Herdecke. Kleiner Kreis, große Tragweite: In Herdecke ist ein besonderer städtischer Haushalt beschlossen worden.

Bei Aufwendungen von 62.087.000 € hat die Stadt Herdecke im laufenden Haushaltsjahr gerade mal einen Überschuss von 6610 Euro. Rechnerisch. „Die Haushaltssituation ist nicht nur angestrengt, sie ist katastrophal“, hatte der neue Kämmerer und Beigeordnete Dennis Osberg die Politik vor der letzten Runde der Haushaltsberatungen wissen lassen. Noch nie habe ein Haushalt der Stadt „auf so unsicheren Beinen gestanden“, sagte er mit Hinblick auch Sonderkosten durch Corona und schwer einzuschätzende Einnahmeverluste ebenfalls wegen der Pandemie.

Als Osberg den Haushaltsentwurf für 2021 Ende letzten Jahres vorgestellt hatte, saß noch der gesamte Rat gut verteilt im großen Foyer der Friedrich-Harkort-Schule. Bei den letzten beiden Beratungen am Donnerstag der letzten Woche und dem Donnerstag davor war es nur noch ein abgespeckter Rat, der die Verwaltungsvorschläge zu Einnahmen und Ausgaben diskutierte: Der Rat hatte seine Entscheidungskompetenz wegen der Vorgaben in der Corona-Zeit an Haupt- und Betriebsausschuss delegiert. Für die kleinere Runde reichte der Ratssaal, in dem auch aber jeder zweite Stuhl für die Beratungen leer blieb. Am Ende wurden Haushaltsplan und Haushaltssicherungskonzept für das Jahr 2021 auf den Weg gebracht.

Im Einzelnen: Aufwendungen von 62.087.195 Euro stehen Erträgen in Höhe von 62.093.805,- gegenüber. Damit hat die Stadt Herdecke den nach Haushaltssicherungskonzept angepeilten Ausgleich im Haushaltsjahr 2021 erreicht. Während über letzte Posten zusätzlicher Ausgaben und möglicher Mehreinnahmen diskutiert wurde, schrumpfte das Polster immer weiter zusammen.

Schon im Vorfeld war klar gewesen, dass ein ausgeglichenes Ergebnis nur durch eine deutlich höhere Inanspruchnahme der Gewinnausschüttung der Technischen Betriebe möglich ist. Nun sind es 3,2 Millionen Euro, die von der Stadttochter in den Haushalt der Kommunale fließen werden. Für Investitionen stehen im laufenden Jahr rund 9,7 Millionen Euro zur Verfügung. Der Kreditbedarf 2021 liegt laut Finanzplan bei circa 4,4 Millionen Euro.

Belastung in der Zukunft

Die Pandemie hinterlässt in der Haushaltsplanung deutliche Spuren: Die Corona bedingten Mehraufwendungen und Mindererträge belaufen sich laut Kämmerer auf 2,66 Millionen Euro. Die gute Nachricht für die Finanzplaner im Rathaus: Um diesen Betrag wird das Ergebnis 2021 nicht belastet, so die Vorgabe des Landesgesetzgebers. „Die Isolation von Coronaschäden sorgt jedoch für eine millionenschwere Belastung in der Zukunft. Vor der Stadt Herdecke liegen daher finanzwirtschaftlich herausfordernde Jahre“, heißt es in einer Mitteilung der Stadt zum Haushaltsbeschluss für 2021.

Hinzu komme, dass eine hohe Planungsunsicherheit herrsche, da insbesondere die Entwicklung der Steuererträge derzeit schwer vorhersehbar sei. Statt ursprünglich 38,83 Millionen Euro plant die Stadt Herdecke coronabedingt für 2021 mit nur noch 36,26 Millionen Euro Steuererträgen. Sowohl die Einnahmen aus der Gewerbesteuer als auch der Anteil an der Einkommenssteuer reduzieren sich deutlich. Allein dadurch sind Mindererträge von mehr als zwei Millionen Euro prognostiziert. Ebenfalls noch nicht absehbar ist, ob weitere finanzielle Hilfen von Bund und Land zu erwarten sind.

Alle 20 Minuten wird gelüftet

Im Vergleich zum Haushaltsentwurf aus dem Dezember sind in den Beschluss aktualisierte Zahlen aus dem Gemeindefinanzierungsgesetz eingeflossen, ebenso Fördermittel samt Eigenanteil für den Ausbau der Ganztagsbetreuung. Das gilt auch für Maßnahmen aus dem Nutzungskonzept „Städtische Gebäude“, das derzeit beraten wird. Diese Posten wurden mit Sperrvermerk versehen, da über die Maßnahmen noch nicht entschieden worden ist.

Angesichts der Pandemie-Lage hatte Bürgermeisterin Katja Strauss-Köster die Parteienvertreter immer wieder um „Sitzungsökonomie“ gebeten. Dennoch gingen die Beratungen an beiden Abenden über Stunden. Am letzten Donnerstag erinnerte dann alle 20 Minuten ein Wecker ans zusätzliche Lüften.

>>>Keine Vorwegnahme für die Hugo-Knauer-Schule

Einmal im Jahr geben sich die Fraktionsvorsitzenden noch ein bisschen mehr Mühe als sonst und schwingen sich zu einer meist mehrseitigen Rede auf. Die Beratungen über den Haushalt sind es ihnen wert, den Standort zu bestimmen - gegenüber den Mitbewerbern von den anderen Parteien, gegenüber der Verwaltung. So sind Haushaltsreden immer auch ein Gradmesser des Zanks und ein Echo für die Rathausriege.

