Ende. Nach 12 Jahren gibt es nun keinen Demenz-Treff mehr für Erkrankte und Angehörige. Corona sorgt für das Aus des Café Vergissmeinnicht in Herdecke.
Die Laune der Anwesenden ist gut, der Anlass traurig. Beim Kaffeekränzchen verkünden die Organisatoren das Aus für das Café Vergissmeinnicht. Nach zwölf Jahren enden die Freitags-Treffen für Demenz-Erkrankte und ihre Angehörigen bzw. Betreuer. Ende Februar hatten die sechs Ehrenamtler letztmalig eine Zusammenkunft gestaltet. Dann kam Corona – zugleich die Erkenntnis, dass auch künftig Nähe zu den Senioren kaum möglich sein wird. Angesichts zuvor schon sinkender Teilnehmerzahlen reifte die Entscheidung, das Angebot der evangelischen Gemeinde in Ende einzustellen.
Sechs Ehrenamtler als Organisatoren
Wenn Uschi Beyling, Susanne Wulff, Uschi Kunzig, Susanne Schmidt, Reinhard und Waltraud Haake an einem Tisch sitzen, überwiegt Fröhlichkeit. Gerne und engagiert haben sie sich immer wieder neue Gedanken gemacht, wie sie das Café Vergissmeinnicht gestalten und Besuchern eine Freude bereiten können. „In den Monaten vor Corona kamen aber regelmäßig nur noch vier Paare, wir Betreuer waren zum Teil in der Überzahl“, berichtet Beyling. So stellte sich die Sinnfrage: Ist der Bedarf noch da, dementiell Erkrankten und ihnen Nahestehende einen vergnüglichen Freitagnachmittag zu bescheren? Die zweigeteilte Antwort: Ja, das Angebot habe nach wie vor seine Berechtigung. Andererseits nutzen pflegende Angehörige verstärkt die Tagespflege, um selbst etwas Freiraum zu bekommen.
Somit entsteht beim Blick auf die Demenz-Entwicklung in der Gesellschaft ein differenziertes Bild. „Für die Erkrankten sowie deren Familien wird mehr getan und geboten als noch vor Jahren, das ist positiv“, meinen die sechs Organisatoren des Treffs. Auch sie selbst hätten in all der Zeit angesichts des vielfältigen Umgangs mit Betroffenen viel dazu gelernt. Gleichwohl habe sich in einer Hinsicht wenig gebessert: „Die Scham. Manche Herdecker haben sich nicht getraut, zu uns zu kommen, wir hatten viele auswärtige Gäste.“ In Hochzeiten waren es 14 Paare, die es zu unterhalten galt.
Das geschah – der Erkrankung entsprechend – nach einem festen Ablauf. Wesentliche Bestandteile: Kaffee, Kuchen, leichte Gymnastik bzw. Bewegung. Dazu gehörten auch Gottesdienste oder Ausflüge, etwa mit dem Schiff auf die Ruhrseen. Oft im Zentrum: Musik und Akkordeonspielerin Susanne Wulff. Das Lied „Auf Wiedersehen“ gehörte zum Ritual. „Wenn wir sangen, überraschten uns manche mit ihrer Textsicherheit. Und manchmal liefen auch Tränen.“ Gefühle zulassen. So konnten Angehörige auch mit Gleichgesinnten ihre Lage erörtern und Trost finden, sogar Freundschaften entstanden. „Hier musste sich niemand verstellen. Natürlich gab es auch traurige Momente, sei es im Zusammenhang mit Beerdigungen oder beim Anblick, wie manche Erkrankte im Laufe der Zeit abbauten.“
Die Freitags-Treffen erhielten Motto-Überschriften (Reisen, Feiertage, Spiele, Kochen, Kleidung, Waschtag, Blumen, Berufe, Haus und Hof, etc.), die Demenz-Erkrankten sollten sich verschiedentlich erinnern. Etwa an ihre Kindheit. Mit Herzblut, Spaß und Freude haben die Ehrenamtler nach eigenen Angaben das Programm gestaltet oder den Raum dekoriert. Und lernten bei den fröhlichen Zusammenkünften viele nette Leute kennen. „Nicht selten sagten uns Angehörige: Hätten wir von dem Angebot eher gewusst, wären wir viel früher gekommen.“
Fähigkeiten statt Defizite aufzeigen
Das Konzept richtete sich sowohl an Pflegende zu deren Entlastung wie auch an Erkrankte. „Wir wollten den Fokus weg von den Defiziten hin zu deren Fähigkeiten richten.“ Strahlend blicken die Ehrenamtler zurück auf Zeiten, als Gäste sogar tanzten. „Unser Konzept sieht Nähe vor, Umarmungen und Händchen halten sind in Corona-Zeiten aber unmöglich. Ein treues Besucher-Paar signalisierte uns zudem, dass es wegen des Virus nicht mehr kommen werde.“ Auch deshalb reifte die schmerzliche Entscheidung, die Zusammenkünfte aufzugeben.
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Ein Abschieds-Nachmittag steht aus, zudem wollen sich die sechs Herdecker angesichts ihrer freundschaftlichen Bindungen (Uschi Kunzig: „Zwölf Jahre schweißen zusammen“) weiter treffen. Und wer weiß, vielleicht lässt sich das Angebot eines Tages wie auch immer wiederbeleben. Somit scheint klar: Das Café Vergissmeinnicht wird nicht so schnell in Vergessenheit geraten.