Hagen. Der Hagener Physiotherapeut David Lopez ist Frontmann einer bundesweiten Vereinigung von Therapeuten, die Krankenkassen und Verbänden Druck machen will. Für eine bessere Bezahlung, mehr Verordnungs-Spielraum für die Ärzte und eine gesicherte Perspektive für tausende Patienten.

Seit 20 Jahren ist David Lopez als Physiotherapeut tätig. Vor sechs Jahren hat er sich selbstständig gemacht und führt seitdem seine Praxis an der Elberfelder Straße. Der Hagener, der unter anderem auch die Mannschaft von Phoenix Hagen und VfL Eintracht Hagen und das Ballettensemble des Stadttheaters physiotherapeutisch betreut, ist nun der Frontmann eines Vereins, der den Verbänden und den Krankenkassen in Deutschland Druck machen möchte. Für eine bessere Bezahlung therapeutischer Dienstleistungen, für mehr Verordnungs-Spielraum für Ärzte und für eine gesicherte Perspektive von tausenden Patienten.

Herr Lopez, der Terminkalender ist voll, das Wartezimmer auch, die Behandlungsräume ebenfalls. Sie sind trotzdem verärgert. Wieso?

David Lopez: Weil das nichts darüber aussagt, was am Ende des Tages bleibt. Wissen Sie, wie viel wir Physiotherapeuten für 20 Minuten Behandlung von den Krankenkassen bekommen?

30 vielleicht 40 Euro?

Lopez: Sehen Sie, so geht es den meisten Außenstehenden. Wir bekommen 15 Euro pro Behandlung von 20 Minuten. In diesem Zeitfenster von 20 Minuten müssen neben der Behandlung auch Befunde erstellt werden, die Verlaufsdokumentation protokolliert werden, die Vor- und Nachbereitungszeit kalkuliert werden und die Arztberichte geschrieben werden. In einer Stunde sind das im Idealfall 45 Euro für drei Patienten.

Die Terminabsage eines Patienten bedeutet sofort einen Verlust von 33 Prozent. Und davon muss ein selbstständiger Physiotherapeut den gesamten Kostenapparat stemmen. Personal, Räumlichkeiten, Ausstattung. Du musst es schaffen, ein Gesundheitsangebot im Selbstzahlerbereich aufzubauen. Sonst hast du keine Chance. Wir sind über die Schmerzgrenze längst hinaus.

Es gibt drei große Verbände. Machen die keinen Druck?

Seit 20 Jahren arbeitet David Lopez als Physiotherapeut. Jetzt ist er Frontmann einer frisch gegründetetn Vereinigung.
Seit 20 Jahren arbeitet David Lopez als Physiotherapeut. Jetzt ist er Frontmann einer frisch gegründetetn Vereinigung. © WP Michael Kleinrensing

Lopez: Von den Verbänden fühlen wir uns im Stich gelassen und überhaupt nicht gut vertreten. Die sind absolut untätig. Es bleibt der Eindruck, dass das Hauptaugenmerk dieser Verbände nur auf den verbandseigenen Fortbildungsinstituten liegt, wo gelernte Physiotherapeuten Kurse für 400 bis 800 Euro absolvieren können und müssen. Wir sind seitens der Krankenkassen zu regelmäßigen Fortbildungen verpflichtet. Da ist für die Verbände Geld zu verdienen. Man fühlt sich nicht nur schlecht vertreten, sondern auch verraten

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Die Ausbildung zum Physiotherapeuten ist teuer und von den Azubis selbst zu bezahlen. Auf der anderen Seite, so kritisieren Sie, stehen Gehälter und Krankenkassen-Auszahlungen in keinem Verhältnis.

Lopez: Die Ausbildung kostet bis zu 15.000 Euro. Ein Berufseinsteiger verdient etwa 1800 Euro brutto. Das ist enorm wenig. Wir fordern ja auch gar keine übermäßigen Preissteigerungen, aber eine inflationsangemessene Anhebung der Sätze. Eine therapeutische Behandlung sollte mal mindestens 1,80 Euro pro Minute Wert sein. Und weil die Verbände das seit 20 Jahren nicht geändert haben, gehen wir jetzt selbst nach vorne.

Sie wollen nicht nur Physiotherapeuten, sondern auch Ergotherapeuten, Logopäden, Masseure und Podologen vertreten. In gewisser Weise, so sagen Sie, kämpfen Sie aber auch für Ärzte.

Vereinigung will den Druck erhöhen

Hagen ist der Gründungsort einer Therapeuten-Vereinigung, die bundesweit den Kampf für bessere Entlohnung für Heilmittelerbringer aufnehmen will. So deutlich sich der „Bund vereinter Therapeuten“, dessen erster Vorsitzender der Hagener Physio-Therapeut David Lopez ist, auf die Seite aller Physio- und Ergotherapeuten, Logopäden, Masseure und Podologen stellt, so deutlich positioniert man sich auch gegen die drei großen Verbände der Branche, denen die Vereinigung Untätigkeit und Trägheit vorwirft.

