Hagen. Die mit Glyphosat vergiftete Linde in der Selbecker wurde radikal gekürzt. Besitzer Friedrich Menze unternimmt weitere juristische Schritte.
Die schöne alte Linde rauscht nicht mehr im Sommerwind. Der prächtige Baum wurde am Mittwoch um die Hälfte gekappt, neben der ausladenden Krone mussten auch zwei der vier Stämme, die der 80 Jahre alte Riese im Laufe der Jahrzehnte gebildet hatte, entfernt werden. „Was hier geschehen ist, ist doch pervers“, schüttelte Constantin Henry (37) aus Haspe, Ingenieur für Landschaftsarchitektur, den Kopf.
Damit spielte er auf den ungeheuren Naturfrevel an, der der Fällaktion zugrunde liegt. Im Sommer des vergangenen Jahres hat ein unbekannter Übeltäter fünf tiefe Löcher in den Stamm gebohrt und dann mit Glyphosat gefüllt. Seitdem ringt der Baum um sein Leben. „Das ist ein Verbrechen“, sagt Friedrich Menze, auf dessen Grundstück sich die Linde befindet: „Da steckt eine unheimliche kriminelle Energie hinter.“
Totalherbizid killt alle grünen Pflanzen
Gegen das Gift, ein Totalherbizid, das alle grünen Pflanzen killt, hat der Baum, der viel zu der verträumten, malerischen Atmosphäre des Hauses an der Selbecker Straße, die ehemalige Villa der Drahtzieherei Rafflenbeul, beiträgt, keine Chance.
Einst summte und brummte es vor lauter Insekten, die herrliche Krone bot Schatten und Schutz. Jetzt sind viele Blätter welk, das Holz ist trocken und verfault. Denn Glyphosat verstopft die Leitungsbahnen einer Pflanze, so dass die Linde sich nicht mehr mit Wasser und Nährstoffen versorgen kann.
Irgendjemanden muss es geben, dem die Idylle des Anwesens ein Dorn im Auge ist. Dem ein alter Lindenbaum, seit jeher ein Symbol des Friedens und der Liebe, nicht mehr bedeutet als ein Unkraut im Rosenbeet. Der die Löcher in den Stamm gebohrt und das Gift eingefüllt hat.
Staatsanwaltschaft hat Verfahren eingestellt
Menze hat einen Verdacht, doch den darf er nicht äußern. Auf Empfehlung des städtischen Umweltamtes hat er Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt. Die Hagener Staatsanwaltschaft hat die von ihm beschuldigten Personen zwar polizeilich vernehmen lassen, das Verfahren jedoch eingestellt, da sich nicht nachweisen lasse, wer die Tat begangen habe.
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Doch Menze will Gerechtigkeit, wie er sagt. Deshalb gibt er nicht auf, sondern geht mit einer privaten Schadensersatzklage gegen die vermeintlichen Baumfrevler vor: „Ich habe in den vergangenen Monaten viel Solidarität erfahren.“ Viele Leute hielten vor seinem Haus an, um sich den Baum anzusehen. Die Bohrlöcher hat er farblich markiert, damit sie besser zu erkennen sind.
Abgesägtes Holz gilt als Sondermüll
Der Landesbetrieb Straßen hat ebenfalls Mitarbeiter in die Selbecke geschickt und Menze darauf hingewiesen, dass die Linde trocken und bruchgefährdet sei. Im Falle eines Umsturzes sei sie eine Gefahr für den Verkehr auf der Landstraße und müsse daher entfernt werden, forderte die Behörde und warnte Menze, dass er für die Verkehrssicherungspflicht verantwortlich ist: „Bei einem möglichen Schaden haften Sie.“
Ein Gutachter hat der Linde einen Sachwert von 13.328 Euro bescheinigt. Doch Landschaftsingenieur Constantin Henry, der den Baum jetzt so radikal zurückschneiden musste, weiß um die wahre Bedeutung eines solchen Riesen: „Solch ein Grundstück kannst du dir nicht kaufen, selbst wenn du Millionär bist. Ein Auto kann man ersetzen. Einen Menschen nicht. Und einen solchen Baum auch nicht.“
Lange galt Glyphosat als unbedenklich für Mensch und Tier, doch inzwischen mehren sich die Zweifel an der Ungefährlichkeit, und es wird darüber diskutiert, ob die Chemikalie Krebs erzeugen kann. Die abgeschnittenen Baumteile dürfen jedenfalls nicht einfach auf den Kompost befördert werden, sondern gelten wegen der Verseuchung als Sondermüll. Ihre Entsorgung kommt Friedrich Menze zu allem Unglück obendrein teuer zu stehen.