Herdecke. Über seine Heimatstadt Herdecke sollte Noah (10) eine Hausarbeit erledigen. Bei Brunhilde Conjaerts in der Heimatstube gab es reichlich Stoff.
„Wo schaltet man denn Gas oder Strom an?“ wollte der zehnjährige Noah wissen, als er sich für seine Hausaufgabe kürzlich mit Brunhilde Conjaerts vom Heimat- und Verkehrsverein in der Heimatstube traf und staunend vor dem alten Küchenherd stand. Die 89-Jährige erklärte: „Man musste morgens erst den Herd mit Papier, Holz und Kohle anzünden.
Damit die Küche warm wurde und das Wasser im Kessel heiß wurde, um Kaffee zu kochen.“ Und dann nahm sie den Waldorfschüler und seine Mutter Barbara mit auf eine zweistündige Entdeckungsreise in die Vergangenheit Herdeckes.
Schnaps nach der Arbeit
Sofort blieb der Blick des Jungen an dem riesengroßen schwarz-weißen Foto mit den dreckigen Männern hängen. „Das ist ein Bild vom Steinbruch in der Rettelmühle. Herdecke hatte vor langer Zeit einmal 20 Steinbrüche, heute gibt es nur noch einen einzigen, den Steinbruch Grandi am Attenberg“, konnte Brunhilde Conjaerts dazu erklären. Und dann erzählte sie dem Jungen, dass die Steinbrucharbeiter jeden Tag 13 Stunden arbeiten mussten und danach meist viel Schnaps tranken: „Deswegen kamen die Frauen mit den Kindern, wenn der Lohn ausgezahlt wurde.
Heimatstube seit vielen Wochen geschlossen
Die Heimatstube des Heimat-und Verkehrsvereins Herdecke befindet sich in der Uferstraße 13. Corona-bedingt öffnet sie derzeit nicht für Besucher.
Die ansonsten üblichen Öffnungszeiten sind donnerstags von 10 bis 11 Uhr sowie sonntags von 11 bis 12 Uhr oder nach Vereinbarung.
Damit am Ende noch genug Geld für die Familie übrig blieb und alle satt zu essen hatten.“ Gleich nebenan, im Hinterzimmer der Heimatstube, erzählte die 89-jährige ihrem neugierigen Besucher schließlich, wie früher Waffeln mit alten Eisen gebacken wurden oder Kaffee gekocht wurde: „Für Malzkaffee wurde Gerste geröstet, den nannte man Muckefuck.
Bohnenkaffee gab es nur am Sonntagnachmittag, der war ansonsten viel zu teuer.“ Auf Brunhilde Conjaerts Frage, welchen Kaffee er denn kenne, hatte Noah geantwortet: „Kaffee to go und Cappuccino.“
Viel gestaunt
Zum Hintergrund: Wegen Corona hatte auch der Unterricht an der Blote-Vogel-Schule in Witten bis zu den Ferien unter anderen Vorzeichen gestanden, und so sollte Noah in Eigenarbeit etwas über den Ort herausfinden, in dem er aufgewachsen ist. Zwar wohnt der Zehnjährige seit einem Jahr mit seiner Familie in Wetter, fühlt sich aber als Herdecker. „Auf der Suche nach Literatur in einem Geschäft für gebrauchte Bücher wurde uns dann Brunhilde Conjaerts empfohlen“, berichtet Barbara Schomburg. Schnell war ein Termin in der Heimatstube gefunden. Und dort kam Noah aus dem Staunen kaum mehr heraus: Schlittschuhe mit Holzkufen, Bombensplitter und Lebensmittelkarten faszinierten den Jungen ebenso wie das Waffeleisen an langen Stielen und die mechanische Schreibmaschine, die er sogar ausprobieren durfte.
Wiedersehen mit fertiger Arbeit
Nach zwei Stunden Heimatkundeunterricht nahm Brunhilde Conjaerts dem Jungen am Ende noch das Versprechen ab, ihr die fertige Arbeit irgendwann zu zeigen. Noah hatte jedenfalls viel Stoff für seine Hausaufgabe gesammelt, und Mutter Barbara konnte etliche Fotos beisteuern, so dass schließlich nach viel Schreib-, Mal- und Bastelarbeit ein kleines, informatives Heimatheft über Herdecke daraus wurde. Am gestrigen Mittwoch nun gab es ein Wiedersehen in der Heimatstube. Diesmal allerdings hatte Brunhilde Conjaerts allen Grund zum Staunen – über die Hausarbeit des Zehnjährigen. Und Mutter Barbara berichtete stolz: „Obwohl die Zeugnisse zu der Zeit schon geschrieben waren, hat Noahs Lehrerin seine Arbeit extra noch einmal dort erwähnt.“