Herdecke. Mit der Maiwoche hat es angefangen. Mittlerweile ziehen Außendienstmitarbeiter der Stadt und private Sicherheitsleute auch sonst gemeinsam los.

Es ist kurz nach 14 Uhr am Sonntag. Etwa 20 junge Männer spielen auf dem Sportplatz am Bleichstein Fußball. Die Stimmung ist ausgelassen. Das ändert sich schlagartig, als der Wagen des Ordnungsamtes auf dem Parkplatz auftaucht. Sofort ergreifen einige Männer die Flucht. Ein Mitarbeiter der Sicherheitsfirma H.B.S. Security nimmt die Verfolgung auf, hat aufgrund der großen Entfernung aber keine Chance. Etwa 15 Leute bleiben zurück, werden unauffällig von Ordnungsamt und Security eingekreist. Dennis Neunzig, Leiter des Ordnungsamtes, erklärt den aufgebrachten Männern, dass der Sportplatz wegen Corona nicht genutzt werden dürfte. Bauzäune und Absperrband wiesen darauf hin. Es entsteht eine hitzige Diskussion, die durch ein ruhiges, aber bestimmtes Auftreten der Kontrolleure entschärft werden kann. Die Männer spielen auf dem Rasen daneben weiter. Anzeigen gibt’s nicht, weil es die erste Ansprache an die Gruppe ist.

In den vergangenen drei Monaten seien es immer wieder Auswärtige, insbesondere Hagener, gewesen, die die Anlage trotz Verbotes genutzt hätten, sagt Neunzig. Kein einziger Herdecker habe den Bauzaun verschoben. Dennis Neunzig ist mit Ramazan Özdemir vom Ordnungsamt Herdecke sowie André Hoffmeister, Geschäftsführer von H.B.S. Security, und einem seiner Mitarbeiter, der aus beruflichen Gründen nicht namentlich genannt und nicht fotografiert werden möchte, auf Streife.

Verdächtige Düfte

Kaum ist die Situation mit den Fußballern geklärt, entdeckt Dennis Neunzig drei Jugendliche, die auffällig am Zaun des Freibades umherschleichen – offenbar auf eine Gelegenheit wartend, umsonst ins kühle Nass zu kommen. Als sie die Kontrolleure sehen, geben sie ordentlich Fersengeld. Dabei wirft einer seine Badelatschen weg, um schneller laufen zu können. Bereits vor Corona seien solche Fälle an der Tagesordnung gewesen, sagt Neunzig. Durch Corona habe sich die Lage aber deutlich verschlimmert, da nun nicht mehr nur ein Ticket gekauft, sondern auch ein Negativtestergebnis vorgelegt werden müsste. Im Freibad sei immer ein Mitarbeiter der Securityfirma abgestellt.

Im Freibad selbst ist alles ruhig, weshalb die Gruppe an der Ruhraue ihre mobile Wache aufbaut. Es gehe darum, Präsenz zu zeigen und den Menschen ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln, erklärt Neunzig. Der Aufwand würde betrieben, weil Herdecker nicht mehr gerne zum Bleichstein kämen. Für den Leiter des Ordnungsamtes durchaus nachvollziehbar: Besonders bei schönem Wetter würden meist bei Einbruch der Dämmerung, Alkohol und Drogen konsumiert. „Wir wollen hier aufräumen. Dafür brauchen wir einen sehr langen Atem, viele Überstunden und Nerven wie Drahtseile“, sagt Neunzig.

Beim Kontrollgang entdeckt: Ein aufgebrochener Bauzaun am Sportplatz.
Beim Kontrollgang entdeckt: Ein aufgebrochener Bauzaun am Sportplatz. © Jana Peuckert

Die Männer bleiben nicht die ganze Zeit an der mobilen Wache, sondern gehen die Ruhr ab. Dabei achten sie darauf, ob ihnen möglicherweise Cannabisgerüche auffallen, ob Kinder ohne Eltern unterwegs sind, wie sich Radfahrer verhalten, insbesondere in Zeiten der E-Bikes, die hohe Geschwindigkeiten erreichen können. Und sie beobachten, wie die Menschen auf sie reagieren. Bei Fluchtinstinkt und Nervosität kann die Gruppe Personenkontrollen durchführen. An diesem Sonntag gibt es keine Vorfälle. Das läge auch an der Uhrzeit, weiß Neunzig. Sobald die Dämmerung eintritt, ändere sich auch das Klientel. Während der strengen Coronaauflagen sei es ihre Aufgabe gewesen, die Einhaltung der Regeln zu kontrollieren. Dabei sei überwiegend gegen die Maskenpflicht auf Spielplätzen und das Verbot der Ansammlungen aus mehreren Haushalten verstoßen worden.

Nach mehr als zwei Stunden verlässt die Gruppe den Bereich des Bleichsteins und begibt sich zur Wetter Straße. Dort nutzen Tuner und Raser die Baustelle für Treffen.

>>>Vertrauensvolle Zusammenarbeit

Das Bedürfnis nach Sicherheit ist da – das Personal fehlt. Und so geht die Stadt Herdecke einen unüblichen Weg. Seit mehreren Jahren begeben sich Außendienstler des Ordnungsamtes mit Mitarbeitern der Sicherheitsfirma H.B.S. Security auf Streife. Eine hervorragende Kompromisslösung, wie Dennis Neunzig, Leiter des Ordnungsamtes findet. Das kann André be Hoffmeister, Geschäftsführer von H.B.S., nur bestätigen. Mit der Zeit sei ein sehr gutes Vertrauensverhältnis entstanden. Das sei auch wichtig, so Hoffmeister. Zum Beispiel müssten sie sich alle aufeinander verlassen, wenn es um Kontrollen größerer Personengruppen ginge. In solchen Fällen sei das gemeinsame Auftreten von Ordnungsamt und Sicherheitsleuten allein schon vom Erscheinungsbild her ein Vorteil.

Anfangs hat die private Firma die Herdecker nur bei einzelnen Veranstaltungen wie der Maiwoche unterstützt. Doch eine wachsende Unsicherheit bei den Bürgern brachte die Stadt dazu, die Hilfe auch im Rahmen der Kontrollgänge zu nutzen. Die Mitarbeiter von H.B.S. haben die gleichen Rechte wie Neunzig und seine Kollegen. Bei von ihnen durchgeführten Maßnahmen hätten sie stets Rückendeckung der Stadt, so Hoffmeister.

Portrait: Dennis Neunzig

Seit 1. März ist Dennis Neunzig Leiter des Ordnungsamtes in Herdecke.

Der gebürtige Hattinger absolvierte in Duisburg eine dreijährige Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten.

Dann war er bei der Ausländerbehörde in Dortmund für die Koordination und Durchführung von Abschiebungen zuständig.

Mitte vergangenen Jahres nahm er leihweise eine Tätigkeit beim Auswärtigen Amt an. Im Krisenstab kümmerte er sich um die Rückflüge von Deutschen aus Ozeanien.

Bereits in der Ausbildung wurde dem 37-Jährigen klar, dass sein Herz für die Arbeit beim Ordnungsamt schlägt.

Er wolle auf der Straße sein und den direkten Kontakt zu Menschen haben, Konflikte vor Ort lösen. „Ich mag einfach die Herausforderung. Dort, wo es brennt, bin ich gern.“

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