Hagen. Sie sind Rocker ohne Motorräder: Die Black Jackets stecken ihre Reviere jetzt auch in NRW ab. In Hagen, Köln, Aachen, Gelsenkirchen, Troisdorf und Datteln. Mehrere Landeskriminalämter warnen vor der Gang. Aber kaum jemand kennt die abgeschottete Banden-Welt.

In den Revieren der Hells Angels und Bandidos wildern hochgefährliche Nachwuchs-Rocker. Die aus Süddeutschland stammende Jugendbande „Black Jackets“ hat in NRW Fuß gefasst. Seit gut einem Jahr registriert die Polizei vermehrt Straftaten der Bande an Rhein und Ruhr.

In Hagen quälten jüngst zwei Mitglieder einen 38-Jährigen Mann mit Schlagwerkzeugen. In Bonn-Bad Godesberg versetzten die jungen Männer, die schwarze Kutten mit Bulldoggen-Symbol tragen, monatelang Anwohner in Angst Schrecken – bis die Polizei dem Treiben mit rund 300 Beamten ein Ende bereitete. In Bergheim erschoss ein Kioskbesitzer, der sich bedroht fühlte, ein Mitglied der „Jackets“, in Hamm sollen sich die Nachwuchs-Rocker eine Schlägerei mit den Hells Angels geliefert haben.

Das Landeskriminalamt (LKA) weiß von Abteilungen der Bande in Köln, Aachen, Gelsenkirchen, Troisdorf, Datteln und Hagen. Mindestens 50 Mitglieder soll es in NRW geben, die Black Jackets selbst sprechen von 1000 Mitgliedern bundesweit.

Jung, männlich, gewalttätig, häufig mit Migrationshintergrund

Die Black Jackets haben ihren Ursprung in Baden-Württemberg. Ihre Mitglieder sind junge Männer, häufig mit Migrationshintergund. Viele der Anhänger seien schon gewalttätig, lange bevor sie zu der Streetgang stoßen, heißt es aus Polizeikreisen: Die Gruppierung ziehe genau dieses aggressive, gefährliche Klientel an.

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„Die Black Jackets sind an Rhein und Ruhr angekommen“, bestätigt Thomas Jungbluth, Experte für Organisierte Kriminalität beim LKA in NRW. Im Freistaat Bayern registriert die Polizei schon seit vier Jahren Straftaten der „Jackets“. Mario Huber, Leiter des Sachgebiets Organisierte Kriminalität beim LKA in Bayern, sagt: „Die fackeln nicht lange und schlagen gerne zu.“

„Sie haben ein sehr hohes Aggressionspotential“, bestätigt Horst Haug, Sprecher des LKA in Baden-Württemberg. Derzeit stehen drei „Jackets“ vor dem Stuttgarter Landgericht. Ihnen wird versuchter Mord an dem Mitglied einer verfeindeten Streetgang vorgeworfen.

„Diese Gang wirkt wie eine Rockerbande identitätsstiftend, und die Mitglieder üben häufig illegale und gewalttätige Aktivitäten aus, zumindest akzeptieren sie solche“, sagt die Tübinger Kriminal-Psychologin Kerstin Reich zur Anziehungskraft der Rocker-Gruppe.

Mit Schlagwerkzeugen und Elektroschocker

Der 38-Jährige weiß, dass ihn die Männer aus der Straßenbande nicht zum netten Plausch in ihr Vereinsheim in Hagen-Haspe gebeten haben. Immerhin hatte er zuvor einen aus der Gang wegen Sachbeschädigung angezeigt. Doch was er dort erlebt, ist nicht nur unangenehm, es ist grausam. Der „Präsident“ (31) und der „Sergeant“ (29) der rockerähnlich organisierten Gruppe prügeln ihren „Gast“ mit diversen Schlagwerkzeugen grün und blau, den Hund der Mannes quälen sie mit einer Elektroschockpistole. 5000 Euro „Strafgeld“ soll das Opfer außerdem berappen. Aber der Mann lässt sich nicht einschüchtern. Er geht zur Polizei, und die Täter landen vorm Haftrichter.

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Von Pirkko Gohlke und Matthias Korfmann

In Hagen, in Köln, in Aachen – Die Black Jackets sind in NRW angekommen. „Rocker ohne Motorrad“ könnte man sie nennen. Ihre Wurzeln haben die Jungrocker im Süden der Republik. Die Polizei in Baden-Württemberg und Bayern warnt ihre Kollegen an Rhein und Ruhr vor den hochkriminellen jungen Männern. Die Angst ist groß, aber es ist eine diffuse Angst. Denn so richtig weiß kein Außenstehender, wie die Black Jackets funktionieren. Die jungen Leute schotten sich ab. Ihre Welt ist eine andere.

Die Geschichte der Black Jackets beginnt 1985 in Heidenheim an der Brenz, im Osten Baden-Württembergs. Die Gründergeneration besteht zum größten Teil aus Jugendlichen, deren Familien vom Balkan oder aus der Türkei stammten. Noch heute haben die meisten Mitglieder einen Migrationshintergrund. Die Gang ist organisiert wie eine Rockerbande samt Chaptern (Abteilungen) und strenger Hierarchie. Zwei Dinge unterscheiden sie von Motorradrockern: Die Black Jackets sind laut Polizei überwiegend junge Erwachsene, 18 bis Mitte/Ende zwanzig. Und sie fahren keine Motorräder, stattdessen oft aufgemotzte Autos. Die „Jackets“ sprechen sich selbst deutschlandweit 1000 Mitglieder zu.

