Wetter/Herdecke. Traurig wegen einer Herzensangelegenheit: Geschäftsführer Stefan Tigges erläutert das Aus für die Ruhrtalbahn. Er will nun Bustouren ausweiten.
Das Aus für die nostalgischen Eisenbahnfahrten mit der Ruhrtalbahn haben viele in der vergangenen Woche enttäuscht zur Kenntnis genommen. Geschäftsführer Stefan Tigges, der die gleichnamige GmbH vor 15 Jahren gegründet und nun traurig die Betriebseinstellung verkündet hat, blickt im Interview auf die Entwicklungen zurück und gibt Einblicke in seine Zukunftsplanungen.
Welche Reaktionen erhielten Sie nach der Verkündung der Betriebseinstellung am 4. Juli?
Stefan Tigges Es gab viele Beileids-Bekundungen und auch lockere Unterstützungsangebote über Spenden. Das geschah aber fast immer unverbindlich, eine hilfreiche fünfstellige Summe bot aber niemand an. Unsere treuen Stammkunden haben uns mitgeteilt, wie gerne sie mit uns unterwegs waren. Ein Vater etwa stieg so gut wie jedes Wochenende mit seinem autistischen Sohn in die Ruhrtalbahn ein, sie haben es sehr genossen. Wir haben uns bundesweit einen guten Ruf erarbeitet, zumal wir laut Einschätzung eines Eisenbahnfachmagazins auch eine der zehn schönsten Strecken Europas abgefahren sind. Wir hatten in all der Zeit nie einen Unfall und haben mit unserem Angebot dem Ennepe-Ruhr-Kreis viel positives Marketing beschert.
Haben Sie selbst Fehler gemacht, musste es zu dieser bedauernswerten Entscheidung kommen?
Wie das im Leben so ist, machen alle schon mal kleine Fehler, ich auch. Grundsätzlich meine ich, dass wir über 15 Jahre eine gute Leistung angeboten haben. Das lässt sich daran erkennen, dass wir zu Beginn 230.000 Euro Zuschüsse bekamen, zuletzt nur noch 165.000 Euro vom EN-Kreis und der Stadt Hagen. Wir haben in all der Zeit viel Energie etwa in unsere Werkstatt gesteckt oder uns um Energiefragen gekümmert, während vieles – beispielsweise die Trassengebühren – teurer wurden. Mein größter Fehler war, dass ich zuletzt zu optimistisch in das Ausschreibungsverfahren gegangen bin. Da hoffte ich noch, dass wir stabil mit unserem alten Schienenbus fahren könnten. Es hätte aber auch ein Ersatzkonzept geben müssen. Aber 50-prozentige Zusatzkosten wären nicht vermittelbar gewesen.
Einer der Hauptgründe für die Betriebseinstellung betrifft das Geld.
Ich hätte auch früher deutlicher sagen müssen, dass die Finanzmittel nicht reichen. Wobei ich betonen möchte, dass das Scheitern nicht auf mangelnde Unterstützung des EN-Kreises oder aus Hagen zurückzuführen ist. Es geht um eine deutschlandweite Entwicklung: Die Verkehrspolitik bevorzugt die Straße deutlich mehr als die Schiene. Ich kritisiere einen bürokratischen Wahnsinn für nostalgische Eisenbahnfahrten, wir werden behandelt wie die Deutsche Bahn oder National Express. Dieses strukturelle Problem müsste gelöst werden. Auf dem Papier finden alle solche gemütlichen Ausflüge gut, aber eigentlich ist es nicht gewollt. Früher gab es mal zehn Anbieter im Ruhrgebiet, heute sind es mit dem Eisenbahnmuseum in Bochum-Dahlhausen oder mit dem Reviersprinter in Herten nur noch zwei. Ein Blick ins Sauerland: Auch die Hönnetalbahn hat ihren Betrieb eingestellt. Und ich darf daran erinnern, dass sich auf die Ausschreibung für Fahrten hier im Ruhrtal ein einziger Anbieter gemeldet hat, nämlich wir.
