Hagen-Boele. Ein gutmütiger Vierbeiner sorgt an der Goethe-Grundschule für gute Stimmung und einen besseren Zusammenhalt.
Tiere sind ja ehrlich, die lügen nicht. Und Erni hat eben immer Hunger. Das gibt er auch zu. Er streift zwischen Kindern und Schulbänken umher, erhält hier eine Streicheleinheit, schielt dort in ein Heft hinein, und schließlich legt er den Kopf mit den langen Schlappohren auf einen Tisch. Und wehe, ein Schüler hat sein Pausenbrot dort liegen gelassen – happs, schon hat Erni den Leckerbissen verschlungen.
Erni ist der Star
Erni ist der Star an der Goethe-Grundschule in Boele. Er ist der einzige Schüler auf vier Beinen, der einzige mit einem Wassernapf auf dem Fußboden unterhalb der Tafel und wahrscheinlich auch der einzige, der wirklich nie lügt. „Vor allem aber macht er keine Unterschiede zwischen den Kindern“, betont Wiebke Kemper (44), Lehrerin und Besitzerin von Erni. „Er geht auf alle gleichermaßen zu und zieht die zurückhaltenden Schüler in die Klassengemeinschaft, hilft ihnen über den Aschenputteleffekt hinweg. Das tut dem Zusammenhalt unheimlich gut.“
Erni ist kein Therapiehund, er soll keine medizinische Behandlung unterstützen. Erni kommt in die Goetheschule, weil er den Kindern einfach gut tut. Die positive Ausstrahlung von Tieren auf menschliches Verhalten, insbesondere auf die kindliche Entwicklung, ist wissenschaftlich belegt. Der Umgang mit Erni fördert Verantwortungsbewusstsein und Rücksichtnahme der Grundschüler, sie stellen ihm frisches Wasser hin, kraulen sein dichtes Fell und sind bemüht, den Geräuschpegel im Klassenzimmer zu dämpfen.
Vierbeiner darf im Unterricht schlafen
Denn Ernis empfindliche Ohren, das haben die Schüler gelernt, vertragen keinen Radau. Erni schläft manchmal in der Klasse, und weil ihn niemand stören will, kehrt Ruhe ein. Außerdem werfen die Schüler keine Lebensmittel in den Abfalleimer und lassen nichts auf dem Boden liegen, denn Erni könnte es verschlucken.
„Seitdem Erni da ist, kommen die Kinder eindeutig freudiger und motivierter in den Unterricht“, hat Wiebke Kemper festgestellt. Sogar die Bezirksregierung aus Arnsberg hat der Goetheschule in ihrer Qualitätsanalyse ein – dank Erni – gesteigertes Unterrichtsniveau bescheinigt.
Der fünfjährige Erni besitzt einige Eigenschaften, die ihn geradezu zum Schulhund prädestinieren. Er ist ein Goldendoodle, eine Kreuzung aus Großpudel und Golden Retriever, und das bedeutet: absolut wesensrein und gutmütig bis zur Selbstaufgabe. Ursprünglich als Blindenhund gezüchtet, löst er keine Allergien aus und ist somit auch für empfindliche Schüler und Lehrer geeignet. „Das ist den Eltern sehr wichtig“, berichtet Dr. Jens Stuhldreier, Vorsitzender der Schulpflegschaft. „Die tierunterstützte Pädagogik ist Teil unseres Schulprogramms.“
Hund kann rückwärts zählen
Wenn es nach den Kindern ginge, dann würde Erni nicht nur an drei Tagen pro Woche mit in den Unterricht kommen, dann wäre er täglich zugegen. Bei seinem Antrittsbesuch in der Goetheschule pinkelte er gleich ins Lehrerzimmer. Das macht er natürlich nicht mehr, Erni ist längst stubenrein, er hat, wie die Kinder, viel dazugelernt: „Wenn Frau Kemper singt, singt Erni mit, und wenn sie rückwärts zählt, zählt er auch rückwärts“, hat Lina Rajic (8) beobachtet.
Wer weiß, vielleicht macht Erni in ein paar Jahren sein Abitur.