Herdecke. . Unterwegs mit Ilka Biegota vom Ordnungsamt Herdecke: Viele Jugendliche feiern in der Maiwoche am Ruhrufer. Mit reichlich Alkohol und Abfall.

Stimmen, überall Stimmen. Mal lauter, mal lallend. Auch Musik ist zu hören. Eine Flasche fällt klirrend zu Boden. Stockdunkel ist es am Herdecker Ruhrufer. Gelegentlich spendet ein Handy Licht, auch Leuchtstäbe sind zu sehen. Zwischen dem Freibad und der Brücke haben sich einzelne Gruppen an Tischen, Bänken und Aufgängen hingesetzt. Und dann die große Masse: Auf der Bleichsteinwiese treffen sich wieder zahllose Jugendliche. Dass parallel die Maiwoche stattfindet, ist vielen egal. Sie feiern ihre eigene Freiluft-Party. Ausgiebig. Alkohol fließt ähnlich schnell wie ein paar Meter weiter die Strömung des Flusses.

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Der Reporter begleitet Ilka Biegota bei ihrem Rundgang. Die Leiterin des Ordnungsamtes hat sich um 20 Uhr mit ihren städtischen Kollegen und anderen Einsatzkräften für die kommenden Stunden abgestimmt. „Dass sich so viele Jugendliche am Ruhrufer treffen, das wollen wir eigentlich nicht, können es aber auch nicht verhindern“, so Biegota.

Bis 1 Uhr nachts hat sie nun Dienst, je nach Lage der Dinge auch länger. 18 Polizisten aus dem gesamten EN-Kreis (darunter einige in Zivilkleidung), jeweils fünf Mitarbeiter eines externen Sicherheitsdienstes und vom städtischen Ordnungsamt sowie vier Kollegen vom Jugendamt sind unterwegs, um die Eskapaden in Grenzen zu halten oder als Ansprechpartner behilflich zu sein. Das Spektrum reicht von Ausweiskontrollen und Platzverweisen bis hin zu Strafanzeigen wegen Körperverletzung. „Es ist für uns eine anstrengende Zeit. Aber wenn das Wetter und die Jugendlichen mitspielen, ist es okay.“

Gute Geschäfte für Getränkemarkt

Während sich Biegota und Co. mit Kaffee fit halten, bringen sich die Jugendlichen mit Alkohol in Stimmung. Um 21.45 Uhr ist an der Kasse des Getränkemarktes am Zweibrücker Hof noch eine lange Schlange zu sehen. „Viele gehen gar nicht auf die Maiwoche, die bietet nur den Anlass für das große Treffen am Bleichstein. Das hat sich über die Jahre entwickelt“, erzählt Biegota, die seit 2008 im Ordnungsamt arbeitet und an diesem Abend schon Hochprozentiges von Minderjährigen weggeschüttet hat. Nahe der Ruhrbrücke zünden sich Gestalten in der Dunkelheit etwas an, es riecht nach Haschisch. „Bisher ist die Lage ganz entspannt, es war schon mal schlimmer.“

Maiwochen-Rundgang mit dem Ordnungsamt: Leiterin Ilka Biegota in dem Zelt, das am Bleichstein für betrunkene oder verletzte Jugendliche steht.
Maiwochen-Rundgang mit dem Ordnungsamt: Leiterin Ilka Biegota in dem Zelt, das am Bleichstein für betrunkene oder verletzte Jugendliche steht. © WP

Biegota und Co. sind in Teams unterwegs, wegen des Eigenschutzes nie allein. Mittlerweile ist das THW am Bleichstein-Kleinspielfeld eingetroffen. Wichtiges Utensil: ein Mast mit Scheinwerfer, um Situationen oder auffällige Jugendliche auf der Wiese und auf dem Spielplatz gegenüber erkennen zu können. Drei- bis viermal leuchtet das THW erfahrungsgemäß die Fläche aus. Denn für die Kontrollgänge begeben sich die Ordnungshüter hinein in die Menge. „Das ist nicht immer angenehm, wobei mir noch nie etwas Schlimmes passiert ist. Wir wollen aber verhindern, dass sich etwas anbahnt oder es eskaliert“, sagt Biegota. Je später der Abend, desto aggressiver die Stimmung. Manche seien zunächst widerspenstig, ber uhigten sich aber auch schnell. „Angst hatte ich noch nie.“

An diesem Abend ist rund um die Tischtennisplatten am Freibad-Zaun vergleichsweise wenig los. Der Bleichsteinrasen ist „nur“ zu einem Viertel gefüllt, in Hochzeiten ist fast die gesamte Wiese besetzt. Geschätzt 800 bis 900 Jugendliche sind es dann.

Für die Betrunkenen oder Verletzten nach Prügeleien haben das Deutsche Rote Kreuz und THW unterhalb der Hengsteysee­straße ein Zelt mit Liegen aufgebaut. „Das dient zur Zwischenablage und hat sich 2015 bewährt, als hier mehrere Verletzte versorgt wurden“, berichtet Biegota. Mal geht es ins Krankenhaus, mal müssen Eltern ihre Kinder abholen.

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Das Klientel reicht von Zwölfjährigen bis zu jungen Erwachsenen. Die große Mehrheit sind Schüler, sie kommen nicht nur aus Herdecke, sondern auch aus Dortmund, Hagen, Wetter und darüber hinaus. Sie verabreden sich über soziale Netzwerke wie Facebook. „Dort waren jetzt auch unsere Absperrungen hier am Bleichstein ein Thema“, so die Ordnungsamt-Leiterin. Dadurch könnten die Rettungssanitäter ruhiger arbeiten.

Die waren während der Maiwoche 2015 und vor allem beim Abschlussfeuerwerk am Bleichstein stark gefordert. „Wegen des Sicherheitsabstandes waren Ordnungskräfte fast eineinhalb Stunden damit beschäftigt, die jungen Leute zurückzudrängen. Es flogen Flaschen und Böller, dazu wurde Pyrotechnik angezündet. Das war grenzwertig“, erinnert sich Biegota. Und ein wesentlicher Grund, warum es das Feuerwerk nun nicht mehr gibt.

Sicherheitskonzept

Im dritten Jahr nun setzen die Ordnungshüter das eigens für die Maiwoche entwickelte Sicherheitskonzept um. Das wird eigentlich erst bei Veranstaltungen mit 5000 Besuchern aufwärts nötig, doch dient diese jeweils aktualisierte Gefährdungsmatrix auch in Herdecke der Abstimmung für den Fall x. Geregelt sind auf knapp 25 Seiten Flucht- sowie Rettungswege, Publikumssteuerung, Sanitätseinsätze, Kommunikationsabläufe und mehr.

Es ist 23 Uhr. Ein Polizeiauto fährt patrouillierend über den Fuß- und Radweg. Ein junger Mann fragt zwei Ordnungskräfte: „Wo geht es hier zum Hauptbahnhof?“ Am Bleichstein ist immer weniger los. Aus den Stimmen sind hier und da Schreie geworden, einige können sich nur noch mit Hilfe auf den Beinen halten. Biegotas Bilanz tags darauf: „Nur das Übliche wie vereinzelte Schlägereien, Schnittverletzungen und Krankenhaus-Transporte alkoholisierter Jugendlicher. Insgesamt deutlich ruhiger als im Vorjahr.“ Ein normaler Abend während der Maiwoche am Ruhrufer.