Herdecke/Salzburg. Schauspieler Jörg Hartmann aus Herdecke freute sich sehr auf seine Premiere bei den Salzburger Festspielen. Und überzeugt in einem Horvath-Stück.
In Theaterkreisen haben die Salzburger Festspiele einen besonderen Stellenwert. Wer dort auf der Bühne steht, darf mit erhöhter Aufmerksamkeit rechnen. Der Herdecker Schauspieler Jörg Hartmann hat sich längst an das mediale Interesse gewöhnt, sorgte doch immer wieder seine Rolle als Kommissar Faber bzw. der Dortmunder Tatort an sich für Gesprächsstoff. Das Engagement in Österreich wiederum ist auch für den 50-Jährigen etwas Besonderes, wie er dieser Redaktion im Interview Ende 2018 verriet: „Salzburg hat für uns Theaterleute einen besonderen Klang, versprüht einen speziellen Reiz“, sagte er damals voller Vorfreude.
Nun titelte die deutsche Presse-Agentur (dpa): „Salzburg feiert Horvath-Stück“. Jörg Hartmann spielt dabei die Hauptrolle in „Jugend ohne Gott“. In dieser historisierenden Bühnenadaption des antifaschistischen Exilromans von Ödön von Horváth geht es darum, wie sich eine Gesellschaft brutalisiert.
Bezüge zu den 1930er Jahren
Die ersten fünf Minuten sind die besten, schreibt die dpa. Jörg Hartmann tritt in Alltagsklamotten, Schlabberhose, T-Shirt auf die Bühne des Salzburger Landestheaters und beginnt zu schwärmen: „Was haben wir Adolf Hitler zu verdanken? Alles!“ Im Plauderton berichtet er, warum Deutschland stolz sein müsse auf den „Führer“, den eine glückliche Vorsehung dem Land geschenkt habe.
Aus seinem Munde klingt das so, als wenn man an diesem regnerischen Abend nur auf die Straße hinaustreten müsse, um dort ein Meer von Hakenkreuzfahnen zu sehen, mit denen die Festspielstadt Salzburg geschmückt ist. Dann schlüpfen Hartmann und die übrigen Mitspieler in Kleider der dreißiger Jahre – das eigentliche Spiel beginnt.
Sprecher für Kokerei-Tour
Für die Industriedenkmal-Stiftung, die im Koepchenwerk bald Führungen anbietet, ist Hartmann als Sprecher aktiv.
Auf den neuen Mediaguides für die Kokerei Hansa in Dortmund ist die Stimme des Herdeckers zu hören.
Zum Auftakt des Schauspiel-Premierenreigens brachten die Salzburger Festspiele die vom Publikum gefeierte Version des -Romans heraus, eine Koproduktion mit der Berliner Schaubühne, deren langjähriger künstlerischer Leiter Thomas Ostermeier Regie führt.
Im Hintergrund ist ein dichter Wald dargestellt, in dem sich später zwei junge Menschen lieben und ein Mord geschieht, im Vordergrund Schauplätze der Dreißiger: das Klassenzimmer eines Provinzgymnasiums, in dem Hartmann als „Lehrer“ arbeitet; ein Zeltplatz, ein Wirtshaus, ein Gerichtssaal. Alles ist immer im Fluss, die Darsteller (mit Ausnahme des Herdeckers) wechseln dauernd Kostüme und Identitäten.
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Einen Namen trägt fast keiner in dem Stück, nur Buchstaben. Jeder soll sich in jedem wiedererkennen können. Horváths Erfolgsroman aus dem Jahr 1937 ist ein Krimi in totalitären Zeiten. Der Lehrer hat sich dem Regime zumindest äußerlich angepasst, wagt es aus Angst und Trägheit nicht, offen zu opponieren. Den rassistischen Ausfall eines Schülers bemängelt er, gibt dem Jungen aber dennoch eine gute Note.
Aufklärerische Wucht fehlt
Hartmann spielt das laut dpa sehr authentisch, er ist der ruhende Pol dieser manchmal etwas überdrehten und sehr textlastigen Inszenierung mit live aufgenommenen Videosequenzen. Doch einen Sog mit aufklärerischer Wucht vermag der gut zweistündige Abend (ohne Pause) nicht zu entfalten, heißt es auch.