Herdecke. Karin Striepen aus Herdecke kennt Spielplätze als Kind, als Mutter und als Großmutter. Im Gespräch blickt sie zurück und nach vorne.

Was hat sich bei Spielplätzen in den letzten 50 Jahren geändert? Warum sind sie weiter wichtig? SPD-Politikerin Karin Striepen gibt Antworten.

Wo haben Sie als Kind gespielt?

Karin Striepen: Ich habe in den ersten Lebensjahren in einem Sechsfamilienhaus gewohnt, in dem es mehrere Kinder gab. Wir haben meistens auf dem großen Grundstück gespielt. Wir haben uns selbst eine Schaukel an der Teppichstange konstruiert und aus Decken Zelte gebaut. Leider hatten die älteren Nachbarn sehr wenig Verständnis für Kinderlärm.

Waren dabei Spielplätze wichtig?

Öffentliche Spielplätze gab es kaum. Die habe ich nur auf Ausflügen zum Beispiel zum Wittener Hammerteich erlebt. Allerdings hatten wir damals auch noch mehr Freiraum als die meisten Kinder heute. Daher haben wir auch die Spielplätze nicht vermisst.

Seit wann sind für Sie Spielplätze ein Thema?

Spielplätze waren seit den frühen Achtzigern ein Thema für mich sowohl als Mutter als auch als Mitglied, später Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses. Inzwischen ist das Thema wieder besonders aktuell, da ich mit meinen Enkeln (1 u. fast 3 Jahre) die Herdecker Spielplätze neu erkunde.

Sind Spielplätze von heute noch mit denen von 1970 vergleichbar?

Die Hauptelemente sind sicher gleichgeblieben. Klettern, Rutschen, Schaukeln und im Sand buddeln macht Kindern heute wie damals Spaß. Die Gestaltung der Spielgeräte ist auch der Mode unterworfen. Früher wurde vieles aus druckimprägniertem Holz gebaut. Das sollte natürlich wirken, war aber etwas trist. Heute wird natürlich viel auf Nachhaltigkeit geachtet, und die Spielgeräte sind wieder bunter geworden.

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Spielplätze sollten da sein, wo auch Kinder sind. Ist das in Herdecke gelungen, sind Spielplätze „umgezogen“?

In neuen Stadtvierteln müssen natürlich, wie im Quartier Ruhraue, auch Spielplätze entstehen. Vom Umzug von Spielplätzen halte ich gar nichts. Selbst wenn Stadtviertel überaltern, sollten wir sie doch für junge Familien attraktiv halten. Und Spielplätze sind immer auch Treffpunkte für die Generationen.

Wie haben sich die Kosten entwickelt?

Die sind wie überall gestiegen. Das liegt z. T. aber auch an gestiegenen Sicherheitsanforderungen und nachhaltigen Materialien.

Sind Spielplätze Orte, an denen Kinder sich auch einmal alleine ausprobieren sollten oder machen das „Helikopter-Eltern“ ohnehin zunichte?

Die meisten Herdecker Spielplätze sind so gestaltet, dass sie unterschiedliche Bereiche für die verschiedenen Altersgruppen bieten. Dort können sich die Größeren, aber auch die Kleinen ausprobieren. Manche Klettergeräte erfordern schon etwas Mut, aber ich habe noch nicht so viele übervorsichtige Eltern erlebt.

Gibt es eine Lücke zwischen Spielplatzalter und Offener Jugendarbeit in Jugendzentren?

Diese Lücke sehe ich nicht. Wuselnest und Wuseloase bieten ein attraktives Angebot für Kinder ab 6 Jahren. Viele Eltern besuchen schon mit Vorschulkindern die Angebote der offenen Kinderarbeit.

Gibt es eine örtliche Lücke?

Wir haben die Herdecker Spielplätze seit Jahrzehnten so geplant, dass sie gleichmäßig über das Stadtgebiet verteilt sind, wobei die Einzugsgebiete für die älteren Kinder natürlich größer sind. Lücken gibt es wohl in den Außenbereichen, allerdings haben hier die Kinder auch viel mehr Möglichkeiten, sich in der Natur auszutoben.