Immer wieder gab es in der Vergangenheit Probleme, als Fahrten ausfielen oder etwa die Teckel-Linie brach lag. Handelte es sich also um einen schleichenden Prozess bis zur Betriebseinstellung?
Wir haben 2005 mit einer Finanzierung seitens des Kreises und der Städte begonnen. Das war außergewöhnlich und aus heutiger Sicht auch nicht richtig. Denn eigentlich müsste der, der das Geld für die Benutzung der Strecke von uns erhält, also die Deutsche Bahn bzw. der Bund, da miteingebunden werden. Unser Modell mit der Beteiligung des Kreises und Hagens war eine handgestrickte Notlösung. Von anderer Seite gab es kein Interesse an unserem Verkehrsangebot. geschweige denn an einer Finanzierung. Wenn aber auf Autobahnen was gemacht werden muss, dann stehen immer Mittel bereit...
Und dann gab es ja Ende 2017 noch den Bruch mit dem bis dato kooperierenden Eisenbahnmuseum...
Rückblickend war es ein Riesenfehler, dieses Erfolgsmodell auseinander zu reißen. Das war eine kapitale Fehleinschätzung von verschiedenen Seiten, nachdem die Zusammenarbeit 13 Jahre vernünftig funktioniert hat. Ob das Museum nun die Fahrten ausweiten kann, vermag ich nicht zu beurteilen. Übrigens könnten theoretisch auch wir weiter fahren, wenn man uns mit anderen Mitteln ausstatten würde. Wobei wir auch bezüglich unserer Werkstatt in Hagen-Vorhalle nie eine vertragliche Planungssicherheit hatten.
Bei den Planungen zur Internationalen Gartenausstellung 2027 taucht im Konzept auch eine Aufwertung der Ruhrtalbahn auf. Waren Sie darüber im Bilde?
Ja, das war eine interessante Zukunftsoption, die bei der momentanen Finanzierung aber nicht realisierbar gewesen wäre. Eine Ausweitung der Fahrten, zum Beispiel durch Taktverdichtungen am Wochenende, wäre zudem auch wegen der Infrastruktur nicht möglich. Hier hätte zuerst richtig in die Infrastruktur investiert werden müssen.
Gibt es noch ein Hintertürchen für eine Fortsetzung der Fahrten?
Aus meiner Sicht ist es sehr schwer, ein vergleichbares Projekt wie die Ruhrtalbahn neu aufzubauen. Einfacher wäre es, Bestehendes zu erhalten. Ersatzweise einen weiteren Schienenbus zu beschaffen, ist ausgesprochen schwierig. Der kostet ebenfalls viel Geld, dazu kämen ja auch hier Instandhaltungen, etwa Vorrichtungen zur Signalbeachtung oder Bremsprüfungen von Fachfirmen, und natürlich die Versicherungen. Insgesamt wird es immer schwieriger, nostalgische Zugfahrten durchzuführen. Heutzutage kennt sich kaum noch jemand mit unserem alten Schienenbus aus den 1960-er Jahren aus, viele Fachleute von der Deutschen Bahn sind im Ruhestand, das Know-how geht verloren. Konkret müssen wir zeitnah mit dem Kreis und Hagen sprechen, da wir vertragsgemäß Geld für den Betrieb bekommen und dafür ja auch Leistungen erbracht haben, auch wenn wir 2019 nicht im vereinbarten Maße gefahren sind. Ich gehe davon aus, dass wir bei etwaigen Rückzahlungen eine Einigung finden werden.
Ein Blick in die Zukunft: Wie geht es jetzt weiter?
Als Kind des Ruhrgebiets darf ich abschließend sagen, dass ich an einer Fortsetzung der nostalgischen Eisenbahnfahrten hier interessiert bin. Der Markenname Ruhrtalbahn soll nicht verschwinden, vielleicht kann man Leistungen einkaufen. Ich habe mich ohnehin immer eher als Vermarkter und nicht so sehr als Betreiber gesehen. Ich fahre zunächst in Urlaub, vielleicht fallen mir da neue Ideen ein. Geplant ist zudem, unsere Stadtrundfahrten auch im EN-Kreis auszuweiten.