld, ergänzt Patrick Wicker. Der strikte Konsolidierungsweg bei den städtischen Finanzen müsse weiter gegangen werden. Wicker: „Wir sind keine Wünsch-dir-was-Koalition.“
Im Jahr 2009 hießen die Architekten der Koalition Heinz Rohleder, Peter Gerigk und Jochen Plaßmann. Jetzt hat vornehmlich eine andere Generation nach einem gemeinsamen Nenner für die Politik vor Ort gesucht. Andreas Disselnkötter berichtet, dass es gerade bei den Grünen viele Aktive gibt, die erst seit der Kommunalwahl so richtig dabei seien. Als der erste Koalitionsvertrag unterzeichnet wurde, lebte Axel Störzner noch nicht einmal in Herdecke. Jetzt sitzt er im Rat. Zur Unterzeichnung hat er seinen Sohn Joona mitgebracht. Als Andreas Disselnkötter nach einem Stift für die Unterschrift sucht, legt ihm der Anderthalbjährige einen Filzschreiber hin. Zielsicher. Der Stift ist grün.
Vom Ausbau des Wirtschaftsstandortes bis zu QR-Codes auf Wanderwegen
Laut Koalitionsvertrag sind die wichtigsten gemeinsamen Ziele eine nachhaltige Stadtentwicklung, der Ausbau des Wirtschaftsstandortes Herdecke, der Klimaschutz und die Weiterentwicklung der Schulen.
Zentralen Stellenwert haben ebenfalls attraktives Wohnen, Leben und Arbeiten in Herdecke, die Mobilitätswende mit einem attraktiven Radwegenetz, die Sicherung des Wohlstands und eine Förderung des Tourismus.
Im Rahmen der Haushaltsverantworten wollen CDU, Grüne und FDP die Steuersätze auf einem konstanten Niveau halten, so lange das machbar ist.
Im Koalitionsvertrag enthalten ist auch die Neuausweisung von Gewerbeflächen neben Bonsmanns Hof. In gleicher Größe sollen andere Flächen in der Stadt für eine bauliche Entwicklung nicht mehr zur Verfügung stehen.
Der touristische Freizeitwert in Herdecke soll verbessert werden, beispielsweise durch QR-Codes an den Wanderwegen.
Um gezielt Fördermittel nach Herdecke zu lenken, soll eine Drittelstelle „Fördermittelmanagement“ eingerichtet werden.
>>> Der Kommentar von Klaus Görzel: Mut zur Verantwortung
Die erste Koalition von CDU, Grünen und FDP ging vor zwölf Jahren an den Start. Historisch gab es erstmals eine Mehrheit an der SPD vorbei. Eine Rats- periode ging das gut mit wichtigen Marksteinen für die Stadt: Quartier Ruhraue, Kampsträter Platz, Wohnen am Bahnhof. Bestätigt wurde die Koalition auch im Schatten einer Europawahl nicht, richtig abgewählt aber auch nicht.
Sechs lange Jahre gab es keine klare Mehrheit im Rat. Jetzt aber haben CDU, Grüne und FDP wieder den nötigen Rückhalt. Der Geist ist ein anderer. Die SPD ist längst entthront. Aber die drei Parteien haben sich an den Spaß am Gestalten erinnert. Und: Sie übernehmen Verantwortung.
Mehr Gewerbe, attraktive Schulen, Klimaschutz vor Ort – das sind die Verheißungen für die Herdecker. Einigkeit und Gestaltungswillen sind da bestimmt hilfreich.