Herdecke. Durch Weissensee und den Dortmund-Tatort stieg der Herdecker Jörg Hartmann in die oberste Garde deutscher Schauspieler auf. Am 19. November ist er etwa im Ersten in „Das Ende der Geduld“ zu sehen. Und seine Kommissar-Rolle hat er gedanklich weiterentwickelt.
Wenn Jörg Hartmann durch seine Heimatstadt spaziert, ist er ganz und gar Herdecker. „Die Leute hier sind direkt, aber nie verletzend. Ich mag den westfälischen Menschenschlag hier, das fällt mir auch immer wieder bei den Drehterminen für den Dortmunder Tatort auf“, sagt der Schauspieler, der durch die Rolle als Tatort-Kommissar Peter Faber deutschlandweit noch bekannter wurde, als er es durch seine Weissensee-Figur Falk Kupfer und den Fernsehpreis ohnehin schon war.
Im Foyer seines früheren Gymnasiums unterhält er sich locker mit der Reinigungskraft. Auf der Straße traf er zuvor eine einstige Mitstreiterin des Stiftsplatztheaters, wo er nach der Schulzeit seine ersten intensiven Bühnenerfahrungen machte. Diesem Berufszweig ist der 45-Jährige nach wie vor treu, seit mehr als neun Jahren spielt er an der Berliner Schaubühne den Richter Brack in Ibsens „Hedda Gabler“.
Doch das Hauptaugenmerk liegt längst beim Fernsehen und Film. Mit David Kross („Der Vorleser“) stand er für die holländische Kino-Produktion „Boy 7“, ein laut Hartmann härterer Jugend-Thriller, vor der Kamera. Im Juni wurde ein weiterer Tatort abgedreht, derzeit dreht er eine weitere Weissensee-Staffel. Auch bei der Verfilmung von Ferdinand von Schirachs Buch „Schuld“ mit Moritz Bleibtreu ist er dabei, zu sehen im Februar 2015 im ZDF. „In diesem Jahr ist kein Platz mehr für weitere Projekte.“
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Hartmann hat sich in der obersten Riege der deutschen Schauspieler etabliert. Wobei er nach eigener Aussage eine treue Seele ist. Dementsprechend mag er es, Figuren und scheinbar sperrige Charaktere wie den psychisch angeknacksten Chefermittler in Dortmund oder den Stasi-Offizier über eine längere Zeit zu entwickeln. Doch er wäre kein ambitionierter Schauspieler, würde er sich nicht auch nach anderen Rollen sehnen. „Früher war ich der Kasper, der Klassenclown – ich habe schon Lust auf eine gute Komödie.“
Abonniert auf abgründige Typen
Gleichwohl wolle er sich nicht beschweren, dass er aktuell im Charakterfach feststecke und für abgründige Typen statt für seichte Rollen angefragt werde, „schließlich wollte ich da ja hin. Und immerhin darf ich neben Martina Gedeck einen sympathischen Jugendrichter spielen“, sagt er augenzwinkernd zu dem Film „Das Ende der Geduld“, der am 19. November im Ersten zu sehen sein wird. Während es dabei um Erlebnisse in einem sozialen Brennpunkt Berlins – basierend auf dem Bestseller der Jugendrichterin Kirsten Heisig – geht, entwickelt Hartmann quasi im stillen Kämmerlein lustige Ideen.
Beispiel: In Anlehnung an die Tatort-Folge „Mein Revier“ hat er einen eigenen Werbespot vor Augen: „Im Parka von Peter Faber gehe ich über Autos, schlage auf alle mit dem Baseball-Schläger ein. Bei einem Modell höre ich dann auf und fahre zufrieden mit dem davon. . .“
Zurück in die Realität. Die führte Hartmann etwa im Mai mit offiziellem Auftrag in seine Heimat Herdecke, wo er die 275-Jahr-Feier der Stadt moderierte. Seinen Lebensmittelpunkt hat er in Potsdam und Berlin gefunden, auch wenn er mit dem Menschenschlag dort ab und an noch fremdelt.
Die Schattenseite des Promi-Daseins lernte er Ende 2013 kennen, als die Trennung von seiner Ehefrau publik wurde. „In verschiedenen Blättern wurde eine ganze Menge Blödsinn geschrieben. Aber es ist ja sinnlos, sich dagegen aufzulehnen.“
Dabei sieht er sich schon in einer privilegierten Position. Die Schauspielerei will er nicht als Arbeit bezeichnen. Selbst dann nicht, wenn eine Rolle anstrengend sei, wenn er tief in eine Figur eintauche. „Wir haben ja keinen offiziellen Dienstschluss wie andere, der Beruf hört nie abrupt auf. Zum Glück kann ich im Vergleich zu früher mittlerweile besser abschalten.“
Nazi-Problem in Dortmund
Bewusst sei der Dortmunder Tatort-Kommissar als sperriger Typ in den ersten vier Krimis angelegt worden. Wobei die Abgründe des Ermittlers in der nächsten Folge „Hydra“ (ARD-Sendetermin laut WDR am 11. Januar, Vorab-Premiere am 15. November beim Kinofestival in Lünen) in den Hintergrund treten. Dann geht es um das Nazi-Problem in Dortmund. Das Thema sei in dem Fall wichtiger als die handelnden Schauspieler, „und wir wollen ja auch nicht jedes Mal so eine Psycho-Nummer abziehen wie beim letzten Mal.“ In „Auf ewig Dein“ lieferte er sich erinnerlich ein intensives Dialog-Duell auf dem Dach eines Hochhauses.
Hartmann sieht in der Faber-Figur viel Entwicklungspotenzial, da sich dieser schwierige Mensch ja auch nach etwas Normalität sehne. So lange dieser Charakter nicht mutlos gezeichnet werde, stellt sich der Herdecker auf eine längere Zeit mit dem Dortmunder Ermittler und auch mit Stasi-Offizier Kupfer ein. „Aber ewig werde ich die beiden Rollen nicht spielen.“