Wetter. 300 Kilometer von Duisburg nach Bensersiel: Axel Kähne erstmals an dem Rennen teilgenommen und dabei Spenden für hungernde Kinder gesammelt.

Es ist kurz nach vier Uhr morgens. Auf dem Parkplatz des Fußballstadions in Duisburg herrscht trotz Dunkelheit reges Treiben. Aus einem Zelt dröhnt laut beatstarke Musik. Auf dem Platz wirkt es, als würden kleine Fahrradlämpchen zu den Klängen tanzen. Doch ans Tanzen denkt jetzt wohl niemand. Die 240 Radfahrer haben nur eines im Kopf: die „Ruhr2NorthSeaChallenge“. Einer von ihnen ist Axel Kähne. Der Wetteraner nimmt zum ersten Mal an dem Rennen von Duisburg nach Bensersiel in Ostfriesland teil.

Start um 4.30 Uhr

Es ist kurz vor 4.30 Uhr. Der 44-Jährige steht startklar neben seinen Mitstreitern. 300 Kilometer liegen vor ihm. Endorphine durchströmen seinen Körper. Dann endlich das Startzeichen. Axel Kähne fällt auf, dass während der ersten 25 Kilometer einige Teilnehmer am Rand der Strecke stehen, um Reifenplatzer zu flicken. Er hat Glück. Nach 50 Kilometern erreicht er die erste Versorgungsstation. Es gibt Getränke und kleine Snacks.

Bewegung tut Not

Darüber, was er während der Tour zu sich nehmen kann, hat sich der Wetteraner im Vorfeld viele Gedanken gemacht. Dass er überhaupt an dem Rennen teilnimmt, hat er einem Freund aus Duisburg zu verdanken. 2019 erzählt ihm der Triathlet, dass er die 300 Kilometer zurücklegen will. Damals denkt Kähne noch: „Lustig, dass es Menschen gibt, die so etwas Verrücktes machen.“ Dass auch er nun auf dem Sattel sitzt, ergibt sich durch Corona-bedingtes Homeoffice. Er braucht Bewegung, fährt vermehrt Rad. Als der Kumpel dies mitbekommt, ermuntert er den 44-Jährigen, sich das mit der Teilnahme im September zu überlegen: „Unmöglich ist das nicht“, motiviert er ihn. Axel Kähne entscheidet sich dazu, es zu versuchen.

Intensives Training

Im Januar steigt er in ein intensives Training ein. Dreimal die Woche fährt er zwischen 60 und 130 Kilometer. Von seinem Freund weiß er, dass es nicht allein auf körperliche Fitness ankommt. Auch physische Stärke ist wichtig. Axel Kähne lernt zudem eine vernünftige Fahrradhose und Sitzcreme zu schätzen. „Man muss auch den Popo dafür trainieren. Das sind alles Sachen, über die ich mich im Vorfeld lustig gemacht habe“, gibt der Wetteraner zu. Im Nachhinein sei er allerdings sehr dankbar für die Tipps des Freundes.

Auf der Strecke ist Kähne inzwischen 100 Kilometer gefahren und macht einen Stopp an der zweiten Versorgungsstelle. Hier gibt es Frühstück. Er hält sich zurück, nimmt lediglich einen kleinen Riegel zu sich. „Es ist nicht gut, mit vollgestopftem Magen weiterzufahren.“ Immer noch hochmotiviert fährt er weiter.

Um  kurz vor 4.30 Uhr steht Axel Kähne startklar neben seinen Mitstreitern. 300 Kilometer liegen vor ihm. 
Um kurz vor 4.30 Uhr steht Axel Kähne startklar neben seinen Mitstreitern. 300 Kilometer liegen vor ihm.  © Privat

Schon als Kind fährt der Wetteraner gerne Fahrrad. Im Alter von 14, 15 Jahren ist er in einem Mountainbike-Verein. Eine Zeit lang fährt er zwar weniger, verliert den Spaß daran aber nie. Schließlich absolviert er sogar eine Ausbildung zum Zweiradmechaniker. Nach seiner Ausbildung verbringt er ein halbes Jahr auf Kreta. Dort ist er als Zweiradmechaniker für ein Unternehmen tätig, das Radtouren anbietet. Und so führt er sechs Tage die Woche Besucher mit dem Fahrrad über die Insel. Danach studiert er digitale Medien. Abermals folgt eine Phase, in der das Radfahren in den Hintergrund gerät. Aber: „Ich habe immer ein Rennrad gehabt.“

