Hagen. Die Stadt hat Anwohner am Baukloh aufgefordert, Unkraut von den Gehwegen zu entfernen. Doch an ihrem eigenem Grundstück sprießt das Grün ungebremst. Für Anwohner Michael Wagner ist das ein Unding. Doch die Stadt argumentiert mit der Finanznot: Sie habe nicht genug Personal.

Vielleicht waren zwischen den Gehwegplatten einige Grashalme tatsächlich ein wenig zu lang geworden. Michael Wagner will das nicht ausschließen. Was der Allgemeinmediziner, der seit vier Jahren am Baukloh wohnt, aber mit hundertprozentiger Sicherheit sagen kann: So schlimm, wie auf dem Gehweg, der entlang dem ­direkten Nachbargrundstück führt, habe es bei ihm noch nie ausgesehen. Denn dort wuchert das Gras den halben Gehweg zu.

Das Pikante dabei: Dieses Grundstück gehört der Stadt Hagen. Und eben diese Stadt Hagen hat Michael Wagner vor wenigen Tagen einen Brief geschickt: Mit der deutlichen Mahnung, man habe festgestellt, dass er und seine Frau ihrer Säuberungspflicht „nicht in dem geforderten Maße nachgekommen sind“. Und weiter: „Halten Sie bitte die Gehwegflächen vor bzw. hinter Ihrem Grundstück sauber und sorgen Sie dafür, dass Verunreinigungen schnell beseitigt werden.“ Michael Wagner empfindet solche Worte beim Blick auf das Nachbargrundstück als blanken Hohn: „Wer im Glashaus sitzt, der sollte doch nicht mit Steinen werfen.“

Mängel waren bereits beseitigt

Generell stellt Michael Wagner die Reinigungspflicht für Anwohner überhaupt nicht in Frage. Mit Blick auf den tatsächlich tadellos gesäuberten Gehweg vor seinem Haus sagt er: „Natürlich reinige ich ihn regelmäßig und entferne das Unkraut. Als der Brief der Stadt bei uns eingetroffen ist, waren die angeblichen Mängel auch schon längst beseitigt.“ Man habe in dem gutbürgerlichen Viertel eine gute Nachbarschaft, da achte jeder auf seinen Gehweg. Dass in dem Schreiben der Stadt dann vorsorglich auch noch auf die Pflicht zum Winterdienst hingewiesen wird, ärgert Michael Wagner noch mehr: „Ich habe noch nie gesehen, dass die Stadt entlang ihrem Grundstück ihrer Räumpflicht nachgekommen ist.“

„Ritzenvegetation“ muss entfernt werden

Im Paragraf 3 der Straßenreinigungs- und Gebührensatzung ist geregelt, dass die Gehwege nach Bedarf, mindestens aber 14-täglich zu reinigen sind.

Die Stadt mahnt, dass diese Pflicht insbesondere „unabhängig vom Verursacher auch die Beseitigung von Unkraut (z.B. Ritzenvegetation“) umfasse.

Michael Wagner war aber nicht der einzige, der einen Brief der Stadt erhalten hat. „Es werden alle Anwohner in der Straße Am Baukloh angeschrieben“, so Stadt-Sprecher Karsten-Thilo Raab. Anlass sei eine Bürgerbeschwerde gewesen. „In so einem Fall schauen wir uns die Situation natürlich vor Ort an. Das ist hier auch geschehen.“ Das seien aber allenfalls Stichproben, die Stadt schicke nicht gezielt Unkraut-Detektive in alle Hagener Straßen, um die Pflicht der Bürger zu kontrollieren. Und: Die Mitarbeiterin des Ordnungsamtes habe eben nicht nur die Anwohner angeschrieben, sondern auch verwaltungsintern ein Schreiben verschickt. Sprich: Die Stadt fordert die Stadt auf, den Missstand an ihrem Grundstück zu beheben.

Spardruck verhindert Reinigung durch Stadt

Dass sich der Zustand schnell ändert und dann nicht wieder wiederholt, kann Karsten-Thilo Raab hingegen nicht in Aussicht stellen: „Die Stadt ist zwar genauso in der Reinigungspflicht wie ein Privatmann. Wir haben aufgrund des Spardrucks aber schlicht nicht die Mannschaftsstärke und die Ressourcen, um dies zu erfüllen.“

Wagner und seine Nachbarn hingegen müssen hingegen weiter fleißig säubern. Zumindest haben sie aber so schnell keine Sanktionen zu befürchten. „Wenn noch einmal Missstände entdeckt würden, gäbe es erst ein weiteres Erinnerungsschreiben“, so Raab. Erst danach würde ein Bußgeld fällig – von 55 Euro aufwärts. Solche Fälle gebe es im gesamten Hagener Stadtgebiet allenfalls ein- bis zweimal pro Jahr.