Wetter. Haus Düllmann und die Gaststätte Bauer in Wetter verfügten jeweils über einen großen Saal. Getanzt wurde hier im Zweiten Weltkrieg aber nicht.

In der Zeit des Zweiten Weltkrieges werden zwei Gaststätten in Wetter zweckentfremdet. Sowohl im Bauer‘schen als auch im Düllmann‘schen Saal werden Lager für Kriegsgefangene errichtet. Basierend auf Dokumenten im Stadtarchiv Wetter und den Forschungen des Historikers Dr. Dietrich Thier ist eine kurze Chronik entstanden.

1939: Ein Rundschreiben des Reichsarbeitsministers informiert die Stadt Wetter am 9. Oktober 1939 über die Möglichkeit, Kriegsgefangene in der Land- und Forstwirtschaft einzusetzen. Im November treffen die ersten polnischen Kriegsgefangenen ein. Trägerin der Arbeit der Kriegsgefangenen ist die Kreisbauernschaft. Sie hat je Arbeitstag und Kriegsgefangenen ein „Lagergeld“ von 0,40 Reichsmark zu zahlen. Strohkopfpolster, Wolldecken und Handtücher für die Schlafkojen sind ebenfalls „unter allen Umständen von den Bauern zu stellen“.

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Zwölf Zwangsarbeiter für die Stadt Wetter

1940: Die Stadt Wetter gibt einen Bedarf von 50 Kriegsgefangenen an. Zwölf von ihnen beansprucht die Stadt für sich. Die anderen verteilen sich auf die örtlichen Kleinbetriebe (Unternehmer Paul Wilshaus: 10, Firma Krimmel & Co.: 10, Firma Buschmann: 10, Messingfeld: 3 und Fritz Geis: 5). Im Bauer‘schen Saal an der oberen Königstraße wird ein Kriegsgefangenen-Lager errichtet. Trägerin ist die Stadt.

Der damalige Landrat des Ennepe-Ruhr-Kreises teilt in einem Schreiben mit, wie die Lager auszusehen haben. So soll es zwar einen „unmittelbaren Ausgang ins Freie“ geben, doch ein Kontakt zur Bevölkerung soll nicht möglich sein. Die Fenster des Bauer‘schen Saals werden vergittert, der Hof wird mit Eisenstäben gesichert, die bis zu einer Höhe von drei Metern zusätzlich mit Stacheldraht gesäumt werden.

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Das Arbeitsamt Hagen informiert im August darüber, „dass die Anforderungen von Kriegsgefangenen für nichtlandwirtschaftliche Arbeiten bisher in einer derart großen Zahl eingegangen sind, dass die Zuweisung der Gefangenen [...] erst in einigen Wochen erfolgen kann“. Im September treffen dann französische Kriegsgefangenen in Wetter ein. Jene Zwölf, die für die Stadt arbeiten, sind für die Fertigstellung der Siedlungen der Demag und Harkort-Eicken vorgesehen.

Für die Unterbringung der Kriegsgefangenen im Zweiten Weltkrieg wurde der Saal der Gaststätte Bauer in Alt-Wetter (hinten rechts) umgebaut.
Für die Unterbringung der Kriegsgefangenen im Zweiten Weltkrieg wurde der Saal der Gaststätte Bauer in Alt-Wetter (hinten rechts) umgebaut. © Heimatverein Wetter

300 Wohnungen für Harkort-Eicken

Den Rest des Jahres sind sie hauptsächlich mit der Herstellung der Mühlenfeldstraße beschäftigt. Hier sollen 300 Wohnungen für das Stahlwerk Harkort-Eicken entstehen. In einem Brief an den Unternehmer Wilshaus schreibt Wirt Martin Bauer am 9. September: „Es ist […] zu berücksichtigen, dass ich durch die Bereitstellung des Vereinszimmers insofern an Umsatz einbüsse, als das Zimmer von mir für meine Gäste und Vereine gewinnbringend benötigt wird. “

1941: Laut einer Mitteilung des Kommandanten des Stammlagers VI/A in Hemer sollen die Kriegsgefangenen zum 1. April 1941 in landwirtschaftliche Betriebe überführt werden, doch bleiben zwischen vier und 21 stets bei der Stadt. Im Juli 1941 sind insgesamt 65 französische Kriegsgefangene im Bauerschen Saal untergebracht.

Gefangen arbeiten für Rüstungsindustrie

1942: Es werden größere Kontingente russischer Kriegsgefangener für die Rüstungsindustrie in Wetter erwartet. Doch sind die Reichsbaracken noch nicht fertiggestellt. Deshalb werden die Franzosen im September in den Düllmann‘schen Saal verlegt und der Bauersche Saal wird als Durchgangslager für die Russen von der Demag umgebaut. Haus Düllmann beherbergt in diesem Jahr 132 französische Kriegsgefangene.

1943: Das von der Demag AG errichtete Lager in Oberwengern ist im August dieses Jahres fertig, weshalb die von ihr beschäftigten russischen Kriegsgefangenen dort hingebracht werden. Der Saal geht wieder an Martin Bauer zurück. Aber schon einen Monat später benötigt ihn das Gußstahlwerk Carl Bönnhoff für die Unterbringung von italienischen Kriegsgefangenen.

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1944: Der Bauersche Saal ist noch einmal Lager für russische Kriegsgefangene von Harkort-Eicken. Dafür wird der Saal umgebaut, auf der ehemaligen Bühne entsteht ein Wach- und Schlafzimmer.

1945: Das Lager im Bauerschen Saal wird im April 1945 aufgelöst.