Herdecke. Pfarrerin Kerstin Othmer verlässt ihre Heimat, um sich in Ostengland einer neuen Aufgabe zu stellen. Sie ist voller Vorfreude.

Die Vorfreude auf die neue Aufgabe ist groß: Pfarrerin Kerstin Othmer, seit 1999 am Institut für Aus-, Fort- und Weiterbildung in der Evangelischen Kirche von Westfalen tätig, wird ab September die Deutsche Lutherische Gemeinde in Ostengland betreuen. Die Herdeckerin, die vielen Lesern dieser Zeitung als Autorin der wöchentlichen Kolumne „Mein Gott“ vertraut ist, will ihre vielfältigen Erfahrungen künftig in die kleine, 450-Seelen-Gemeinde einbringen. Über ihre bisherige Arbeit, ihre enge Verbundenheit zu Herdecke, ihre Aufbruchstimmung und die Vorbereitung auf den neuen Lebensabschnitt hat die 59-Jährige mit der Lokalredaktion gesprochen.

Im August verlassen Sie Deutschland und übernehmen eine neue Aufgabe in England. Wohin gehen Sie genau?

Kerstin Othmer Es gibt mehrere deutsche Gemeinden in England. Ich gehe zur Deutschen Lutherischen Gemeinde in Ostengland mit Dienstsitz in Cambridge. Wohnen werde ich in einem Traumhaus, das aussieht wie aus einem Rosamunde-Pilcher-Film. Also im Erdgeschoss sind Gemeinderäume und Büros, oben drüber ist die Pfarrwohnung. Von dort aus fahre ich überall dort hin, wo die 450 Seelen der deutschen Gemeinde verteilt sind. Die Landschaft ist eine Mischung aus Toskana und Holland.

Welche Aufgabe erwartet Sie dort?

Die Gemeinde hat einen großen Anteil älterer Menschen, wie jede andere Gemeinde auch. Meine Schwerpunkte werden laut Stellenausschreibung Kinder, junge Familien und Gottesdienste sein. Die Kirche ist eine Mischung aus Freiwilligkeitskirche und Volkskirche, aber man muss schon Mitglied werden. Die Gemeinden werden kleiner, verlieren an Bedeutung und Relevanz. Aber sie wollen wieder wachsen, sind motiviert und freuen sich auf mich. Die Gemeindeglieder sind schon seit März ohne Hirten, ohne seelsorgerliche Grundversorgung. Wenn ich erst dort bin, dann haben sie wieder jemanden, der Besuche macht, Gottesdienste und auch Beerdigungen. Die Evangelische Kirche in Deutschland unterstützt diese Gemeinden, das heißt sie zahlt meinen Umzug und unterstützt die Pfarrstelle finanziell.

Ist England Ihnen fremd, oder gibt es bereits Berührungspunkte?

Nein, England ist nicht absolutes Neuland für mich. Ich war mehrfach als Referentin dort und habe gute Kontakte zur anglikanischen Kirche, habe Bekannte, Freunde und Kollegen dort. Zudem ist Kirche mit Kindern europaweit und weltweit gut vernetzt. So findet die Europäische Konferenz für Christliche Erziehung alle drei Jahre in unterschiedlichen Städten in Europa statt. Letztes Jahr war sie in Berlin, das war sehr spannend.

Wie bereiten Sie sich auf England vor?

Ich habe mein Englisch mit einem Sprachkurs aufgefrischt. Per Zoom mit Emma aus Brighton. Sie wurde mir durch eine Sprachschul-Agentur vermittelt, die für Pfarrer, die ins Ausland gehen, Sprachunterricht anbieten. Ich hätte auch vier Wochen rüberfahren können, aber wegen Corona ging das nun nicht. Wichtig ist für mich vor allem das Alltagsenglisch, zum Beispiel fürs Einkaufen oder fürs Telefonieren. Das ist spannend, und das habe ich richtig geübt. Zudem gab es im Mai einen Ausreisekurs der Ev. Kirche Deutschlands für die zwölf Pfarrer, die in diesem Jahr ins Ausland gehen werden, nach Mexiko, Peking und Ottawa. Da sind alles Kollegen; ich bin also gut vernetzt. Ich sammle mich in Cambridge, um meine Erfahrung fruchtbar zu machen für eine ganz konkrete Gemeinde. Da sind übrigens auch viele junge Leute; das wird bestimmt spannend.

Werden Sie bei Ihrer Tätigkeit Englisch oder Deutsch sprechen?

Bei den sonntäglichen Gottesdiensten und im Konfi-Unterricht werde ich zwar Deutsch sprechen, aber es gibt viele Misch-Ehen bei den Gemeindegliedern. Und wenn ich die besuche, spreche ich Englisch. Auch Taufen und Bestattungen werde ich auf Englisch oder zweisprachig abhalten, um den Menschen dort ein Stück Heimat in der Fremde zu bieten und es auch selbst zu finden. Auf die Frage, warum die Deutschen dort nicht in die englischen Gottesdienste gehen wollen, hat eine ältere Dame mal geantwortet, dass sie auf dem Sterbebett das Vaterunser auf Deutsch hören möchte. Also es wird ein großes Willkommen für mich geben.

Und was werden Sie mitnehmen?

Meine Arbeit beginnt am 1. September, mein Ausreisetag ist der 24. August. Einen Container voller Möbel und persönlicher Dinge darf ich mitnehmen; das wird per Schiff gebracht. Eine Quarantäne gibt es dann nicht mehr.

Wird Corona Ihre neue Aufgabe beeinflussen?

Ich denke schon. Wir können ja auch von Corona lernen. Das heißt, wir werden möglicherweise Digitales mit Analogem mischen. Es wird vielleicht andere Formate geben, die Andachten to go bleiben vermutlich erhalten. Und ich glaube, dass auch Weihnachten ganz anders laufen wird als in der Vergangenheit. Auch da braucht es dann neue Formate, zum Beispiel an Heiligabend denselben Gottesdienst mit weniger Leuten um 10, 12, 14, 16 und 18 Uhr. Man kann auch digital Glauben teilen und auf diese Weise bislang unerreichbare Menschen integrieren.

Wie lange werden Sie in England bleiben?

Das ist jetzt noch offen. Die Stelle ist auf sechs Jahre befristet, mit der Option, dass sie noch einmal um zwei Jahre verlängert werden kann.

Was hat Ihr jetziger Arbeitgeber, und was hat Ihre Familie zu Ihren Plänen gesagt?

Ich habe vom Institut viel Ermutigung bekommen, und meine beiden Töchter bestärken mich ebenfalls. Und eines ist klar: Wer loslässt, hat beide Hände frei.

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