Herdecke. Die Mischung von Kunden aus Herdecke und von außerhalb stimmt. Das meint Bettina Reichel. In Wetter sieht Anika Fricke Probleme im Leerstand.
„Man bekommt hier nicht alles, aber das meiste schon", sagt Bettina Reichel. Wer die Geschäftsfrau zu den Einkaufsmöglichkeiten in Herdecke befragt, erhält eine Expertise mit ziemlich ungetrübtem Blick auf die Situation. Denn Bettina Reichel stammt aus Velbert, lebt in Schwerte und machte sich 2004 mit ihrem ersten Modegeschäft in Remscheid selbstständig. Dann lockten Hattingen (ab 2005) und Herdecke (ab 2012).
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„Herrenoberbekleidung ist das Einzige, was es hier in Herdecke nicht gibt. Wir haben das fünf Jahre lang angeboten, aber der Bereich ist generell schwierig“, weiß sie aus Erfahrung. Denn sie hat ihren Job von der Pike auf gelernt. Nach der Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau bei Boecker wurde sie mit 19 Jahren jüngste Abteilungsleiterin. Es folgten zehn Jahre als Geschäftsführerin sowie weitere zehn Jahre als Einkäuferin in anderen Unternehmen.
„Gute Restauration“ fehlt
Dass die Herdecker ihrer Stadt in Bezug aufs Einkaufen eine Einser-Note gegeben habe, spricht für sich. Damit könnte man als Geschäftsfrau durchaus zufrieden sein. Oder gibt es da etwas, das einen Bummel durch die Ruhrstadt durchaus noch weiter aufwerten könnte? Bettina Reichel nickt: „Was mir fehlt, das ist eine gute Restauration. Wir haben zwar einige Italiener und Griechen, aber abgesehen davon fehlt es an einer guten Gastronomie bzw. Küche im Mittelpreissegment."
Gute Kundenmischung
Von ihren Kunden weiß die Vorsitzende der Werbegemeinschaft „pro Herdecke“, dass viele aus Herdecke, aber auch aus den umliegenden Städten wie Wetter, Hagen, Dortmund und sogar aus Schwerte kommen. „Es kommen auch viele Touristen hier vorbei. Fahrradfahrer und Wanderer, die auf dem Jakobsweg unterwegs sind. Grundsätzlich stelle ich – auch durch viele Gespräche mit Kunden – immer wieder fest, dass es sich um eine gute Mischung aus Einheimischen und Kunden handelt, die nicht aus Herdecke kommen. Die Innenstadt hat einfach eine gute Struktur und steht für individuelles, stressfreies Einkaufen mit persönlicher Ansprache. Außerdem sitzt man schön, kann gut mal einen Kaffee trinken oder eine Kleinigkeit essen“, so Bettina Reichel weiter. 2012 eröffnete sie ihr erstes Geschäft in Herdecke: „Seitdem habe ich die positive Veränderung gut mitbekommen.“ Sie hat diese Entwicklung selbst mitgestaltet, indem sie weitere drei Mode-Geschäfte in der Ruhrstadt eröffnete. Seit Ende Februar ist sie geschäftlich ausschließlich in Herdecke aktiv – die Läden in Hattingen hat sie nach und nach aufgegeben.
Konkurrent Internet?
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Ob das Internet eine Konkurrenz oder gar eine Gefahr für den heimischen Einzelhandel darstellt? „Unsere Kunden kommen nach Herdecke, weil sie Beratung wollen und die großen Geschäfte nicht so mögen. Die sind auch im Internet nicht gut aufgehoben. Deswegen glaube ich, dass der Einzelhandel hier eine gute Chance hat“, so ihre Einschätzung. Und: „Vor allem Frauen wollen soziale Kontakte und Beratung.“ Wer auf das untere Preissegment schaue, der würde vielleicht eher mal im Internet shoppen. So wie die Jüngeren. „Die gestandenen Kundinnen probieren das zwar auch, aber vieles gefällt dann nicht, sieht anders aus oder fühlt sich anders an als erwartet, so dass viele dann zum stationären Einzelhandel zurückkehren."
Problem Leerstand in Wetter
Einmal komplett einkleiden, bitte! In Wetter eigentlich kein Problem. Für exquisite Unterwäsche findet man zwar kein Dessous-Geschäft, aber bei Ernstings Family gibt es zumindest die Basisausstattung. Shirts, Blusen, Hosen, Jacken und Schuhe sind ebenfalls in der Innenstadt zu haben. Elektro-Artikel wie Fernseher oder gar ein Smartphone sind da schon schwieriger zu besorgen. An der Königstraße, einst die „Kö“ der Harkortstadt, und an der unteren Kaiserstraße haben sich vielfach Dienstleister angesiedelt, wo zuvor noch Einzelhändler ihre Geschäfte betrieben. Die Lokalredaktion hat mit Anika Fricke, überzeugte Wetteranerin und Inhaberin von drei Boutiquen in Wetter, Witten und Herdecke, übers Einkaufen in der Harkortstadt gesprochen.
Was fehlt Ihnen beim Shoppen in Wetter ganz besonders?
Anika Fricke Es fehlen allgemein Geschäfte in der Innenstadt. Das sieht man am Leerstand, der leider unser Stadtbild prägt. Man kann allerdings auch nicht erwarten, dass man in einer kleinen Stadt wie Wetter alles bekommt.
Was ist denn Ihrer Meinung nach hier durchaus noch im „grünen Bereich“?
Bei den Lebensmitteln, den Apotheken und im Billigsegment sind wir gut aufgestellt.
Sehen Sie in der Zersiedelung der Stadt mit den drei kleinen Ortsteilzentren (Volmarstein, Grundschöttel, Wengern) ein Problem für den Einzelhandel?
Mein Geschäft Adelkind gibt es seit acht Jahren in Alt-Wetter. Kürzlich war eine Wengeranerin hier in der Boutique und meinte, das sei aber ein schöner Laden und fragte, seit wann es den denn gebe. Das spricht doch Bände.
Sie betreiben auch in den Nachbarstädten Witten und Herdecke jeweils eine Modeboutique. Können Sie Unterschiede im Kaufverhalten feststellen; wenn ja, welche?
In Witten gibt es das gleiche Phänomen wie in Wetter: Es gibt keine Identifizierung mit der eigenen Stadt. Alle, die in Witten wohnen, finden ihre Stadt doof. Deswegen fahren sie nach Bochum. Genau daran krankt auch Wetter. Das, was schön ist, sieht der Wetteraner nicht, oder er nutzt es nicht. Das ist in Herdecke nicht der Fall. Eine Stadt ist für mich immer nur ein Spiegel der in ihr lebenden Menschen.
Was könnte denn der heimischen Infrastruktur Ihrer Meinung nach helfen?
Es wäre schon ein großer Schritt getan, wenn die Wetteraner allem erstmal eine Chance geben würden. Ich würde mir wünschen, dass sie positiv gucken und einfach mal sagen: Hey, ich lebe hier und möchte alles unterstützen, was es hier gibt, statt sofort ihre Unzufriedenheit kundzutun. Beim Feierabendmarkt hat das ja auch geklappt. Davon sind alle begeistert, und es kommen Leute von überall her und besuchen ihn.