Rund 15 Euro bekommen Therapeuten für die Behandlung eines Patienten von den Krankenkassen. Dabei macht die Schwere der Diagnose kaum einen Unterschied. Die Situation der Heilmittelerbringer sei desolat, lässt die frisch gegründete Vereinigung verlauten.

Drei Prozent aller Ausgaben

Man zeichne für drei Prozent der medizinischen Ausgaben verantwortlich, dennoch werde seit 2004 kontinuierlich gespart. „Seit 15 Jahren verzeichnen wir eine Negativentwicklung in Bezug auf unsere Vergütung“, sagt Lopez. Ärzte seien durch die strenge Budgetierung enorm eingeschränkt, was die Verordnung von Therapien angehe. Auf der anderen Seite steige die Zahl der chronisch Kranken angesichts des demografischen Faktors immer mehr. Die Passivität seitens der Politik führe dazu, dass mittlerweile ein enormer Fachkräftemangel bei den Heilerbringern herrsche.

Erste Kontakte zu Gesundheitsministern hat der Verbund bereits geknüpft. In den kommenden Wochen und Monaten sind Kundgebungen in verschiedenen Großstädten geplant. Ein Schulterschluss mit der kassenärztlichen Vereinigung und Patientenorganisationen sei auch möglich. Der jungen Vereinigung sind bei Gründung elf Therapeuten beigetreten. Lopez: Unsere Facebook-Gruppen „Physiorevolte“ und „Bund vereinter Therapeuten“ hatten binnen kürzester Zeit knapp 1000 Mitglieder“

Lopez: Es ist doch eine Abwärtsspirale, in der wir alle drinhängen. Ein Arzt darf doch gar nicht mehr so viel Therapie verschreiben, wie ihm realistisch und sinnvoll erscheint, weil er durch viel zu enge Budgets der Krankenkassen selbst geknebelt ist. Die Ärzte stehen unter Druck, weil die Gefahr eines drohenden Regresses ständig gegenwärtig ist und wir Therapeuten bekommen einfach weniger Arbeit – noch dazu für weitaus weniger Geld. Der Bärenanteil der Einsparungen im Gesundheitssystem soll bei uns vorgenommen werden. Dabei machen wir nur drei Prozent der Gesamtausgaben aus.

Was können Sie mit dem Verein verändern?

Lopez: Erstmal müssen wir bundesweit ein Bewusstsein für das Problem schaffen. Bei Krankenkassen, Ärzten und Patienten. Wenn in einem Handwerksbetrieb ein Schild hängt „Gesellenstunde hier 70 Euro“, dann ist jedem klar, dass für gute und qualifizierte Handwerksarbeit gutes Geld bezahlt werden sollte. Das ist bei uns doch ganz genauso. Wir arbeiten doch am Menschen.

Und wie kann ihre Arbeit wieder besser entlohnt werden?

Verordnung durch den Arzt muss wirtschaftlich sein

Physiotherapeutische Maßnahmen stehen im Heilmittelkatalog. Nur Ärzte dürfen sie den Patienten verordnen.

Der Heilmittelkatalog wird vom Gemeinsamen Bundesausschuss beschlossen. Er ist für die gesetzlichen Krankenkassen, für die Versicherten, die Vertragsärztinnen und Vertragsärzte sowie die Heilmittelerbringer verbindlich.

Die Verordnung durch den Arzt muss zweckmäßig, wirtschaftlich und ausreichend sein. Der Arzt bemisst nicht, was gut für den Patienten ist, sondern was ausreichend für das zu behandelnde Leiden ist.

Niedergelassene Ärzte sind verpflichtet, auf eine wirtschaftliche Verordnungspraxis zu achten. Sechs Therapieeinheiten sind heute die Regel. Danach muss der behandelnde Arzt weiter entscheiden. Die Kosten für die Einheiten übernehmen die Krankenkassen.

Stellt ein Arzt zu viele Verordnungen aus, überschreitet er sein vertraglich fixiertes Budget. Jeder Arzt bekommt eine vereinbarte Richtgröße zur Verfügung gestellt. Im Falle einer Überschreitung, muss der Arzt entweder selber für die entstandenen Kosten aufkommen oder kann von den Krankenkassen in Regress genommen werden.

Der Arzt darf nach Heilmittelkatalog nur das verordnen, was für die entsprechende Diagnose zulässig ist – und nicht, was für den Patienten notwendig wäre.

Der Arzt muss Verordnungen außerhalb des Regelfalls medizinisch begründen.

Lopez: Es gilt, Honorare zu vereinbaren, die an den marktüblichen Gehaltsanpassungen angelehnt sind. Diese Honorare müssen für die Leistungen gelten, die dem Patienten zu Gute kommen und ausschließlich Ihrer Behandlung. Für sämtliche andere Leistungen, die uns seit Jahren seitens der Krankenkassen aufgebürdet werden, müssen Pauschalzahlungen vereinbart werden. Beschreiten wir den eingeschlagenen Weg so weiter, werden von den erwähnten 20-minütigen Therapiezeiten am Patienten keine zehn Minuten übrig bleiben. Darüber hinaus wird unser Berufsstand in der jetzigen Form so wohl nicht überleben können.