Wetter. . Viel zu tun: Till Deipenwisch leitet seit 2016 als Direktor das Amtsgericht Wetter plus Jugendarrest für Mädchen. Der ist im Sommer voll besetzt.
- Einzige Einrichtung in Nordrhein-Westfalen für junge Frauen und Mädchen
- In den Sommerferien sind die Zellen voll belegt
- Sanierungsarbeiten im Keller stehen an
Im vergangenen Jahr übernahm Till Deipenwisch als Direktor die Leitung des Amtsgerichts Wetter und der dort angesiedelten Arrestanstalt für junge Frauen. Zeit für ein erstes Zwischenfazit und ein Gespräch über die momentane Situation, über Herausforderungen und auch über Perspektiven.
Zum ersten Mal verschlug es Till Deipenwisch Ende 2004 als Proberichter mit einer halben Stelle zum Amtsgericht Wetter. Dort war er für ein Jahr unter anderem für Jugendstrafsachen und Zivilrecht zuständig. „Es hat mir damals schon gut gefallen“, erinnert er sich. Aber er habe sich nicht näher mit diesem Gericht befasst, da zu dem Zeitpunkt keine Stelle frei gewesen sei.
Dass er hier mal zum Direktor ernannt werden würde, konnte er sich damals nicht vorstellen. Und doch scheint es genau das Richtige für den 43-Jährigen zu sein. Das Klima im Haus bezeichnet er kurz und knapp als super und verweist auf einen „Top-Standort“ mit einer sehr guten Infrastruktur, genügend Parkmöglichkeiten, der Nähe zum Wasser sowie der Chance, schnell überall zu sein. Vorteil einer kleinen Behörde sei es, nah an den Menschen zu sein. „Es ist einfach familiärer.“ Deipenwisch fühlt sich wohl und bringt das mit einem Lächeln und wenigen Worten zum Ausdruck: „Alles richtig gemacht.“
Bedauern über Potthast-Abschied
Veränderungen gehören sicherlich zum Alltagsgeschäft als Direktor und Anstaltsleiter – gleichgültig, ob sie eher negativ oder positiv zu bewerten sind. Den Wechsel von Amtsrichter Christian Potthast an das Hagener Landgericht bezeichnet er mit deutlichem Bedauern als großen Einschnitt. Indes zeigt sich Deipenwisch erfreut darüber, dass die vierte Wachtmeisterstelle ab Herbst wieder besetzt wird. Zudem zollt er „seinen“ langjährigen Wachtmeistern Respekt dafür, die Aufgaben über Monate als Trio gestemmt zu haben. Denn: „Das ist natürlich der Knotenpunkt hier im Haus. Alles kommt über sie rein, alles geht über sie raus. Das ist schon so etwas wie die Schaltzentrale.“
Mit der Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs steht ab Januar 2018 die nächste Neuerung an. „Das ist der Anfang vom Ende der Papierakte – schon eine große Veränderung, aber zeitgemäß“, so Deipenwisch. Als logische Konsequenz folge dem dann die elektronische Akte.
Auffälligkeiten in den verschiedenen Dezernaten kann der Direktor nicht ausmachen, wohl jedoch leichte Tendenzen. Bei den Familiensachen seien die Prozesszahlen etwas angestiegen. Dagegen gingen Zivil- und Strafsachen sowie Ordnungswidrigkeiten leicht zurück.
Eine andere Zunahme beschert dem Gericht Ärger und zusätzliche Arbeit: das Fernbleiben von Prozessbeteiligten und Zeugen. Das Benehmen der Erschienenen bereitet allerdings seltener Schwierigkeiten. Wenn, handele es sich meistens um altbekannte Problemfälle. Und darauf könne sich das Gericht einstellen. „Wie überall im Leben gibt es halt Leute, die sich nicht so ganz gut benehmen können. Aber im Großen und Ganzen haben wir da nicht so die Probleme.“
Schreckschusspistole mitgebracht
Vielmehr seien es Prozessbeteiligte mit unvollständigen Unterlagen oder mangelnden Sprachkenntnissen, die sich als ungewollte Problemfälle erwiesen. Und manchmal fallen auch die Mitbringsel von Besuchern auf, was bereits in der Kontrolle im Eingangsbereich für Aufmerken sorgt: vom Schälmesser über den Schraubenzieher bis hin zur ungeladenen Schreckschusspistole. Deipenwisch bringt es auf den Punkt: „Die Eingangsschleuse hat sich schon bewährt.“
Eine wichtige Aufgabe stellt auch die Arrestanstalt für junge Frauen dar, die wegen der Sommerferien, in der die Mädchen keine Schule verpassen, voll belegt ist. Hier nennt der Leiter einige interessante Zahlen. 56 Prozent der Mädchen, die im Schnitt 17,6 Jahre alt sind, befinden sich im Jugendarrest, weil sie eine Auflage wie etwa Sozialstunden nicht erfüllt haben. Die restlichen 44 Prozent sind dort in vielen Fällen wegen Diebstahls, aber auch wegen Gewaltdelikten oder wegen Betrugs. Rund 40 Prozent der Mädchen werden nicht nur einmal in Wetter eingesperrt, sondern mehrfach. Viele aber kommen demnach bereits weinend hier an und sagen: „Hier möchte ich nie wieder rein.“ 2016 verbüßten 40 Prozent aller jungen Frauen hier einen Kurz- oder Freizeitarrest von zwei bis vier Tagen. Bei den übrigen Mädchen galt ein Dauerarrest von bis zu vier Wochen.
Langeweile kommt also an der Gustav-Vorsteher-Straße nicht auf, zumal auch noch zwei größere Projekte geplant sind. Im Keller des Amtsgerichts und der Anstalt stehen Sanierungsarbeiten wegen Feuchtigkeit an. Auch soll das Dachgeschoss der Anstalt ausgebaut werden, um weitere Büroräume zu schaffen.
Zudem äußert Till Deipenwisch noch einen Wunsch. Und zwar lächelnd mit einem Augenzwinkern und ganz gewiss nicht ernst gemeint: eine Dachterrasse über dem Parkplatz – „natürlich für eine aktive Mittagspause“.