Im Stil der Gangster-Rapper 

Rap-Musik spielt eine große Rolle bei den Black Jackets. Auf der Feier zum 28-jährigen Bestehen Ende September in Heidenheim trat etwa der in der Szene populäre Rapper „Toni der Assi“ auf. Jede Menge Videos – im Stil der US-Gangster-Rapper – von Musikern, die der Gruppe nahe stehen, kusieren im Netz. Zum Beispiel ein Song von „Terror Hurrican“. Drogen, Stripperinnen, Schusswaffen, Schlägereien sind im Clip zu sehen. Der Text ist rau: „Wir radiern Pisser aus, wir kassiern ihre Fresse.“ Womit die „Jackets“ Geschäfte machen? „Zuhälter, Kokain“, glaubt man dem Liedtext.

Über das wahre Innenleben der Black Jackets ist wenig bekannt. „Wir kommen nicht an die ran“, heißt es in diversen Polizeistellen. Wir rufen selbst bei den Black Jackets an. Ein junger Mann mit tiefer Stimme, der sich „General-Manager“ nennt, meldet sich. Er ist nicht gut auf Presse zu sprechen: „Wir werden immer falsch dargestellt“, findet er. Zum Fall in Hagen sagt er: „Die Jungs waren nur kurz bei uns.“ Nun gebe es „neue Jungs“ dort, die nichts mit der Sache zu tun hätten. Die Aktion sei nicht im Auftrag der Black Jackets geschehen. „Es ist nicht in unserem Sinne, dass mit unserem Namen Leuten Angst eingejagt wird.“ Der „General-Manager“ sagt aber auch: „Ein Schachclub sind wir nicht.“ Für weitere Infos sollen wir auf Rückmeldung warten. Aber niemand meldet sich.

Eher eine Streetgang

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I n Deutschland beschäftigen sich nur wenige Wissenschaftler mit dem Phänomen der Jugendbanden. Eine von ihnen ist Dr. Kerstin Reich aus Tübingen. Die Expertin für Kriminal-Psychologie betreut in der forensischen Klinik in Zwiefalten bei Ulm auch suchtkranke Täter aus den Reihen der Black Jackets. Reich sagt: „Die Black Jackets haben den Charakter einer typischen Straßengang, nicht so sehr den einer Rockerbande.“ Die Gang sei eine Art Ersatz-Familie. „Bei den Black Jackets bekommen die jungen Männer, was sie sich wünschen. Sie sind Teil einer Gruppe, sie müssen Autorität akzeptieren, sie müssen zuverlässig sein und können sich auf andere verlassen. Das ist die Erfüllung jugend-typischer, essenzieller Bedürfnisse. Nur leider ist es in diesem Fall keine gute Ersatzfamilie, sondern eine, die Straftaten verübt.“

Forscher: Die Gruppe kann auch disziplinierend wirken

Der Jurist Florian Albrecht von der Uni Passau glaubt nicht, dass Gruppen wie die Black Jackets immer nur Kriminalität begünstigen. „In der Wissenschaft wird auch die Auffassung vertreten, dass mittels der Zugehörigkeit zu einer Gruppierung eine integrativ wirkende Umgebung geschaffen wird, welche kriminelle Handlungen Einzelner verhindert und Sicherheit gewährleistet.“ Heißt übersetzt: Es gibt immer Mitglieder, die besonnener sind und die „bösen Jungs“ bremsen.

Kerstin Reich hat andere Erfahrungen gemacht und ist deshalb weniger optimistisch: „Stellen Sie sich vor, jemand hat eine hohe Position in der Gang. Das ist faszinierend für jemanden, der sonst in der Gesellschaft zu den Benachteiligten zählt. Nur in diesem System, nur in einer solchen Gang hat dieser Mensch Macht. Also versucht er, dieses Regelwerk auch im Maßregelvollzug durchzusetzen. Es ist ungeheuer schwer, so etwas zu korrigieren.“

Die Hagener Polizei sagt, sie beobachte die Gruppe schon seit längerer Zeit. Ein gutes Dutzend „Jackets“ soll es dort geben. Aber so ganz genau weiß man das nicht.

Das sagen die Landeskriminalämter: 

Bedrohung, Drogenhandel, Raub, Erpressung – diese Delikte verübten die Mitglieder der Black Jackets in NRW. „Sie gehören zu dem Kreis der Rocker-Gruppierungen, um die wir uns kümmern“, versichert Thomas Jungbluth, Experte für Organisierte Kriminalität beim Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen.

In Bayern sind die Black Jackets seit drei bis vier Jahren auffällig, erklärt Mario Huber vom LKA in München. Immer wieder kommt es zu Auseinandersetzungen mit rivalisierenden Gruppen – auch darum gilt für die Black Jackets im Münchener Nachtleben jetzt ein „Kutten-Verbot“. Die Ordnungshüter im Freistaat führen Gespräche mit den Black Jackets, um Eskalationen vorzubeugen. Die Verlässlichkeit seitens der Gangmitglieder geht aber laut Polizei „gegen Null“.

Auch in Baden-Württemberg versuchen die Black Jackets Reviere abzustecken. Die Folge: Neben Drogenhandel, Waffenbesitz oder Schutzgelderpressung sollen die Mitglieder auch in Angriffe auf andere Gruppierungen verwickelt sein – und müssen sich wegen Körperverletzungs- und sogar Tötungsdelikten vor Gericht verantworten. Zum Kerngeschäft zählt laut LKA auch die Türsteherszene, vor allem im Rotlichtmilieu.