Bayreuth/Hagen. . Der gebürtige Hagener Jan Philipp Gloger (31) wird in diesem Jahr mit seiner Inszenierung von “Der Fliegende Holländer“ die Wagner-Festspiele in Bayreuth eröffnen. Im Interview spricht der 31-jährige Regisseur über die letzten Geheimnisse in Wagners Oper, Parallelen zur NSA-Affäre und drohende Buhrufe bei der Premiere.

Mit Richard Wagners Oper „Der Fliegende Holländer“ werden die Bayreuther Festspiele am 25. Juli eröffnet. Christian Thielemann dirigiert, und der 31-jährige gebürtige Hagener Jan Philipp Gloger führt Regie bei dem Werk, das jetzt in der zweiten Spielzeit auf dem Grünen Hügel zu sehen ist. Im Interview mit unserer Redaktion spricht Jan Philipp Gloger über seine Erfahrungen mit der Werkstatt Bayreuth.

Nur in Bayreuth können Regisseure eine Inszenierung Jahr für Jahr weiterentwickeln. Wie stehen Sie zu Richard Wagners Werkstattgedanken?

Jan Philipp Gloger: Das ist eine gute Sache! Die Beschäftigung mit einem Werk hört ja nicht plötzlich auf. Und außerdem sollte Theater immer so direkt wie möglich auf seine Zeit reagieren können. Wobei wir in ganz zentralen Partien neue Sänger haben und die zur Verfügung stehende Zeit fast schon mit dem Erarbeiten der Figuren mit den neuen Kollegen ausgefüllt ist.

Im vergangenen Jahr wurde die Premiere Ihrer Inszenierung von einem Skandal überschattet. Der Holländer-Interpret trat zurück, nachdem seine Tätowierungen mit Nazi-Symbolen öffentlich wurden. Sie mussten in nur anderthalb Tagen einen neuen Titelhelden einarbeiten. Können Sie jetzt den Charakter mit mehr Ruhe ausgestalten?

Gloger: Der Holländer wird auf jeden Fall detaillierter ausgestaltet. Und wir haben uns auch über die Figur des Holländers noch einmal Gedanken gemacht. Uns hat es interessiert, den Holländer ein bisschen mehr aus dem wirtschafts- und arbeitsweltlichen Kontext herauszulösen und noch ein wenig allgemeiner als einen reichen Reisenden unserer Zeit zu zeigen. Dieses übermächtige Meer aus Lichtern, Daten und Informationen auf der Bühne betrifft uns ja alle – Stichwort Abhörskandal. Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Enthüllungen sieht man, wie der Mensch heute von Zahlen und Informationen abhängig ist.

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Der „Holländer“ wird am 25. Juli um 17 Uhr live aus Bayreuth in zahlreiche Kinosäle übertragen und ist zeitversetzt nach den Tagesthemen ab 22.45 Uhr im ersten Fernseh-Programm zu sehen. Es passiert Theaterleuten nicht so oft, dass ihre Arbeiten für ein Massenpublikum erreichbar sind.

Gloger: Ich habe mich bewusst entschieden, nicht Film oder Fernsehen zu machen, sondern Theater. Und ich mache diese Inszenierung für die Opernzuschauer. Es gibt wohl kaum zwei Medien, die so weit auseinander liegen wie Oper und Fernsehen. Wir schauen bei der Ausgestaltung einiger Requisiten allerdings etwas genauer hin, damit auch eine Nahaufnahme nicht, sagen wir mal, zu einem komischen Effekt führt. Aber ansonsten werde ich jetzt keine Fernsehversion abliefern, nur weil es aufgezeichnet wird. Doch ich freue mich natürlich über diese mediale Verwertung. Weil so Menschen die Inszenierung sehen können, die keine Karten für Bayreuth bekommen haben.

Beeinflusst die Erfahrung Bayreuth Ihre künstlerische Arbeit?

Gloger: Wenn man noch so relativ frisch ist in der Oper wie ich, wird man natürlich aus jeder Inszenierung schlauer - und aus der Begegnung mit Wagner sowieso. Ich habe gelernt, dass in seinem „Holländer“ Geheimnisse bestehen bleiben, die man nicht in allerletzter Konsequenz ausdeuten kann. Es ist eine große Begegnung mit dem Komponisten, die Lust auf mehr gemacht hat. Ich habe auch die Chorproben mit 100 Menschen auf der Bühne wieder als unglaublich euphorisierend und lustvoll empfunden und freue mich schon auf Verdis „Simon Boccanegra“, den ich 2014 mit Christian Thielemann als Dirigenten in Dresden inszeniere. In dieser Oper ist der Chor auch ein begeisterndes Ausdrucksinstrument. Und diese Möglichkeiten, über den Chor das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft, Einzelnem und Masse zu untersuchen – was so ein Urthema des Theaters ist – hat man ja im Sprechtheater kaum.

In Bayreuth ist das Publikum berüchtigt für seine aggressiven Buhrufe. Haben Sie sich dagegen inzwischen ein dickes Fell wachsen lassen?

Gloger: Das hat mich nicht in eine tiefe Krise als Regisseur gestürzt, ich war ja auch von Kollegen vorgewarnt, dass gewissermaßen traditionell heftig gebuht wird. Ich stehe hinter meiner Inszenierung, und das werde ich dieses Jahr ganz besonders können, weil wir sie unter etwas normaleren Bedingungen zeigen können.