Wetter/Herdecke. Opfer von Krieg und Gewalt stehen im Fokus des Volkstrauertags. In Wetter und Herdecke richtete sich der Blick besonders auf die Zwangsarbeiter.

Kurz nach dem Läuten der Glocken erklingen in Wetter ein Bläserquartett und in Herdecke eine Trompete. Stille Anteilnahme, das Erinnern und das unermüdliche Appellieren, nicht wegzuschauen und nicht zu vergessen, bestimmten den gestrigen Volkstrauertag. Politik und Gesellschaft, aber auch Vereine und Schüler gedachten in Wetter und Herdecke der vielen Opfer von Krieg und Gewalt.

Appell des Bürgermeisters

„Am heutigen Volkstrauertag wollen wir innehalten und gedenken. Seit 1922 gedenken wir am Volkstrauertag der Opfer von Krieg und Gewalt. Wir trauern um sie“, sagte Wetters Bürgermeister Frank Hasenberg in seiner Rede, nachdem er verschiedene Gäste der Gedenkfeier zum Volkstrauertag auf dem Ehrenfriedhof im „Park der Ruhe“ in Wetter begrüßt hatte.

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Unter den Anwesenden waren diesmal, neben Vertretern des THW, der Feuerwehr, des Roten Kreuzes, des Schützenvereins Volmarstein sowie der Reservistenkameradschaft Wetter, auch einige Schüler der Oberstufe des Geschwister Scholl-Gymnasiums. Sie erinnerten, angelehnt an das diesjährige Motto des Volkstrauertages „Helden, Täter, Opfer“ mit ihrem Erinnerungsprojekt „(Un)vergessene Heldinnen und Helden“ ebenfalls an die vielen Kriegsopfer.

Erinnert an damals und nimmt auch die Gegenwart ins Visier: Bprgermeister Frank Hasenberg bei der Gedenkstunde in Wetter.
Erinnert an damals und nimmt auch die Gegenwart ins Visier: Bprgermeister Frank Hasenberg bei der Gedenkstunde in Wetter. © Lutz Nickel

„So schwer uns das Erinnern an die Gewalttaten fallen mag, die im Namen Deutschlands, im Namen unseres Landes begangen wurden: Dieser Tag ist uns das stetig mahnende Symbol, mit Blick auf die Opfer von Kriegstreiberei und falsch verstandenem Nationalismus ein lautstarkes ,Nie wieder’ zu rufen,“ erklärt Hasenberg und machte deutlich, dass die Verantwortung bei jedem einzelnen liegt, dass sich das Geschehene nie mehr wiederholt. Ein Wegschauen, wenn im Alltag Menschen diskriminiert oder verfolgt werden, dürfe es nicht geben. Darüber hinaus sei ein „Ich habe es nicht gewusst“ nicht zu akzeptieren. Dies gelte sowohl für die Zeit des Nationalsozialismus als auch für die Zeit heute.

Neben den Millionen im Krieg gefallen Soldaten erinnerte Hasenberg auch an die vielen sowjetischen Kriegsgefangenen, die in ganz Europa, und auch in Wetter, Zwangsarbeit leisten mussten. „75 Kriegsgefangene und Internierte aus ganz Europa starben in unserer Stadt unter katastrophalen Arbeits- und Lebensbedingungen,“ erinnert Hasenberg.

Zwangsarbeiter im Blick

Auch die Gedenkfeier in Herdecke legte einen Fokus auf die Zwangsarbeiter, die während der Zeit des Nationalsozialismus in Herdecke zur harten Arbeit gezwungen wurden und nicht selten dabei ihr Leben verloren. In Herdecke waren es ebenfalls Schüler des örtlichen Gymnasiums, die Vorträge zu dem Überfall auf die Sowjetunion oder zu den in Herdecke lebenden Zwangsarbeitern hielten. Dabei lasen die Schüler des Geschichts-Leistungskurses Q2 auch Briefe aus der Feldpost eines Herdecker Soldaten vor. An den Bäumen rund um das Ehrendenkmal in der Goethestraße in Herdecke waren Informationen zum Krieg und Auszüge aus Zeitdokumenten aus der Artikelserie des ehemaligen Geschichtslehrers Willi Creutzenberg ausgehängt. Die Schriftstücke und die Vorträge der Schüler gaben Einblicke in die harte Arbeit der in Herdecke lebenden Zwangsarbeiter.

23 sterben in Herdecke

Allein in Herdecke hätten zur Zeit des Nationalsozialismus 1.250 Zwangsarbeiter gelebt, 23 von Ihnen seien hier gestorben. Den Schülern sei es ein Anliegen gewesen, die Namen dieser 23 verstorbenen Menschen vorzulesen und so an sie zu erinnern, betonte Pfarrer a.D. Karl-Heinz Schanzmann, der traditionell die Ansprache zur Gedenkfeier hielt. Bei der Aufzählung der Verstorbenen wurden auch das Alter und die Todesursache der Zwangsarbeiter erläutert. Dabei auffällig: Nur weniger wurden älter als 40, und die meisten verstarben an „Entkräftung“ oder „Allgemeiner Schwäche“, was den harten und teilweise unmenschlichen Arbeitsbedingungen geschuldet war.

Schwerste körperliche Arbeiten

Auch die großen Herdecker Firmen beschäftigten – unter dem damaligen Einfluss des NS-Regimes – Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene in ihren Werken. Unter anderem seien die Menschen bei den Firmen Habig, Dörken und Ideal-Spaten zur Arbeit gezwungen worden. Während die Zwangsarbeiter bei der Firma Dörken eine „halbwegs humane Behandlung“ erfahren konnten, sei der Umgang mit den sowjetischen Zwangsarbeitern und Gefangenen bei der Firma Ideal-Spaten zur damaligen Zeit „unmenschlich“ gewesen, hieß es. Die Arbeiter seien dort vor allem zu den körperlich schwersten und gefährlichsten Arbeiten gezwungen worden und Fluchtversuche seien in aller Regel gescheitert und hätten eine Überweisung an die Gestapo mit sich gebracht, erinnerte ein Schüler in seinem Vortrag. Nach den Vorträgen der Schüler und der Niederlegung der Kränze beendete Schanzmann die Gedenkfeier mit den Worten: „Erhaltet den Frieden und die Freiheit.“

Friedhofsbesuch

Seit 1922 wird am stillen Gedenktag, dem „Volkstrauertag“, der vielen Opfer von Gewalt und Krieg gedacht.

Die Schüler und Lehrer des Friedrich-Harkort-Gymnasiums Herdecke luden im Anschluss an die Gedenkstunde an der Goethestraße zum gemeinsamen Besuch des Friedhofs in der Zeppelinstraße, wo die in Herdecke verstorbenen Zwangsarbeiter begraben liegen.

Die Vorträge bzw. Schriften der Herdecker Schülerinnen und Schüler sind auch online abrufbar unter www.fhs.rz-wecotec.eu