Hagen. . Studierende im Fachbereich Elektrotechnik und Informationstechnik der Fachhochschule Südwestfalen in Hagen können mit dem Modell „Studium flexibel“ die Lehrinhalte der ersten beiden Semester auf die doppelte Zeit ausdehnen.

Kaum ist der Ernst des Lebens - die Schule - beendet, beginnt der nächste Ernst des Lebens - das Studium. Und das ist bisweilen ganz anders oder viel schwieriger, als es sich der angehende Akademiker vorgestellt hat. Die Folge: Studierende werfen schnell das Handtuch. Der Fachbereich Elektrotechnik und Informationstechnik der Fachhochschule Südwestfalen in Hagen will die Abbrecherquote mit dem in NRW einmaligen Modell „Studium flexibel“ senken.

Wissenslücken

Die Kernüberlegung hinter dem neuen Programm für alle Bachelor-Studiengänge des Fachbereichs: Jung-Studenten, die aufgrund ihrer schulischen Vorbildung Wissenslücken aufweisen, können den Studienstoff für die ersten beiden Semester auf die doppelte Zeit ausdehnen. „Wir wollen die abholen, die aufgrund ihrer Vorkenntnisse schwierige Startbedingungen haben“, sagt Prof. Marie-Theres Roeckerath-Ries, Dekanin des Fachbereichs. So besuchen die Teilnehmer an dem neuen Programm etwa die Hälfte der regulären Vorlesungen und Übungen, erhalten aber eine Art Nachhilfe in Mathematik, Physik oder Informatik. Diese „Zusatztutorien“ werden von Gymnasiallehrern geleitet. Zudem werden sie von einem Studierendencoach begleitet, der in verpflichtenden Gesprächen Orientierung gibt.

John (21) aus Hagen und Yasin (22) aus Schwerte haben zunächst mit sich gerungen, ob sie mitmachen sollen. „Wir haben uns gefragt, wie es bei einem Arbeitgeber ankommt, wenn man zwei Semester länger studiert.“ Dieser Überlegung vor Beginn des „Studiums flexibel“ freilich lag ein Denkfehler zugrunde. „Wer die Grundlagen beherrscht, hat später eine große Chance, in der Regelstudienzeit mit einer guten Note abzuschließen“, sagt Marie-Theres Roeckerath-Ries.

Die Dekanin ist nicht nur von Berufs wegen vom Erfolg des im vergangenen November mit 26 Studierenden gestarteten Programms „vollkommen überzeugt“ - die niedrigere Abbrecherquote in den ersten Semesterwochen gegenüber den Vorjahren macht ihr Mut. „Wer durch das ,Studium flexibel’ auf den Wissens- und Leistungsstand der Kommilitonen gebracht wird, bekommt nicht das Gefühl, zu versagen.“ Viel mehr: Es ist jedes Mal ein Erfolgserlebnis, wenn Lehr­inhalte aufgeholt werden.

Rahmenprogramm im "Studium flexibel" gibt Hilfestellungen 

Für Studierendencoach Dr. Caroline Bohn gibt das feste Rahmenprogramm im „Studium flexibel“ den Neu-Studierenden wichtige Hilfestellungen in ihrer neuen Umgebung: „Der Übergang von der Schule zum Studium ist eine kritische Lebensphase. Nach einer Anfangseuphorie wird die Realität oft als ernüchternd empfunden.“ Die obligatorischen Begleitgespräche mit dem Coach haben nicht nur den Zweck, für ein vielfältiges Studium der Ingenieurwissenschaften zu motivieren und anzutreiben - man lernt auch buchstäblich fürs Leben. „Sie sollen zur Selbstreflexion angeleitet werden: wie man lernt, wie man sich organisiert, wie man mit Prüfungsangst umgeht, wie man isst und trinkt“, sagt Caorline Bohn.

Auch für Marie-Theres Roeckerath-Ries ist die soziale Komponente von großer Bedeutung. „Wir wollen keinen durchs Studium jagen, sondern selbstverantwortliches Handeln fördern.“ Die Wirtschaft brauche Persönlichkeiten, die ihren Mann bzw. ihre Frau stehen.

Die 21 Jahre alte Carolin aus Hagen hat bislang in keiner Sekunde bereut, sich am Bachelor-Studiengang in der Fachhochschule Südwestfalen in Hagen eingeschrieben zu haben. Während ihrer Schulzeit zählte Programmierung nicht zum Unterrichtsstoff. An der Fachhochschule benötigt sie diese Kenntnisse. Da kam das Angebot des „Studium flexibel“ gerade recht: „So komme ich viel besser mit. Und der Noten-Durchschnitt leidet nicht.“