Wetter. Die Feier zum 125-jährigen Bestehen der Villa Vorsteher fiel wegen Corona aus. Um das Bürgerhaus in Wetter stand es vor Jahrzehnten nicht gut.

Für Jubiläen besteht gewissermaßen eine Feier-Verpflichtung. Zum 125-jährigen Bestehen der Villa Vorsteher wollte die Stadt Wetter Ende Mai in ihr Bürgerhaus an der Kaiserstraße einladen. Den Tag der offenen Tür verhinderte dort das Coronavirus. Ersatzweise nahm Bürgermeister Frank Hasenberg mit der Lichtburg ein Video auf, um diese besondere Örtlichkeit und den wichtigen Mäzen zu würdigen. Wobei die Verwaltung, das ergab ein Gespräch mit Stadtarchivarin Stephanie Pätzold, einen Festakt auch 2022 planen könnte: Baubeginn für das längst unter Denkmalschutz stehende Gebäude war 1895, die Fertigstellung erfolgte aber 1897.

Pätzold zeigt Baupläne aus dem Jahr 1894, die sowohl der Eigentümer als auch Architekt Gustav Werner aus Berlin unterschrieben haben. Die Verbindung zwischen den Beiden? „Ich habe Hinweise gefunden, dass Vorsteher sein Onkel gewesen sei. Allerdings kann ich das nicht verifizieren“, so die Stadtarchivarin, die in diesem Zusammenhang auch Vorstehers Soldaten-Zeit im Berliner Garderegiment von 1856 bis 1858 erwähnt.

Sicher ist: Die Villa mit dem großen Park und den Teichen diente dem kinderlosen Ehepaar Anna und Gustav Vorsteher (Hochzeit 1868) als repräsentatives Wohnhaus. Und zwar nicht in einer Randlage, sondern an zentraler Stelle. „Auch wenn er eigentlich zurückgezogen lebte, sollten doch Gäste im entsprechenden Ambiente empfangen werden“, erklärt Stephanie Pätzold, die den Einfluss Vorstehers auf die Ausgestaltung mangels Unterlagen nicht bewerten kann.

Zum prunkvollen Haus, architektonisch im Wilhelminismus-Stil errichtet und somit mit einigen Erinnerungen an das Mittelalter oder die Antike ausgestattet, gehörten beispielsweise Fremdenzimmer, bleigefasste Fenster, ein Büro und ein bemerkenswertes Untergeschoss mit einer Art Kneipe. „Heutzutage würde man das Partykeller nennen. Vom Hörensagen her wird auch berichtet, dass es einen Pferdestall auf dem Anwesen gab“, so die Archivarin.

Wobei dieser Aspekt typisch für manche Episode über Gustav Vorsteher sei. „Nicht alle Geschichten sind belegt.“ Das liege auch daran, dass er wenige Schriftstücke hinterlassen habe. „Die bekannte Anekdote zur Katze, die er als Tierliebhaber am Rathaus als Figur verewigen wollte, könnte gleichfalls eine Legende sein. Über Vorstehers Privatleben oder seine persönlichen Freundschaften muss manches im Dunkeln bleiben“, meint Pätzold.

Zurück zu den Fakten. Die mehrstöckige Gründerzeit-Villa aus Ziegeln zeichne sich durch die besondere Holztreppe (in der jüngeren Vergangenheit durch einige Konzerte dort bekannt geworden) und die zentrale Diele aus. „Das Erdgeschoss mit Wintergarten bzw. Veranda lässt sich schon als Beletage beschreiben. Verbaut wurden im Haus verschiedene Steinarten. Nicht zu vergessen die Schmuckgiebel außen, dabei sollte der Prunk nicht übertrieben ausfallen“, sagt die Historikerin. Der Zaun um das Grundstück deute gleichwohl auf ein gewisses Schutzbedürfnis hin.

Zwischenzeitlich sehr verkommen

Obendrein fehlen im Archiv auch Belege, welches Personal (Kutscherwohnung mit Remise, Gärtnerhaus, Bedienstetenkammern unter dem Dach) in dem Anwesen an der Kaiserstraße aktiv war und was nach dem Tod von Gustav Vorsteher 1914 – seine Frau Anna geborene Hülsberg aus Vorhalle überlebte ihn um 13 Jahre – mit der Villa geschah. Sicher ist: Im 20. Jahrhundert drohte das Haus zwischenzeitlich zu verfallen, laut Pätzold war der Zustand womöglich wegen fehlender Nachkommen auch mal sehr schlecht. „Die Spur der Nachfahren führt – das ist bekannt – nach Berlin. Von seinem Vermögen dürfte nicht nur die Stadt, sondern wohl auch Verwandte profitiert haben.“

1978 kaufte die Stadt das Gebäude (zwischenzeitlich laut anderen Quellen auch mal Villa Stratmann genannt), übergab dieses nach einer umfangreichen Restaurierung mit modernisierter Technik sowie neuem verschieferten Dach im Oktober 1981 als Bürgerhaus und Begegnungsstätte gewissermaßen an die Bevölkerung. Die Villa galt bzw. gilt als „gute Stube“, dient heutzutage als Ort für Hochzeiten oder als besonderes „Vereinsheim“ für verschiedene Institutionen und lässt sich mieten. Zudem erinnert das Stadtmarketing bei entsprechenden Themenrundgängen an Gustav Vorsteher. Pätzold: „Ohne ihn würde Wetter heute anders aussehen.“