Zähne zusammengebissen

Auf der Strecke nach Bensersiel stößt der Wetteraner nun auf ein sehr unbeliebtes Hindernis – Gegenwind. Der bläst ihm im Norden kräftig entgegen. Zu der Zeit hat der Radfahrer keine anderen Gruppen um sich, die das Vorankommen erleichtern würden. „Das ist so kräftezehrend. Ich habe geflucht und ein Video an meine Familie geschickt“, berichtet Axel Kräne. An diesem Punkt zeigt sich, wie stark die psychische Fitness des 44-Jährigen ist. Gibt er auf? Fährt er weiter? Kähne beißt die Zähne zusammen, setzt seinen Weg fort.

Kleiner Teller Nudeln

Bei Kilometer 200 wartet ein Mittagessen. Nudeln mit Bolognese. Doch auch hier hält er sich zurück, gibt sich mit einem kleinen Teller zufrieden, gerade so viel, um den Hunger etwas zu stillen. Dann setzt er sich schnell auf sein Rad. Denn er weiß: „Wenn das Suppenkoma kommt, ist es schwierig, sich wieder aufzumachen.“ Der Gegenwind hat auch nach dem Essen nicht nachgelassen. 120 Kilometer der Gesamtstrecke hat er damit zu kämpfen.

Das ist ein Moment, in dem er sich fragt, wofür er das eigentlich macht. Vielleicht ist es die Lebensphase, in der er sich im Alter von 44 Jahren befindet, überlegt er. Er will wissen, ob er eine solche Herausforderung noch meistert. Und noch etwas treibt ihn an. Mit jedem gefahrenen Kilometer sammelt er Geld für die Hilfsorganisation Medair.

Ziel im Sonnenuntergang

Nachdem der Abschnitt mit dem starken Gegenwind überwunden ist, liegen noch 60 Kilometer vor Axel Kähne. Das Ziel befindet sich am Hafen in Bensersiel. Als er darauf zusteuert, fährt er dem Sonnenuntergang entgegen. „Das war schon sehr pittoresk. Allein dafür hat es sich gelohnt“, sagt Kähne. Nach zwölfeinhalb Stunden erreicht er überglücklich das Ziel. Er lässt sich feiern. Ein tolles Gefühl. Zufrieden mit sich und seinem Rennrad, das ihn nicht im Stich gelassen hat. Nun gönnt er sich mit einigen Mitstreitern ein Bierchen. Noch vom Hotelzimmer aus hört er nach Mitternacht, wie die letzten Teilnehmer lautstark im Ziel begrüßt werden. Ein tolles Erlebnis, so das positive Fazit des Wetteraners.

Neuauflage geplant

Die Teilnahme an der „Ruhr2NortSeaChallenge“ hat Axel Kähnes Leidenschaft für das Radfahren wieder verstärkt. Er überlegt nun, im nächsten Jahr erneut teilzunehmen. Dann allerdings unter erschwerten Bedingungen.

Statt seines leichten Carbonrennrades mit 22 Gängen plant er, mit seinem Stahlrennrad anzutreten. Das hat zwölf Gänge weniger, eine andere Sitzposition und vor allem muss der Fahrer viel mehr Kraft aufwenden, um das schwere Gefährt zu bewegen. Unabhängig von Axel Kähne habe ein Freund denselben Gedanken. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass der 44-Jährige im nächsten Jahr gemeinsam mit seinem Kumpel und den Stahlrennrädern unterm Hintern an den Start geht, um die 300 Kilometer erneut zu bezwingen.

Kampf gegen Mangelernährung

Das erradelte Spendengeld kommt der international tätigen Nothilfeorganisation Medair im Kampf gegen Mangelernährung und anderen Nöten in Krisengebieten der Welt zugute.

Im Ernährungsbereich arbeitet Medair mit hochkalorischen Erdnusspasten, damit stark unterernährte Kinder fix zunehmen.

Eine Portion kostet 50 Cent. Drei werden pro Tag für ein Kind benötigt.