Er ist da. Der Frühling. Auf jeden Fall kalendarisch. Ein halbes Jahr lang ist es jetzt am Südpol dunkel. Am Nordpol hingegen ist am Freitag um 4.50 die Sonne für ein halbes Jahr aufgegangen.

Vor zwei Tagen konnte ich den ersten Zitronenfalter entdecken. So wie ich und einige andere Leute genoss er den herrlichen Frühlingstag. An so einem Tag wächst in mir die Lust zu singen. Manche tun das zurzeit sogar vom Balkon aus! Eigentlich bringt der Frühling mit mehr Licht doch auch Frühlingsgefühle. Eigentlich werden Bedürfnisse nach Nähe wach. Eigentlich...

Spielplätze, Schulen, Kitas und viele Läden sind geschlossen. Das ist ein so krasser Gegensatz zwischen der Natur, die nur so strotzt vor Lebenskraft - und dieser Angstglocke, die sich über alles stülpt. Eigentlich möchte ich heute auch klagen. Über die unvernünftigen Menschen, die sinnvolle Maßnahmen nicht einhalten. Über die noch nicht absehbare Krise und die wirtschaftlichen Folgen, wahrscheinlich besonders für kleinere Unternehmen, aber auch überhaupt.

Manchmal ist eben beides gleichzeitig: Frühling und Freude, Angst und Sorgen. Loben und klagen, Licht und Finsternis. Vorgestern Abend höre ich ein Plätschern. Es war doch gar kein Platzregen angekündigt? Ich gehe auf den Balkon. Das haben offenbar andere auch gemacht. Es regnete Applaus! Für die Pflegekräfte und die unermüdlich Tätigen im Gesundheitswesen. Die Leute klatschten in die Hände für alle, die für uns und andere arbeiten und sorgen.

Manchmal ist da beides. Dank und Not, Alleinsein und Gemeinschaft, Gesten der Verbundenheit trotz des Abstands zueinander. Und um Gemeinschaft zu erleben, da müssen wir jetzt erfinderisch werden. Und wir sind es ja auch. Es werden reichlich nachbarschaftliche Hilfsangebote gemacht. Große Aktivitäten und Familienfeiern werden verlegt oder verkleinert. Das Gemeinwohl ist im Blick, es gelingt, die Eigeninteressen hinten anzustellen.

„Gott hat uns nicht gegeben einen Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit“, steht im Brief des Paulus an Timotheus.

Manchmal klingt beides gleichzeitig in diesem Bibelvers; Mahnung und Erinnerung, Trauer und Trost. Diese kleine biblische Weisheit ruft uns zu, den Mut und die Zuversicht nicht zu verlieren. Ich mag besonders das Wort Besonnenheit. Da steckt so viel Sonne drin. Das Licht besiegt die Finsternis. Darauf vertraue ich. Ostern fällt nicht aus. Es wird nur anders gefeiert.
Wetten, dass?

Pfarrerin Kerstin Othmer aus Herdecke ist Dozentin und Beauftragte für Kindergottesdienst