Um einen Teil der Entscheidungen wird bei den Etatberatungen bis zum Schluss gerungen. In diesem Jahr gab es zwar weniger Anträge aus den Fraktionen mit Auswirkungen auf den künftigen Haushalt, aber über ein Dutzend Einzelpunkte wurde dennoch debattiert. Die meisten Vorschläge kamen von den Grünen, aber auch die SPD hatte drei Anträge gestellt, und von der CDU kam noch ein Wunsch.

Hugo Knauer Schule

Nicht durchsetzen konnte sich die SPD mit ihrem seit Jahren schon vorgebrachten Vorschlag, die Hugo-Knauer-Grundschule dauerhaft zweizügig zu betreiben. Zwar gibt es mittlerweile den Entwurf eines Nutzungskonzepts für städtische Gebäude und damit auch für die Schulen. Außerdem zeichnet sich stadtweit ein höherer Bedarf für Offenen Ganztag ab. Die Mehrheit wollte aber die Diskussion über das Nutzungskonzept abwarten und keine Vorwegnahme für nur eine Schule.

Radwege

Bis zu 10.000 Euro dürfen im laufenden Jahr für die Umsetzung des Radverkehrskonzeptes ausgegeben werden. Das wurde auf Wunsch der Grünen im Herdecker Rat mit 10 zu drei Stimmen beschlossen. Das Geld soll für Maßnahmen mit geringfügigem Verwaltungsaufwand eingesetzt werden. Gedacht ist an die Öffnung von Einbahnstraßen, Sackgassen, aber auch an Beschilderungen oder Beleuchtung.

Wegweiser für Bürger mit Handicap

Für 1000 Euro soll ein städtischer Wegweiser für Menschen mit Handicap überarbeitet werden. Er soll auf dem neuesten Stand aller Behindertenparkplätze und Behindertentoiletten im Stadtgebiet sein. Der Antrag der SPD wurde einstimmig angenommen. Ebenfalls alle Stimmen bekam ein SPD-Vorschlag, 5000 Euro für Maßnahmen zur Barrierefreiheit bereit zu stellen.

Kommunale Gesundheitskonferenz

Für eine Kommunale Gesundheitskonferenz steht 2021 der Betrag von 1000 Euro bereit. Schwerpunkt soll die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen sein. Der Vorschlag der Grünen wurde bei einer Gegenstimme angenommen.

Energie sparen beim Licht

Die schnellere Umrüstung der Straßenbeleuchtung auf LEDs war Anliegen der Grünen. 18.000 Euro sollen dafür nur auch die Einschaltung eines externen Dienstleisters möglich machen. Dem Rat soll im vierten Quartal dieses Jahres über den Fortschritt berichtet werden. So steht es im Antrag der Grünen, der mit 13 Ja-Stimmen und einer Enthaltung angenommen wurde. Schneller gehen soll es auf Wunsch der Grünen auch mit den vorgesehenen Photovoltaikanlagen auf öffentlichen Gebäuden und Schulen.

Förderung von IT an Schulen

Einstimmig hat der Hauptausschuss, der bei den Etatentscheidungen die Aufgaben des Rates übernommen hatte, eine Anregung der CDU aufgegriffen. Diese hatte die Bereitstellung eines städtischen Eigenanteils von 10.000 Euro für die IT-Administration an den Schulen gefordert. Das Land gibt ein Vielfaches als Förderung.

>>>Der Kommentar von Klaus Görzel: Politik braucht Zeit

Die jährliche Generalabrechnung hat an Reiz verloren. Volle Zuschauertribünen verspricht sie nicht, auch der mediale Nachklang ist leiser geworden. Und doch gibt es jetzt immerhin drei Haushaltsreden, wo schon beim Schreiben klar war, dass sie nicht gehalten werden. Sie geben kein Zeugnis von Unverbesserlichen, sie sind Zeichen der Selbstbehauptung.

Die Politik vor Ort ist um einiges schwerfälliger geworden zu Zeiten von Corona. Aber sie findet statt. Mögen Sitzungen ausfallen, die Reihen bei den Beratungen absichtlich gelichtet sein: Die Politiker sind weiter mit Herzblut bei der Sache der Bürger.

Zwei Mal hintereinander hat der Rat jetzt getagt, in reduzierter Stärke als Hauptausschuss. Zwei Mal ging die Debatte über Stunden. Zweimal war das eine Botschaft: Politiker können und wollen einander noch zuhören, miteinander ringen für den besseren Vorschlag und für Mehrheiten.

Klar gab’s auch ein bisschen Klein-Klein. Aber was spricht ge- gen Politiker, die so viel Politikfreude an den Tag legen, Selbstbewusstsein und Geduld? Gute Politik braucht diese Zeit.

Weniger Steuereinnahmen im zurückliegenden Jahr

Die Erträge der Gewerbesteuer belaufen sich für 2020 vorläufig auf 11.054.000 Euro und damit 871.000 Euro unter dem Ansatz.

Die städtischen Anteile an der Einkommensteuer liegen mit 14.021.000 Euro vorläufig rund 1,066 Mio. Euro unter Ansatz.

Da das vierte Quartal noch abgerechnet wird, drohen den Städten aufgrund des Lockdowns zudem womöglich Rückzahlungen.