Herdecke. . Pumpspeicherkraftwerke in Herdecke und Vianden/Luxemburg haben am 10. Januar geholfen, einen Frequenzabfall im europäischen Stromnetz abzufedern.

Es hat kaum jemand mitbekommen, dass Europa am Abend des 10. Januar nur knapp einem großflächigen Stromausfall entgangen zu sein scheint. Was diese Meldung im Lokalteil zu suchen hat? Nach Angaben von RWE verhinderten die Pumpspeicherkraftwerke in Herdecke und im luxemburgischen Vianden gemeinsam Schlimmeres.

Herdecker wissen, dass die 1989 in Betrieb genommene Anlage als Nachfolgerin des denkmalgeschützten Koepchenwerks Stromengpässe ausgleichen kann – und zwar wegen der schnellen Verfügbarkeit. Das sollte von großer Bedeutung sein, als am Abend des 10. Januar unvermittelt Turbinen in Herdecke und Vianden M11 anlaufen. In der RWE-Leitwarte in Essen, wo Mitarbeiter die Maschinen am hiesigen Hengsteysee steuern können, beginnt die Ursachenforschung, da niemand „einen falschen Knopf gedrückt“ habe. Der Grund: „Sicherheits-Relais haben an beiden Standorten automatisch ausgelöst, weil die Frequenz im europäischen Stromnetz um 21.02 Uhr abrupt unter 49,8 Hertz gesunken ist“, teilt der Konzern nun mit. Im europäischen Übertragungsnetz werde wohl zu jener Zeit deutlich mehr Strom verbraucht als eingespeist.

Außerordentlicher Frequenzabfall

Laut RWE ist ein Frequenzabfall um 200 Hertz (mHz) kein Pappenstiel. Der europäische Standardwert liegt bei 50 Hertz. Zur Verdeutlichung: Werde ein 1.300-Megawatt-Kraftwerksblock plötzlich vom Netz getrennt, sinkt die Netzfrequenz um rund 40 mHz. Das Ereignis an jenem Donnerstag, 10. Januar, sei fünfmal so groß gewesen.

Dann komme es auf Schnelligkeit an: Eine zu geringe Netzfrequenz gefährde Abläufe in Kraftwerken, Präzisionsmaschinen in der Industrie und letztlich die Stabilität des Gesamtnetzes. „Rutscht die Frequenz weiter ab, müssten Generatoren vom Netz getrennt werden, um schwere Schäden zu verhindern. Das europäische Stromnetz käme ins Wanken. Ohne Gegenmaßnahmen droht im schlimmsten Fall der Blackout“, heißt es weiter.

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Doch dazu sei es dank der Pumpspeicherkraftwerke nicht gekommen. Beispiel Herdecke: Der große Kugelschieber (Innendurchmesser 3,30 Meter) lasse sich in weniger als einer Minute öffnen, Sekunden später ist die Turbine laut RWE mit dem Netz synchronisiert. Das Regelsignal des Netzbetreibers fahre die Turbine zunächst auf 50 Megawatt Leistung. Das reiche noch nicht, um das Netz zu stabilisieren. Also die Leistung steigern. „Herdecke ist in nur 37 Sekunden bei 145 Megawatt. In diesem Zustand schießen ca. 100.000 Liter pro Sekunde vom Oberbecken in die Pumpturbine. Nach etwa 15 Minuten ist die Netzfrequenz stabilisiert“, schreibt der Energiekonzern.

Internationale Medien berichten in den Folgetagen, dass zu diesem Zeitpunkt industrielle Großverbraucher im französischen Netz auf Aufforderung des Übertragungsnetzbetreibers RTE aus Frankreich rund 1.500 MW Last abwerfen. Der rasche Lastabwurf im Nachbarland habe in Kombination mit der raschen Einspeisung aus Herdecke und Vianden den gewünschten Effekt erzeugt. Gegen 22.30 Uhr habe die Netzfrequenz am 10. Januar wieder bei 50 Hertz gelegen. Die Suche nach den Ursachen des plötzlichen Abfalls laufe seitdem europaweit.

„Schon heute lässt sich sicher sagen, dass Herdecke und Vianden einen wichtigen Beitrag in dieser sehr untypischen Situation des Übertragungsnetzes geleistet haben“, sagt Ludwig Kons, Leiter der Sparte Wasserkraftwerke der RWE Power. „Derzeit können nur Pumpspeicherwerke derart schnell und flexibel Strom bereitstellen. Wenn es überhaupt eines Beweises bedurfte, wie wichtig Pumpspeicherkraftwerke und die Arbeit unserer Kollegen in den Pumpspeicherwerken für die Netzstabilität und damit für Versorgungssicherheit sind, wurde der nun eindrucksvoll erbracht.“