Hagen. . Die NRW-Wissenschaftsministerin Svenja Schulze lobt die Aktivitäten der Fernuni Hagen, der Uni Siegen und der Fachhochschule Südwestfalen. Sie könnte sich auch die Förderung eines regionalen Innovationsnetzwerks vorstellen. Aber dazu müsse die Initiative aus der Region selbst kommen.

Mit der Abschaffung der Studiengebühren hat Svenja Schulze, Wissenschaftsministerin seit Juli 2010, ein Wahlversprechen der rot-grünen Landesregierung verwirklicht. Und sie geht davon aus, dass es dabei bleibt. Weil es nicht in die deutsche Bildungslandschaft passe. Und das nimmt die SPD-Politikerin durchaus persönlich: „Für mich wäre ein Studium mit Gebühren nicht drin gewesen.“ Über künftige Herausforderungen für die Hochschullandschaft sprach sie mit der WAZ Mediengruppe.

Südwestfalen fühlt sich manchmal nicht genügend wahrgenommen im Land, auch was die Leistungen seiner Hochschulen angeht. Können Sie das nachvollziehen?

Svenja Schulze: Die südwestfälischen Hochschulen haben eine große Bedeutung. Die Uni Siegen ist interessant und sie hat einen interessanten Rektor, der als Vizepräsident der Hochschulrektorenkonferenz bundesweit gehört wird. Siegen ist eine Hochschule im Aufbruch, wichtig in der Lehrerausbildung und forschungsstark. Durch den neuen Standort in der Innenstadt wird sie noch weiter gewinnen.

Aber droht eine regionale Universität, die sich um die Bedürfnisse der heimischen Wirtschaft kümmert und zugleich ambitioniert forschen will, nicht durchs Raster zu fallen, wenn die Politik einerseits auf Exzellenz-Förderung setzt und andererseits auf die Fachhochschulen?

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Schulze: Jede Hochschule muss ein eigenes Profil entwickeln. Und Siegen ist da sehr engagiert aufgestellt.

Könnte eine Flexibilisierung des Bologna-Systems mit unterschiedlich langen Studienzeiten den verschiedenen Bedürfnissen der Studierenden – Berufsausbildung oder wissenschaftliche Karriere – entgegenkommen?

Schulze: Mit einer weiteren Differenzierung sollte man zum jetzigen Zeitpunkt vorsichtig umgehen. Das System ist schon komplex genug, wenn es um Wechsel ins Ausland geht oder um die Frage, welcher Master auf welchen Bachelor passt.

Es ist auch schwer geworden, sich überhaupt für ein Studienangebot zu entscheiden.

Schulze: Wir haben heute 1800 verschiedene sehr spannende Studiengänge, bei denen man sich häufig schon am Anfang für eine konkrete Ausrichtung entscheiden muss. Ich kann deshalb allen Studierwilligen nur raten, sich ganz gründlich beraten zu lassen.

Zurück zu Südwestfalen – da wäre noch die Fachhochschule…

Schulze: Die FH Südwestfalen ist gut mit der regionalen Wirtschaft verwoben, macht attraktive Angebote im dualen Studium und bewältigt die Koordination ihrer fünf Standorte ausgezeichnet. Wir wollen die Rolle der Fachhochschulen weiter stärken. Statt derzeit 30 sollen sie künftig 40 Prozent der Studienplätze im Land anbieten.

Wenn das berufsbegleitende Studium so zunimmt, ist denn dann die Annahme richtig, dass die Studentenzahlen ab 2020 wieder sinken?

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Schulze: Dann läuft die Welle des doppelten Abiturjahrgangs aus und wir haben weniger Schulabgänger. Aber das Verhalten ändert sich, es studieren mehr Ältere und es kommen mehr Studierende aus dem Ausland. Es kann sich also auch anders entwickeln – beim Hochschulpakt haben die Prognosen, wie sich gezeigt hat, auch nicht zugetroffen.

Müsste also nicht jenseits kurzfristiger Pakte die Finanzierung der Hochschulen neu geregelt werden?

Schulze: Wir müssen das Kooperationsverbot mit dem Bund aufheben. Bildung fordert eine gesamtstaatliche Verantwortung. Die Länder können das nicht mehr alleine leisten – schon wegen der Schuldenbremse. In diese Frage, die eine Grundgesetzänderung erfordert, wird nach der Bundestagswahl Bewegung kommen, egal wer regiert.

Umstritten ist, ob die nur die Hochschulen mehr Geld bekommen sollen oder auch Schulen und Kindergärten.

Schulze: Wir haben den Vorschlag der früheren Bundesbildungsministerin Schavan, nur bestimmte Forschungsinstitute zu fördern, abgelehnt. Wir brauchen insgesamt mehr Geld für die Hochschulen – für Lehre, Forschung und Infrastruktur. Wir sehen den gesamten Bildungsbereich als Gemeinschaftsaufgabe. Auch die Inklusion ist ein bedeutsames Generationenprojekt.

Von einer geänderten Finanzierung könnte auch die Fernuniversität Hagen profitieren…

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Schulze: Es ist absehbar, dass die Studierendenzahl auf die 100 000 zuläuft. Der Trend zum Studium neben dem Beruf wird sich noch verstärken. Und an der Fernuni sind 80 Prozent der Studierenden berufstätig. Zwei Drittel von Ihnen stammen nicht aus NRW, aber NRW trägt zwei Drittel der Kosten. Hier wünschen wir uns eine Verteilung auf mehrere Schultern.

Wenn die Länder die Finanzierung nicht mehr alleine schaffen, mit welchem Recht beanspruchen sie dann weiter die Bildungshoheit?

Schulze: Bisher hat uns der Wettbewerb sehr genutzt. Zentralistische Länder haben ganz andere Probleme. Aber zugleich wird die internationale Kooperation wichtiger, und bei den Forschungsmitteln spielt die EU eine wichtige Rolle.

Wo bleiben da die Regionen?

Schulze: Innovationen entstehen in einem regionalen Umfeld, in der Zusammenarbeit von Hochschulen, Forschungsinstituten und Unternehmen. Das Land fördert deshalb regionale Innovationsnetzwerke, derzeit in Ostwestfalen und im Ruhrgebiet zur Energiewende und in der Region Köln/Bonn zum Thema gesundes Altern.

Warum nicht in Südwestfalen?

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Schulze: Hier ist eine wichtige Innovationsregion. Wenn es Bewerbungen gäbe, etwa zur Mobilität, zur Medizin- oder Energieforschung, wären wir offen. Aber die Initiative muss aus der Region selbst kommen – nur dann wirkt solch ein Netzwerk nachhaltig.

Sie haben kürzlich ein neues Hochschulgesetz vorgestellt. Wollen sie die von Schwarz-Gelb gewährte Autonomie wieder zurückdrehen?

Schulze: Die Hochschulen bleiben autonom. Wir wollen nur etwas mehr Transparenz, mehr demokratische Beteiligung, indem wir den Senat stärken und mehr gemeinsame Planung. 37 Hochschulen koordinieren sich nicht selbst. Und die Ausbildung von Berufsschullehrern, die wir in manchen Fächern dringend brauchen, ist nicht unbedingt für jede Hochschule attraktiv.