Breckerfeld. . Ludwig Brandes aus Ergste hat seine Dissertation über das Platt in der Region geschrieben. Ein Schwerpunkt seiner Forschungen hat der pensionierte Lehrer auf Breckerfeld gelegt.
„Runter“ steht im Duden, „runger“ sei typisch für Breckerfeld und die Gebiete östlich der Hansestadt. Für „da ungen“ (was „da unten“ bedeutet) gelte Ähnliches. Bei „wie bungen“ wird’s schon schwieriger. Korrekt: erste Person Plural, Vergangenheitsform von „binden“, also „wir banden“. Es gibt auch noch das schöne Wörtchen „sagen“. „Säggen“ – heißt’s nördlich von Breckerfeld, „siergen“ in Breckerfeld und „siejen“ östlich der Hansestadt.
Was Sie gerade gelesen haben, sind die verzweifelten Versuche eines Journalisten, Breckerfelder Platt in eine Zeitung zu übertragen. Ludwig Brandes schreibt all das in Lautschrift auf. „Die Mundarten des Raumes Breckerfeld – Hagen – Iserlohn. Ein Beitrag zur westfälischen Dialektgeographie“ heißt seine Dissertation, die auch als Buch erschienen ist. Auf unzähligen Karten sind die Grenzen für die Aussprache einzelner Laute aufgezeigt. Und einige verlaufen mitten durch das Gebiet der Hansestadt.
Verständigungsproblem
„Wenn früher eine Frau aus Menden einen Mann aus Ennepetal heiraten wollte“, sagt Ludwig Brandes, „dann hatte die beiden unter Umständen ein echtes Verständigungsproblem. Man wich aus ins Hochdeutsche oder lernte nach und nach das Platt des anderen.“
Im Hagener Süden ist Ludwig Brandes in den 30er- und 40er Jahren aufgewachsen – ganz ohne Verständigungsprobleme. Aber auf den Höhen hörte er das Plattdeutsch, das die Älteren in dieser Ecke der Stadt zu dieser Zeit noch sprachen. „Schon früh hatte ich die Idee, diesen speziellen Dialekt für die Nachwelt zu erhalten“, sagt Brandes, der einst Lehrer am privaten Gymnasium Garenfeld und an der Ricarda-Huch-Schule war, „erste Interviews habe ich Ende der 80er Jahre geführt. Nach meiner Pensionierung hatte ich dann mehr Zeit.“
Das Plattdeutsche stirbt aus
Das Plattdeutsche stirbt aus. Weil diejenigen sterben, die es noch sprechen und weil es keinen mehr gibt, der es lernt. „Es war gut, dass ich relativ früh mit den Arbeiten begonnen habe“, sagt Ludwig Brandes, der auch 28 Menschen aus Breckerfeld und der näheren Umgebung interviewt hat, „von all denen, mit denen ich gesprochen habe, leben vielleicht noch ein Drittel.“
Der Verlust des Plattdeutschen war ein schleichender. Auch in der Region um Breckerfeld. „Ab 1800 hat die Oberschicht nach und nach begonnen, Hochdeutsch zu sprechen“, sagt Ludwig Brandes, „um 1900 hat sich das auch mehr und mehr auf die unteren Gesellschaftsschichten übertragen. Oft mehr schlecht als recht haben sie versucht, den Oberen nachzueifern, sie zu imitieren. Dazu kam der zunehmende Einfluss der Schulen, in denen auf Hochdeutsch unterrichtet wurde.
Die Alten schämen sich
Abgeschlossen war dieser Prozess im Grunde nach dem Zweiten Weltkrieg. Was bedeutet: Nach 1945 wurden kaum noch Kinder geboren, die Platt lernten und sprachen. Und während in Norddeutschland heute noch Platt gesprochen werde, schämten sich die Älteren in dieser Region.
„Wenn ich nicht so früh geforscht hätte, wäre ein großer Teil dieser Sprache bereits verloren“, sagt Brandes. „Heute könnte ich mit meiner Interview-Methode vieles nicht mehr erreichen.“ So aber ist dieser Schatz bewahrt. Wenn auch nicht in der Alltagssprache, so doch wenigstens in einer Art Truhe – zwischen zwei Buchdeckeln.
„Plattdeutsch zu lernen, ist heute ein nahezu sinnloses Unterfangen“, so Ludwig Brandes, „man wird nie das Niveau erreichen können wie jemand, der schon als Kind Platt gesprochen hat.“ Retten könne man das Plattdeutsche nicht. Aber man könne es immerhin archivieren. Und Ludwig Brandes hat dazu einen wichtigen Beitrag geleistet.