Wetter. 200-Jahr-Jubiläum mit Stellenabbau und Werkumbau: Geschäftsführerin Carolin Paulus blickt auf ein herausforderndes Jahr der Demag Wetter zurück.
Als Friedrich Harkort 1819 die Mechanische Werkstätte in Wetter gründete, sollte dies den Beginn einer außergewöhnlichen Industrie-Geschichte darstellen. 200 Jahre später feierte die Demag als Nachfolge-Unternehmen diese bemerkenswerte Entwicklung mit vielen Aktionen. Geschäftsführerin Carolin Paulus blickt auf ereignisreiche Monate zurück und auch voraus.
Das Jubiläumsjahr 2019 begann im Januar mit dem Entrollen des großen Plakats am Parkhaus und endete nun am Dienstag mit einem historischen Vortrag. Wie anstrengend waren all die zusätzlichen Aktivitäten?
Carolin Paulus: Es war schon ein straffes Programm. Wir haben für vieles Lob und Zuspruch erhalten, wenn ich etwa an den Festakt im März, die Buch-Chronik und die Extraschicht als einen der Höhepunkte denke. Auch die lokalen Aktionen wurden gut angenommen: die Konzertreihe, die Vorträge, das Zusammenspiel mit den Grundschulen, die Führungen durch das Werk sowie in der Freiheit und natürlich der Tag der offenen Tür für Besucher hier an der Ruhrstraße. Auch mit den Kunden haben wir im September gefeiert, Gästen aus rund 50 verschiedenen Ländern haben wir unsere Geschichte hier in Wetter erzählt. Nicht zu vergessen: Wir haben aus den Einnahmen Geld an verschiedene Organisationen gespendet, etwa an Kindergärten, an ein Kinderhospiz oder zuletzt 3500 Euro an den Verein Wir in Wetter.
Wie lief denn das Jahr aus Mitarbeiter-Sicht?
Ob Blutspende, Videos oder Beiträge für unsere Jubiläums-Internetseite: Die Kollegen haben sich vielfältig eingebracht. Schön war auch, immer wieder Ehemalige zu treffen. Der emotionale Höhepunkt war für uns der Tag der offenen Tür im Werk. Die T-Shirts, die wir zu dem Anlass bedruckt haben, waren der Renner. Wir sind zwar abends sehr müde ins Bett gefallen, freuten uns aber, den Besuchern zum Beispiel in der Lehrwerkstatt unseren Roboter beim Waffelbacken vorführen oder eine 200-Jahr-Münze prägen zu können. Zudem besuchten wir unsere Schwesterwerke in Uslar und im tschechischen Slany, auch dort stand das Demag-Jubiläum bei verschiedenen Festen im Fokus. Lobend erwähnen muss ich ausdrücklich unsere Auszubildenden hier in Wetter, die stets geholfen haben und bei unserer Idee „200 gute Taten“ die Vorreiter waren. Allein beim Jahresabschluss in dieser Woche kamen durch den Verkauf von Selbstgebackenem durch unsere Azubis nochmals rund 1000 Euro zusammen.
Welche Aktionen aus dem Jubiläums-Jahr lassen sich wiederholen?
Offen ist, ob wir uns 2020 zum zweiten Mal an der Nacht der Industriekultur, also der Extraschicht, beteiligen. Wir streben aber an, dass wir uns wieder beim Brückenlauf einbringen. Dieser – im wahrsten Wortsinn – soziale Brückenschlag liegt mir persönlich sehr am Herzen. Eventuell bieten wir noch einmal Führungen durch unser Werk an, das dann nach dem Umbau ungefähr gegen Ende des nächsten Jahres in einem neuen Licht erscheinen wird.
Apropos: Wie läuft denn die Umgestaltung der Produktionsstätten und der Hallen?
Die Abriss-Phase ist abgeschlossen, einige Hochregallager etwa stehen nicht mehr. Nun beginnt der Neuaufbau und beispielsweise das Errichten eines „Supermarkts“ mit verschiedenen Komponenten, wobei derzeit noch einige Bauanträge ausstehen. Wir haben – Stand heute – mehr als 70 Maschinen umgestellt. Moderne Robotertechnik, die das Personal unterstützt, wird Einzug halten. Diese brauchen wir auch, um Vorgänge ergonomischer zu gestalten. Zudem setzen wir auch auf 3-D-Drucker. Grundsätzlich wollen wir als Demag ein Vorzeige-Standort in der Konecranes-Gruppe sein. Umso erfreulicher, dass die Mittel für den Werks-Umbau noch einmal von 14 auf rund 16 Millionen Euro aufgestockt wurden. Wir können dadurch auch die Kantine sanieren, dort wird u.a. der Boden ausgetauscht. Äußerlich wird im nächsten Jahr die neue Pflasterung vor dem Distributionszentrum sichtbar sein, auch im Inneren modernisieren wir dort.
