Herdecke. . Am liebsten isst sie Herrentorte, wie sie seit jeher im Café Wenning gebacken wird. Diese Empfehlung gibt Hannelore Grosser nun ein letztes Mal.

  • Nach 48 Jahren verlässt Hannelore Grosser ihren Arbeitsplatz hinter der Kuchentheke
  • Die 63-Jährige hat im Café Wenning als Lehrmädchen begonnen
  • Torten und Kuchen waren schon immer ihre Leidenschaft

Die Torten im Schaufenster von Café Wenning hat Hannelore Grosser als Kind schon immer bewundert, wenn sich die Familie von Eckesey aus zur Sonntagswanderung um den See aufmachte. „Da müsste ich mal hin“, hat die Hagenerin damals gedacht. Aus dem „mal hin“ sind 48 Jahre geworden. Mit 15 hat Hannelore Grosser als Lehrmädchen begonnen, mit 63 wird sie am Montag ein letztes Mal Herrentorte, Sylter Pflaume oder Lübecker Nuss-Sahne über die Theke reichen.

Backen gehört nicht zu den Talenten

„So richtig wusste ich damals gar nicht, was ich werden soll“, erinnert sich die Fast-Rentnerin. Und beworben hat sie sich auch für die Backstube. Die Ausbildungsstelle war allerdings schon besetzt, also landete Hannelore Grosser im Verkauf. Ein Glück, wie auch ihr Chef Guido Behrens sagt. „Manchmal gibt es eine Fügung.“ Denn mit dem Backen hat es Hannelore Grosser gar nicht so. „Wenn ich vier oder fünf Rührkuchen in meinem Leben gebacken habe, dann ist das viel“, sagt sie. Kuchen essen, das tut die 63-Jährige dagegen noch heute gern. Und damit ist sie natürlich die Expertin, wenn es darum geht, den Kunden im Café die Torten schmackhaft zu machen. Herrentorte kann sie dabei als ihren absoluten Favoriten wärmsten empfehlen. Doch dann zählt sie noch die Nuss-Sahne auf und Aida-Torte und Apfel und ...

Schon als Schülerin Kuchen genascht

Als Schülerin hat Hannelore Grosser schon ihr Taschengeld in Kuchen der Bäckerei Thiemann in Hagen investiert. Und der Job als Konditoreifachverkäuferin brachte mit sich, dass die Versuchung nach Süßem auch bei der Arbeit immer befriedigt werden konnte. Die süße Leidenschaft sieht man der agilen Verkäuferin nicht an. Kein Wunder, denn auch hinter der Theke bleiben die Damen bei Wenning immer in Bewegung. Noch mehr Laufarbeit ist dagegen der Service, in dem Hannelore Grosser in den ersten 25 Jahren ihres Berufslebens aktiv war. Wie viele Schuhe sie dabei durchgelaufen hat, weiß sie nicht mehr. „Reichlich“, sagt sie und schmunzelt. „Und es waren immer bequeme Schuhe, Modisches hätte nicht funktioniert.“

Käufer stehen in Doppelreihe

Zurück zur Kuchentheke, vor der sich vor allem am Wochenende die Käufer in Doppelreihe drängeln. Eine frische Erdbeer-Torte wird gerade aus der Backstube hereingetragen. Das bleibt aber auch das einzige Rot an diesem Vormittag. Himbeerschiffchen oder vielleicht Himbeertorte? Fehlanzeige. „Die müssen Sie vorbestellen“, sagt Hannelore Grosser einen Satz, den sie ihn ihrem Arbeitsleben ungezählte Male wiederholt hat. Ebenso wie die Zutaten der unterschiedlichen Torten. „Da haben selbst Stammkunden immer wieder gefragt“, erinnert sie sich. In den letzten Jahren sind dazu auch noch immer mehr auswärtige Gäste gekommen. „Und denen muss man die gesamte Theke von A bis Z erläutern“, fügt Guido Behrens hinzu.

Fragen nach Allergenen

Behrens hat das Herdecker Traditionscafé 2005 gemeinsam mit seiner Frau Claudia übernommen. Und damit auch einen Großteil der Rezepte. Dennoch musste sich Hannelore Grosser in den vergangenen Jahren immer wieder neu mit den Zutaten befassen. Denn bei den Fragen der Kunden geht es nicht mehr nur darum, ob Sahne oder Buttercreme zwischen den Bisquit-Böden steckt, sondern es wird nach Gluten, Lactose und Nüssen gefragt. „Unverträglichkeiten und Allergien sind immer mehr ein Thema“, sagt Hannelore Grosser, die natürlich auch bei diesen Fragen fachkundig berät. Und dennoch geht es ihr mehr um den Geschmack. Zum Beispiel, den vom Torf. Das ist einer der Kuchen, der schon bei ihrem Lehrherren Walter Richard in der Theke stand. Dunkler Bisquitteig mit Vanille-Pudding gefüllt, der in echtem Kakao-Pulver und Zucker gewälzt wird. „Torf isst man am besten mit ein bisschen Sahne“, empfiehlt Hannelore Grosser. Und das am Montag zum letzten Mal.

>> Hintergrund: Lange Café-Tradition

  • Gegründet wurde Café Wenning von Heinrich und Maria Wenning. Nach dem Tod ihres Mannes heiratete Maria Wenning Walter Richard, der das Café weiter führte.
  • Tochter Birgit Wenning übernahm das Café gemeinsam mit ihrem Mann Gerd Jeskowiak. 2005 übergaben sie das Geschäft an Claudia und Guido Behrens.
  • Das Ehepaar Behrens hatte zuvor in Wetter ein eigenes Café an der Kreuzung Kaiserstraße/Friedrichstraße über dem ehemaligen Aldi betrieben.