Was sollte sich im Bereich Kinderspielplätze als nächstes tun in Herdecke?

Für mich hat der Spielplatz am Sperlingsweg oberste Priorität. Hier wurden Eltern und Kinder schon seit Jahren vertröstet. Geplant ist hier vor allem die Renaturierung des zur Zeit betonierten Bachbetts. Leider haben Abstimmungsprobleme mit dem Ennepe-Ruhr-Kreis zu wasserrechtlichen Fragen die Umsetzung schon viel zu lange verzögert. Ich hoffe jetzt auf eine große Lösung, bei der auch der verrohrte Teil des Bachs offengelegt wird. Damit ergäbe sich nicht nur eine ökologische Verbesserung, sondern auch ein spannendes Naturerlebnis für die Kinder. Immerhin werden aber erste Geräte noch in diesem Jahr ausgetauscht.

>>>Kümmerer für den Kletterspaß nebenan

Vor 14 Jahren wurden die Häuser zwischen Lidl und Ruhrtalcenter in Wetter gebaut. Zwei Jahre später hatten die Kinder in den neuen Häuserreihen auch einen gemeinsamen Ort zum Spielen. Selbst wenn die beiden Jungs von Karsten Senner mittlerweile aus dem Alter für Nestschaukel oder Wippe raus sind: Das Amt als Spielplatzpate führt Senner gerne weiter fort.

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Zwischen den Häusern an der Kaiserstraße und den Neubauten zur Bahn hin gibt es einen Fußweg, und an diesem Weg war ein Grünstreifen. Hier finden sich nun außerdem ein Klettergarten und ein Wipptierchen. „Der Spielplatz lebt davon, dass Menschen im Lidl einkaufen gehen“, weiß Karsten Senner. Immer wieder kann er beobachten, wie das eine Eltern- oder Großelternteil weiter in Richtung Discounter spaziert und das andere sich für den Nachwuchs Zeit nimmt.

Treffpunkt für die Nachbarn

Anfangs gab es außer dem Spielplatzpaten auch noch eine Spielplatzpatin. Aber deren Kind ist schon länger groß. Also ist Karsten Senner übrig geblieben als Kontaktmann zwischen Eltern und Stadtverwaltung. Er kann frühzeitig weiter geben, wenn mal irgendwo ein Holz angefault ist oder sich eine Schraube gelockert hat. Und er ist Ansprechpartner der Stadt Wetter, wenn es um Ersatz für die „Möblierung“ der Spielfläche geht.

52 Jahre alt ist Senner. Mit den Nachbarn hat er immer wieder Feste auf dem Spielplatz organisiert. Als Pate konnte er sich auf Einladung der Stadt mit anderen Paten austauschen. Die ganze Familie durfte dann mit auf Bootsfahrt gehen oder zum Hof Sackern kommen. Die Stadt Wetter pflegt ihre Paten, so der Eindruck von Karsten Senner. Und er kennt auch die anderen Spielplätze, die in den vergangenen Jahren für viel Geld auf Stand gebracht wurden. Ein paar weniger sind’s als früher. Dafür kommt’s den Wetteranern auf die Qualität an.

„Ich bin früher immer gerne mit über den Kletterparcours gegangen“, denkt der Spielplatzpate zurück an die Zeiten, als seine Jungs noch klein waren. Heute geht es einfach mal so zum Quatschen Richtung Klettergerüst und Schaukel. Wie lange will sich Karsten Senner noch verantwortlich fühlen für den Spielplatz ums Eck? Er hofft darauf, dass mal eine junge Familie zuzieht und ihn als Pate ablöst.

Plötzlich wieder gefragt

Noch gibt es rund ein Dutzend Kinder im Kindergartenalter oder auf der Grundschule, die zum Einzugsgebiet zählen. „Wenn sich in den nächsten vier bis fünf Jahren hier nichts tut, könnte der Spielplatz am falschen Ort sein“, sagt Senner. Ein Grund zur Verlagerung oder Schließung muss das nicht sein. Karsten Senner verweist auf den Spielplatz am Loh. Ewig wurde diskutiert, ob er nicht überflüssig sei: „Plötzlich waren ganz viel junge Familien da, die ihn gerne aufsuchen.“

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