Herdecke. Professor Dr. Helge Müller ist neuer Chef der Psychiatrie in Ende. Er ist erst 40 Jahre jung und ehrgeizig.
Depressionen, Burn Out, Psychosen – spätestens nach dem Tod des bekannten Torwarts Robert Enke, der unter starken Depressionen litt, sind diese Krankheiten auch in der Öffentlichkeit mehr in den Fokus gerückt. Am Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke arbeiten die Ärzte schon lange mit diesen Patienten. Seit dem 1. April hat die darauf spezialisierte Abteilung der Psychiatrie und Psychotherapie einen neuen Leiter: Prof. Dr. Helge Müller. Er ist gleichzeitig Inhaber des Lehrstuhls für Integrative Psychiatrie und Psychotherapie an der Universität Witten/Herdecke.
40 Jahre jung und ehrgeizig
Erst 40 Jahre jung ist der gebürtige Norddeutsche, der inzwischen in Herdecke wohnt. Eigentlich kaum zu glauben, wenn man in seine Vita schaut. „Ich bin halt ehrgeizig“, sagt der Mediziner und lacht. Bevor Prof. Dr. Müller nach Herdecke kam, war er bereits stellvertretender Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Bonn. Der 40-Jährige, der sein Studium in Hannover absolviert hat und in der Folgezeit vor allem in Erlangen und Bonn tätig war, wurde 2017 zum Privatdozenten ernannt. „Arzt wollte ich schon immer werden“, erzählt er im Gespräch mit der Redaktion.
Während seines Studiums jobbte er beim Rettungsdienst, musste die Stelle wegen der Arbeitszeiten allerdings aufgeben und fand sich stattdessen im Nachtdienst einer Psychiatrie wieder. Seine Doktorarbeit schrieb er schließlich über Depressionen bei Nierenerkrankten. „Ich möchte auch als Psychiater den Kontakt zur körperlichen Medizin halten“, erklärt er. Und das sei im Herdecker Gemeinschaftskrankenhaus möglich.
Forschungsprojekte installieren
Inzwischen hat sich Müller gut in der Ruhrstadt eingelebt, auch wenn er zugibt, dass das am Anfang für ihn nicht ganz einfach war. „Man kann sich kaum einen holprigeren Start vorstellen als mit Corona und dem Brand, den wir hier hatten“, so seine Einschätzung. Doch er sei umgeben von einem tollen Team und tollen Künstlern, mit denen er in der Therapie zusammenarbeite. Aber was erhofft sich ein junger aufstrebender Psychiater von dieser Leitungsstelle, was reizt ihn daran ganz besonders? „Durch die Verbindung mit dem Lehrstuhl an der Uni hoffe ich, dass wir hier Forschungsprojekte installieren können. Junge Assistenten können hier promovieren. Das ist gerade in Zeiten von Pflege- und Ärztemangel eine Attraktivitätssteigerung, die nicht zu unterschätzen ist“, sagt Müller. Zudem seien ihm der ganzheitliche Ansatz der Klinik und die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Abteilungen sehr wichtig. „Viele Patienten, die eine Herzerkrankung haben, leiden auch an Depressionen“, gibt er als Beispiel an. Und schwärmt: „Wir bieten hier die Leitlinien-Psychiatrie mit einem Bonus-Paket oben drauf.“
Menschen häufiger zum Nervenarzt
Froh ist er über die merklich steigende Bereitschaft der Menschen, einen Nervenarzt aufzusuchen. Dazu hätten auch die prominenten Fälle, die öffentlich wurden, beigetragen. „Die Menschen stehen dem offener gegenüber. Und wir sind inzwischen soweit, dass wir psychische Erkrankungen gut behandeln können“, sagt er.
Für die Zukunft hat sich Prof. Dr. Helge Müller einiges vorgenommen. „Ich würde das ambulante Angebot gerne weiter spezifizieren. Außerdem könnte ich mir vorstellen, beispielsweise eine Gedächtnissprechstunde einzurichten“, gibt er einen Einblick in seine weiteren beruflichen Pläne. Auch die Geriatrie spiele eine große Rolle – dies aber natürlich immer in Abstimmung mit seinen Kollegen aus der Neurologie.
Viele Bereiche
Die Abteilung gliedert sich in verschiedene Behandlungsbereiche: Psychiatrische Akut- und Intensivstation; Allgemeinpsychiatrische Station mit Schwerpunkt Sozialpsychiatrie zur Behandlung von Patienten mit Abhängigkeitserkrankungen (legale Drogen); Allgemeine Psychiatrie zur Behandlung von Menschen mit schwerer Behinderung in den Fähigkeiten des alltäglichen Lebens und Erkrankungen im höheren Lebensalter; Allgemeinpsychiatrische Station mit Schwerpunkt Psychotherapie mit Spezialkompetenz für Borderline-Störungen (DBT), posttraumatische Belastungsstörungen und Angststörungen.
Zudem gibt es die Station für Jugendliche im Alter von 17 bis 20 Jahre und die Tagesklinik Witten.