Neben den Jubiläums-Feiern gab es ja weitere erfreuliche Entwicklungen, etwa die Konecranes-Zusage zur gruppenweiten Fertigung der elektrischen Kettenzüge…
Die Tendenz bezüglich dieses Produkts geht in die richtige Richtung, im nächsten Jahr bringen wir in dieser Reihe weitere Modelle auf den Markt. In Sachen Hebetechnik wird es weitere Produkte geben. Und schließlich gehört zu unserem Projekt #Wetter 2020 auch die Installation von vier neuen Stromsäulen für E-Autos in unserem Parkhaus zur Nutzung durch Mitarbeiter. Und auch einen Teil unserer Pool-Fahrzeuge werden wir sukzessive umstellen. Unsere 2019 eröffnete Zukunfts-Fabrik, die Demag Research Factory, wird weiter eine wichtige Plattform für Entwicklungen sein. Jetzt im Januar sind wir in diesem Zusammenhang Gastgeber für den Industriegipfel Ennepe-Ruhr, zu dem auch Bundesumweltministerin Svenja Schulze erwartet wird.
Mal grundsätzlich: Wie schwierig war der Spagat, einerseits ein Jubiläum zu feiern, während andererseits Mitarbeiter wegen der schwierigen Gesamtsituation des Marktes bzw. durch die Anforderungen des Mutterkonzerns Konecranes um ihre Jobs bangen mussten?
In der Tat: Mit dieser Ausgangslage war 2019 für die Demag eines der herausforderndsten Jahre überhaupt – und im Rückblick eines der schönsten in der Unternehmensgeschichte. Wir haben uns bemüht, früh Klarheit bei den Arbeitsplätzen zu schaffen. Bezüglich des Umbaus haben viele Mitarbeiter einiges durchstehen müssen, ihnen gilt unser besonderer Dank. Und die Jubiläums-Aktivitäten wurden durchweg gut angenommen wurden, gerade aus Mitarbeiter-Sicht. Wir haben alle viel Zeit und Kraft investiert, immer wieder haben sich freiwillige Helfer gemeldet. All das zeigt uns eine hohe Verbundenheit mit der Demag.
Was gibt es Neues vom Abbau der Arbeitsplätze?
Wir konnten die Zahl leicht nach unten korrigieren, bis Ende 2020 und darüber hinaus werden 273 Stellen abgebaut – und zwar sozialverträglich und ohne betriebsbedingte Kündigungen. Erfreulich ist auch: 35 Kollegen, die als ausgelernte Azubis bislang einen befristeten Vertrag erhalten hatten, bekommen eine unbefristete Anstellung. Grundsätzlich ist die wirtschaftliche Lage nicht rosig, es gibt keinen Anlass zu Euphorie, aber auch einige positive Zeichen: die Investitionen für das Werk, das gut laufende Vorruhestandsprogramm, interne Ringtäusche und die gute Kooperation mit dem Betriebsrat sowie der Zukunftstarifvertrag. Unser Vorteil ist auch, dass wir ein wichtiger Service-Standort mit verschiedenen globalen Funktionen sind, auch durch unser Distributionszentrum mit weltweiter Ersatzteillogistik können wir manches abfangen, denn diesbezüglich geht es nicht so zyklisch wie im sonstigen Markt-Kunden-Wechselspiel zu.
Bei Konecranes ist ab Februar Rob Smith der neue starke Mann an der Spitze. Wie ist das Verhältnis zwischen der Demag und dem finnischen Mutterkonzern?
Das ist recht eng, es gibt einen permanenten Austausch. Wir als Demag haben in der Konecranes-Gruppe ein gewisses Gewicht, schließlich haben wir hier in Wetter einen der größten Fertigungsstandorte. Gleichwohl müssen wir im Hinblick auf unser Werk konstatieren, dass hier in den letzten Jahren mit die größten Umwälzungen für Mitarbeiter zu bewältigen waren. Und es ist nun mal schwer, Gewohntes aufzugeben. Die Digitalisierung hat Auswirkungen auf die Arbeitsplätze der Zukunft. Wir brauchen aber Veränderungen und Modernisierungen.