Bayreuth. Er ist einer der jüngsten Regisseure, die je in Bayreuth inszeniert haben. Erst 30 Jahre alt war der Hagener Jan Philipp Gloger, als Katharina Wagner ihn für den Grünen Hügel verpflichtete, und der „Fliegende Holländer“ war erst seine dritte Musiktheater-Arbeit.

Er ist einer der jüngsten Regisseure, die je in Bayreuth inszeniert haben. Erst 30 Jahre alt war der Hagener Jan Philipp Gloger, als Katharina Wagner ihn für den Grünen Hügel verpflichtete, und der „Fliegende Holländer“ war erst seine dritte Musiktheater-Arbeit. Jetzt geht der „Holländer“ in die dritte Runde – und Gloger hat inzwischen über Bayreuth hinaus als Opern-Interpret nachdrücklich auf sich aufmerksam gemacht, so jüngst mit Verdis „Simone Boccanegra“ an der Dresdner Semperoper. Im Interview mit unserer Zeitung erzählt der 32-Jährige von seinen Erfahrungen mit der berühmten Werkstatt Bayreuth.

Für Regisseure ist es eher ungewöhnlich, dass sie eine Produktion mehrere Jahre lang begleiten können. Normalerweise ist ein Stück nach zehn Aufführungen abgespielt. Was bedeutet die Werkstatt Bayreuth für Sie?

Jan Philipp Gloger: Das ist fast ein bisschen so, als würde man einem Kind beim Aufwachsen zuschauen. Eine Inszenierung ist ja nichts geschlossenes, sondern sie lebt und entwickelt sich weiter. Es macht natürlich Spaß, das immer wieder begleiten zu können und dabei auch dem Werk und vor allem Wagners Musik immer wieder neu zu begegnen. Man macht jedes Jahr neue Entdeckungen und kann, das ist das Tolle an Bayreuth, darauf reagieren.

Welche Entdeckungen haben Sie jetzt gemacht?

Gloger: Zusammen mit der Sopranistin Ricarda Merbeth, der Bayreuther Senta, habe ich zum Beispiel genauere Erkenntnisse darüber erarbeitet, wie die Spannungskurve in Sentas großem Liebesduett funktioniert. Das Duett dauert ja 14 Minuten, da haben wir noch einmal neue Schichten freilegen können. Solche Stellen gibt es viele. Es geht dabei eher um die Feinheiten. Aber wenn man wie ich immer versucht, bei den Figuren anzusetzen und daraus wiedererkennbare Menschen zu machen, dann sind diese Feinheiten substanziell.

Gibt es in diesem Jahr größere optische Veränderungen beim „Holländer“?

Gloger: Das geübte Auge wird in dem Kubus, der im dritten Akt auf der Bühne steht, Leuchtstreifen und Maschinenelemente erkennen können. Wir haben im vergangenen Jahr schon daran gearbeitet, die Holländer-Welt mit der massiven blinkenden Wand und die Welt von Senta weiter zu verbinden und nicht zu sehr getrennt erscheinen zu lassen. So erhält das Ganze eine größere Geschlossenheit, und mithin ist Sentas Welt vielleicht eine Zelle in der großen Datenwand, die wir am Anfang sehen.

2012 gab es viele Buh-Rufe für den Holländer. Das lässt sich mit dem Skandal um den tätowierten Holländer-Sänger begründen. Im vergangenen Jahr avancierte Ihre Inszenierung dann zum Publikumsfavoriten. Mit welchen Erwartungen gehen Sie nun in die Premiere?

Gloger: Eigentlich mit der zuversichtlichen Überzeugung, dass die Zustimmung hält. Wir haben für meine Begriffe 2013 einfach eine Qualitätssteigerung verzeichnet. Das war ja auch logisch, nachdem die Inszenierung im ersten Jahr durch den sehr kurzfristigen Verlust des Hauptdarstellers gelitten hat. Aber darüber hinaus empfinde ich auch die aktuelle Version hinsichtlich der Ästhetik und der Konzeption als konsequenter und ich denke, das überträgt sich aufs Publikum.

Derzeit wird eine DVD-Produktion des „Fliegenden Holländers“ vorbereitet. Wie ist das für Sie, Ihre Inszenierung auf Bildschirmformat zu sehen?

Gloger: Die DVD ist eine sehr schöne Sache, ich habe die Produktion mit begleiten dürfen. Auf der Bühne sucht der Zuschauer selbst den Fokus und kann sich auf das konzentrieren, was er möchte. Aber bei einer DVD muss man den Fokus lenken und sich für Ausschnitte entscheiden. Das ist gar nicht so leicht, weil die Oper nicht dafür inszeniert ist, dass man immer ganz nah an den Sängern ist, Oper ist keine Vorabendserie.

Aber ich finde die DVD aus zwei Gründen spannend. Erstens kann man die Inszenierung sehen, wenn man keine Chance hat, nach Bayreuth zu kommen. Zweitens kann man sie noch einmal aus einem ganz anderen Blickwinkel erleben, wenn man sie schon auf der Bühne gesehen hat. Michael Beyer, der DVD-Regisseur, hat einen Hintergrund als Opernregisseur, und er ist wie ich jemand, der extrem auf das Narrative geht, dem es wichtig ist, dass man die Geschichte versteht, die erzählt wird. Und das hat er sehr gut gemacht, finde ich.

Viele Regisseure inszenieren wegen möglicher Kino-Übertragungen und DVD-Produktionen bereits mit dem Blick auf den Bildschirm. Wie ist das bei Ihnen?

Gloger: Überhaupt nicht, ich verschwende beim Inszenieren keinen einzigen Gedanken an den Bildschirm. Die Medien TV/Kino und Oper passen eigentlich kaum zusammen. Ich meine sogar, dass die Oper eine der starken Kunstformen ist, die der zunehmenden Beschränkung auf das Medium Fernsehen etwas entgegenzusetzen hat. Das ist eine Herausforderung!

Drei Jahre Bayreuth: Wie hat der Grüne Hügel Sie verändert? Wollen Sie künftig mehr Wagner-Opern inszenieren?

Gloger: Ich bin weiter neugierig auf Wagner, da gibt es so viel zu entdecken. Ich habe ja das Glück gehabt, mit einem frühen Werk anzufangen, da kann man sich vorarbeiten, sehr gerne. Aber genauso gespannt bin ich auf andere Komponisten, die jetzt auf mich zukommen. Ich werde erstmalig Strauss inszenieren und wieder Mozart, und mich auch an offenere Musiktheaterformate wagen.

Der „Holländer“ ist Ihre erste Begegnung mit einem großen Opernchor. Prägt Sie diese Erfahrung?

Gloger: Chöre sind eine unglaubliche Ausdrucksform! Die manchmal erotisierende und manchmal hochgradig gefährliche Kraft der Masse zu untersuchen, das reizt mich sehr. Als Ursprung des Theaters kann man ja das Heraustreten aus der Masse und die Gegenüberstellung des Einzelnen und der Gesellschaft begreifen. Und so etwas exemplifizieren zu können, indem man dann wirklich mal 100 Leute auf der Bühne hat, das ist ein unglaublich euphorisierendes Mittel und eine Ausdrucksform, bei der es für mich noch ganz viel zu entdecken gibt. Darauf habe ich große Neugier.