Es kracht, wenn im automatisierten Verfahren eine Stahlstange auf der anderen landet. In einer anderen Halle ist ein Tackern zu hören, wenn eine Maschine geformte Steinchen im Sekundentakt ausspuckt. Zum Summen der Geräte gesellen sich manchmal noch hohe Temperaturen und Stapler-Verkehr. Kurz: Ein Rundgang durch die Edelstahlzieherei Mark (EZM) in Wengern fordert mehrere Sinne.
21 Leser erhielten bei der zweiten Sommertour 2017 der Lokalredaktion einen Einblick in die Welt des Drahtziehens und der Stahlverformungen. Der technische Geschäftsführer Ralf Schneider führte die Gruppe rund eineinhalb Stunden durch einige Hallen und erläuterte – unterstützt von weiteren Mitarbeitern – den Produktionsprozess.
Die Stahlverarbeiter von EZM verteilen sich auf zwei Fertigungs-Sektoren, die Drahtzieherei und den Maschinenbau. Zu den Kunden gehören große Namen aus der Automobilbranche, die die Produkte für ABS, Karosserie, Kugelbolzen oder Dieseleinspritzpumpen anfordern. Geformte Drähte aus Wengern tauchen aber auch in Kettensägen oder in der Medizintechnik auf. Dafür liefert das Unternehmen rostbeständiges Material – laut Schneider immer mehr Titan – für Implantate, Knochenplatten oder Bohrdrähte. Nicht zu vergessen der Sechs-Kant-Inbusschlüssel, von dem die Edelstahlzieherei rund 1200 Tonnen im Jahr herstellt. Große Sportfirmen wie Nike oder Adidas fragen nach Erzeugnissen der Textilfärbemaschinen. „Das ist Hightech und wie eine Waschmaschine, nur 20 Mal teurer“, erläutert Schneider.
Das Drahtziehen
Im Vergleich zum Maschinenbau ist der Draht-Umsatz zehn Mal höher. „Das kalte Umformen des Drahtes läuft im Prinzip wie beim Spritzgebäck“, so Schneider. EZM ziehe den Stahl zunächst mehrere Male in die Länge, um diesen dann in Form zu bringen. „Wie bei einer Büroklammer kann dieser Werkstoff aber brechen, also müssen wir während der Kaltverformungen den Stahl auch mal in den Ofen stecken und das Material bei Temperaturen von 600 bis 1000 Grad weich machen“, berichtet der Geschäftsführer. Im vierteiligen Prozess erhält der Draht dann noch ein Säurebad, ehe er abschließend wieder gezogen wird. Für die Profilierung ist ein so genannter Ziehstein unverzichtbar.
Der Prozess
Solch ein Prozess mit kilometerlangem Draht kann vier bis fünf Monate dauern. Unter Einbeziehung der Werkstoff-Lieferung benötigt EZM fast ein Jahr bis zur Auslieferung der passgenauen Produkte. Das erfordere, so fragte es ein Leser, erhebliche Vorfinanzierungen, biete andererseits aber auch Planungssicherheit für die nahe Zukunft. „Auch wenn unsere Kernkompetenz Draht ist, werden wir immer mehr zum Weiterverarbeiter“, sagt der technische EZM-Geschäftsführer beim Anblick der vielen Nutensteinchen, die im Sekunden-Takt in geschnittener Form in einem Behälter landen. Für die Möbel- und Beschlagindustrie (Scharniere, Türbeschläge oder -griffe) saust ein Kolben mit 40 km/h auf den Stahl und sorgt für einen sauberen Schnitt.
Die Arbeitsplätze
Meist im Drei-Schicht-Betrieb sind die 260 Mitarbeiter der vier Unternehmen am Standort Wengern aktiv. Angesichts der guten Auftragslage sucht das Unternehmen nach 30 zusätzlichen Einstellungen in diesem Jahr weitere Kräfte. Der Lohn richtet sich nach dem IG-Metall-Tarif, für manch einen gibt es auch Zulagen. Ein Mitarbeiter aus der Maschinenbau-Abteilung etwa muss in Ofenrohren Spiralformen anbringen bzw. schweißen, damit in der Trommel Rohlinge aus Münzen vorbehandelt werden können. Schneider: „Darin wird es schon mal richtig heiß.“
Das Material und die Kunden
Den Werkstoff bezieht EZM aus ganz Europa. „Bei chinesischem Stahl ist Vorsicht geboten“, sagt Schneider. Nach der Verformung in Wengern geht wiederum viel in den Export, vor allem nach Indien und China. „Der Markt dort boomt weiter“, so Schneider. Meist erfolgen die Lieferungen per Schiff, bei eiligen Anfragen können die eigens hergestellten Kisten auch per Flugzeug transportiert werden. „Dann sind die Kosten höher, das müssen wir über den Auftrag ‘reinholen.“
Das Gelände
Die Werkshallen stehen 800 Meter entlang der Bahnschienen auf einem zwölf Hektar großen Gebiet. Neben der Produktion sind dort auch Verwaltung, Vertrieb, Verkauf und Qualitätsmanagement beheimatet. „Angesichts hoher Standards für Industrieabfälle oder zu Immissionen können wir verschiedene Zertifikate vorweisen“, so Schneider.
Die Logistik
Vor knapp zehn Jahren baute EZM das eigene Eisenbahngleis an den Bahnschienen ab, das zuvor schon zwei Jahrzehnte brach lag. „Über die Straße sind Transporte einfach günstiger“, sagt Schneider.
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