Hagen/Fairfield. Vielleicht passiert so eine Geschichte nur in Amerika. Roxy Ehrig aus Breckerfeld wollte gerade ihr Praktikum bei einem kleinen Radiosender im US-Bundesstaat Iowa antreten, als der Chef zu ihr sagte: „Ab morgen hast du hier eine eigene Sendung.“ Nach einer Nacht stand das Konzept für ihre Show.
Die Amis sind verrückt. Und es sind genau solche Geschichten, die viele Menschen glauben lassen, dass du jenseits des Atlantiks vom armen Schlucker zur dicken Nummer werden kannst. Vom Schuhputzer zum Leinwandstar. Als die Breckerfelderin Roxanne Ehrig im Rahmen ihres sechswöchigen Auslandspraktikums im amerikanischen Fairfield bei einem Radiosender ihren Dienst zwischen Archiv und Kopierer antreten will, sagt der Chef: „Ab morgen moderierst du eine eigene Sendung. Du hast eine Nacht, um dir ein Konzept auszudenken.“
Sie erfindet „Roxy’s Rice Bowl“. Und obwohl sie längst wieder zurück in Breckerfeld ist, wird die Sendung im heimischen Tonstudio weiterhin einmal wöchentlich für die Menschen in Fairfield produziert.
Drei. Zwei. Eins. Sendung.
Überraschend gute Musik
„Hallo Fairfield, hier ist wieder Roxy’s Rice Bowl und ich freue mich, euch in der nächsten Stunde auf eine musikalische Reise nach Asien mitnehmen zu können.“
Was dann folgt, ist so überraschend, wie bei einer Mondmission einen Bekannten zu treffen. Feinster Indie-Pop aus Japan, der, ohne dass man ein Wort versteht, irgendwie hitverdächtig klingt. So wie der Gangnam-Style – nur in besser. Nie gehört, aber doch richtig gut.
Fairfield ist das Breckerfeld der USA
Roxanne Ehrig ist 22 Jahre alt und studiert Japanologie und Anglistik. Soweit, so ungewöhnlich. Sie ist die Tochter von „Eroc“, dem ehemaligen Schlagzeuger von Grobschnitt, eine der bekanntesten Bands, die Hagen jemals hervorgebracht hat. Seine Verbindungen waren es auch, die ihr den Praktikumsplatz in Fairfield im US-Bundesstaat Iowa verschafften. Fairfield in Iowa ist quasi das Breckerfeld der USA . Nur ohne Berge. Mitten im Mittleren Westen, der Kornkammer Amerikas.
Fairfield ist beschaulich. Etwa 10.000 Menschen leben dort. Es gibt eine Uni. Und der Geist der 70er-Jahre weht ein wenig durch die Gassen. „Es ist alles ein bisschen hippiemäßig“, sagt Roxy Ehrig. Die Radiostation von „KRUU.FM“ wird komplett solar betrieben. Es ist ein bodenständiger Bürgerradiosender, bei dem alle freie Mitarbeiter sind. Auch der Chef.
Roxy’s Rice Bowl heißt so viel wie Roxy’s Reisschüssel. Eine lieb gemeinte Anspielung auf die Essgewohnheiten des asiatischen Raums. Sie reitet durch die Moderne der asiatischen Popkultur, stellt Bands vor, übersetzt ganze Stücke und ordnet diese neuartige und frische Musik, die der Westen noch gar nicht richtig auf dem Schirm hat, ordentlich ein. Sie spricht dabei so gut Englisch, dass man glauben könnte, sie sei die Tochter des Bäckers aus Fairfield – und keine Breckerfelderin.
Sendung wird sonntags ausgestrahlt
„Ich habe einfach meine Interessen und meine Kenntnisse in die Sendung einfließen lassen“, sagt sie. Und das zu einer Art Primetime. Sonntags 14 Uhr. Dann, wenn Fairfield die Füße hochlegt und relaxt. Fünf Mal lief die Show während ihres Aufenthalts und erarbeitete sich schnell einen Status als unverkennbares Format. Der gleiche Chef, der die hübsche Roxy an ihrem ersten Tag ins kalte Wasser geschmissen hatte, sagte bei ihrer Abreise: „Wir wollen, dass du weiter bei uns auf Sendung bleibst. Produzier’ die Show in Breckerfeld und schick sie uns.“
„Tja, und jetzt sitzen wir hier. Irre, ne?“ Die junge Dame ist kreativ und hat eine verzaubernde Art. Mit dieser Ausstrahlung gehört man eigentlich ins Fernsehen. Nicht ins Radio. „Ob das später etwas für mich ist, weiß ich nicht. Aber was hier gerade läuft, ist einfach nur spannend. Und außerdem: Wer kann sowas mal irgendwann in seine Bewerbung schreiben?“
Sendung geht als MP3 über den Atlantik
Die im Tonstudio von ihrem Vater produzierten Folgen jagen die Ehrigs am Ende einfach als MP3-Datei über den großen Teich. Und sie kommen weltweit zurück, denn nicht nur in Fairfield werden sie auf UKW gesendet, man hört „KRUU.FM“ auch im Internet.
Roxy Ehrig will mal Autorin werden. Einige Werke sind fertig. Nur einem Verlag sind sie noch nie gezeigt worden. Es wäre nicht verwunderlich, wenn ein großer Verleger irgendwann zu ihr sagt: „Du schreibst uns jetzt einen Bestseller. Du hast eine Nacht.“ Das hat schon mal geklappt. Mitten in Amerika.