Kirchende. Das „Café Vergissmeinnicht“ im Pfarrer-Niemann-Haus in Ende ist jeden zweiten und vierten Freitag eine willkommene Anlaufstelle für Demenz-Kranke und Angehörige. Dabei geht es oft fröhlich zu. Doch die Krankheit bleibt Thema.

Wer an einem zweiten oder vierten Freitag im Monat ins Pfarrer-Niemann-Haus geht, wird von einer fröhlichen Runde empfangen. Gut gelaunte Senioren sitzen hier in Kirchende am Tisch, lassen sich bei einer Tasse Kaffee selbstgebackenen Kuchen schmecken, ehe sie einen Stuhlkreis aufmachen und dort nach ein paar Lockerungsübungen Lieder singen.

Auf den ersten Blick - alle gut drauf. Doch sowohl im weiteren Verlauf des Nachmittags als auch bei Gesprächen merkt der Besucher, dass es hier und da Besonderheiten gibt. Eine Dame weiß etwa nicht, wie alt sie ist, hat aber ihren genauen Geburtstag und das entsprechende Jahr 1926 parat. Sie kann sich auch erinnern, dass sie früher als Mädchen im Kinderchor gesungen hat. Oder dass sie vom damaligen Bundespräsidenten Walter Scheel das Lied „Hoch auf dem gelben Wagen“ sehr gerne gehört hat. Tagesaktuelles hat sie aber schon vergessen, sie braucht auch Zeit für ihre Antworten.

Hier im „Café Vergissmeinnicht“ treffen sich Menschen, die an Demenz erkrankt sind. Begleitet werden sie meist von ihren Angehörigen oder auch Betreuern, für die Pflegenden soll dies ein Entlastungsangebot sein. Motto: „Hier darf jeder Mensch so sein, wie er oder sie ist. Hier haben Angehörige einen Raum zum Erzählen und bekommen auf Wunsch Unterstützung und Informationen.“

Festgelegte Struktur

Im Vordergrund des Treffpunkts steht das Gemeinschaftliche, das Miteinander. Seit 2008 bemüht sich das engagierte Team um Susanne Wulff am Akkordeon, Susanne Schmidt, Ursula Beyling, Karin Seuker, Waltraud und Reinhard Waltraud Haake, dass sich alle im „Café Vergissmeinnicht“ wohl fühlen.

Los geht es mit dem beliebten Gymnastiklied und etwas Bewegung, vermittelt über einen Ball oder ein Schwungtuch. Der „Hit“ sei Federball mit einer Fliegenklatsche. „Wichtig ist ein fester Ablauf“, sagt Sozialpädagogin Beyling. Vor dem Ende mit dem Abschiedslied „Auf Wiedersehen“ geben Symbole in der Stuhlkreismitte das zu besprechende Tagesthema vor. „Das dient zum Gedächtnistraining. Während das Langzeitgedächtnis bei Demenzerkrankten noch funktioniert, ist das Kurzzeitgedächtnis meist weg“, so Beyling.

Sensibel und individuell

Das sechsköpfige Team will Anregungen bieten, plant Themen, organisiert dazu Material, weicht aber je nach Resonanz auch mal vom vorbereiteten Programm ab. Etwa wenn ein Geburtstag ansteht, dann wird das natürlich ausgiebig gefeiert. Und ohne Musik geht ohnehin gar nichts. „Oft sind wir fröhlich, es kann aber auch mal anstrengend sein, da wir sehr individuell und sensibel auf jeden eingehen wollen.“

Das Konzept kommt offensichtlich an. „Das hier ist eine wunderbare Gruppe mit ganz lieben Menschen, die uns vor eineinhalb Jahren aus einer ganz tiefen Krise geholt haben, als wir auf dem Nullpunkt waren“, berichtet ein Ehepaar aus Herdecke, dass die Besuche im „Café Vergissmeinnicht“ echte Höhepunkte im Kalender sind. Seit dreieinhalb Jahren hat der 71-Jährige Demenz, seine ihn pflegende Ehefrau tankt zweimal im Monat im Pfarrer-Niemann-Haus Kraft. „Der Austausch mit anderen Betroffenen tut gut, sonst fühlt man sich oft verlassen und alleine“, sagt sie dankbar über neue soziale Kontakte.

Bei allem Frohsinn ist die Krankheit oft Thema. Für eine Hagenerin, die alleine ihre kranke Mutter pflegt, gehe das Team damit einfühlsam um, „man wird nicht überfrachtet, alle geben sich sehr viel Mühe hier und bringen einem viel Liebe entgegen.“ Ihnen würde das „Café Vergissmeinnicht“ sehr viel geben, die Demenzerkrankte sei danach viel fröhlicher. Von den Eindrücken zehren die beiden lange, gerne würde sie zu weiteren Treffen gehen. „Ist meine Mutter morgens mal schlecht drauf, erzähle ich ihr von der Gruppe - und der Tag ist gerettet.“

Hintergrund

Seit Januar ist das „Café Vergissmeinnicht“ bei der evangelischen Kirche in Ende angesiedelt. Zuvor gehörte es zu Mobile, einem Projekt der Caritas Witten. Nach dem Brand im Philipp-Nicolai-Haus zog das Cafe zwischenzeitlich ins Herdecker Altenheim in die Goethestraße.

Besucher zahlen 2,50 Euro für Kaffee und Kuchen. Das nächste Treffen, bei dem Betroffene willkommen sind, ist am 13. September von 15.30 bis 17.30 Uhr.