Hagen. . Mehr als 60 Künstlerinnen und Künstler – so viele wie noch nie – lernen und arbeiten noch bis Sonntag in der Villa Post. Zum 13. Mal und wahrscheinlich letzten Mal findet die von VHS-Studienleiterin Cornelia Regelsberger initiierte Angebot statt. Die Werkstatt stößt auf bundesweites Interesse.

Kreatives Treiben vom Keller bis zum Dachgeschoss: Noch bis Sonntag sind fast 60 Künstlerinnen und Künstler in der Villa Post aktiv. Die Winterwerkstatt hat Kreative aus ganz Deutschland an die Volme gelockt – am Sonntag von 15 bis 18 Uhr zeigen sie ihre Arbeiten. Es ist die 13. Auflage der Winterwerkstatt und die bestbesuchte – aber wahrscheinlich auch die letzte.

VHS-Studienleiterin Cornelia Regelsberger leitet die Winterwerkstatt.
VHS-Studienleiterin Cornelia Regelsberger leitet die Winterwerkstatt. © WAZ FotoPool

Denn der kreative Kopf hinter dem Treiben ist Cornelia Regelsberger. Die VHS-Studienleiterin geht jedoch Ende des Jahres in Vorruhestand. Ihr ist es abermals gelungen, einen künstlerischen Mix an hochkarätigen Angeboten nach Hagen zu holen. Von Marmorbildhauerei und Radierung über modernen Scherenschnitt bis zu Aktmalerei mit zwei Modellen reicht die Spannbreite der angebotenen Workshops.

Bildungsurlaub

Das Besondere daran: Viele der Teilnehmer – rund 70 Prozent sind Frauen – nutzen das Angebot zur beruflichen Fortbildung. Künstler, Architekten, Grafiker, Arbeitstherapeuten und Pädagogen geben sich hier die Klinke in die Hand: „Es ist eine Fortbildung auf Akademie-Niveau“, erklärt die Studienleiterin. Aber auch Interessierte kommen für das fünftägige Angebot. „Es ist ein Highlight für die Region und strahlt weit über die Grenzen von Hagen hinaus“, so Regelsberger.

Radierungen

Deutlich wird das auch bei den Dozenten. Im Keller hat Udo Steinmann sein Atelier aufgeschlagen. Der Bremer Künstler gibt Anfängern und Fortgeschrittenen Tipps in die Technik der Radierung. Sie können die Technik des Tiefdrucks in ihren vielfältigen Facetten erproben und Anregungen für die Arbeit in der eigenen Werkstatt finden: Experimentiert wird mit verschiedenen Ätzungen. Gedruckt wird mit verschiedenen Farben auf einer Platte.

Moderner Scherenschnitt

An der letzten Winterwerkstatt in der Villa Post nehmen 60 Künstler teil.
An der letzten Winterwerkstatt in der Villa Post nehmen 60 Künstler teil. © WAZ FotoPool

Jessica Maria Toliver, ausstellungserprobte Künstlerin aus Schwerte, bringt ihren Teilnehmern modernen Scherenschnitt bei. Lag der Ursprung früher aus Jahrmärkten, wo für kleines Geld Porträts geschnitten wurden, weil Fotografien zu teuer waren, ist es mittlerweile eine aufstrebende Kunstform. Filigrane kreative Arbeiten bis hin zu raumgreifenden Installationen entstehen hier mit Schere und Skalpell. „Wir wollen mit den traditionellen Vorstellungen brechen und neue Formen entdecken“, erklärt die Dozentin. Maria Bruske, Krankenschwester aus Köln, hat sich im Rahmen einer beruflichen Fortbildung für dieses Thema entschieden. Sie will die „Cut Outs“, wie Scherenschnitte mittlerweile genannt werden, in ihren Kreativarbeit mit psychisch Kranken einsetzen. „Die Technik hat mich schon immer gereizt. Die Klarheit, das Abgegrenzte – schwarz-weiß, positiv – negativ“, erklärt die Kölnerin. „Es ist das Spielen mit den Formen und der Natur.“

Bildhauerei und mehr 

Ganz oben unter dem Dach hat sich der Yogaraum in eine Bildhauerwerkstatt verwandelt. Carrara-Marmor aus Italien ist hier das Arbeitsmaterial. Ulla Preising erklärt den Interessierten, wie man den kristallinen Marmor aus dem Flussstein „pellt“. Dabei gibt das Material die spätere Form vor, es bestimmt mit seinen Bruchstellen und Sprüngen die Richtung. Mit Leidenschaft ist Helga Brinkmann bei der körperlich fordernden Arbeit. „Ich habe bisher mit Speckstein gearbeitet. Das hier ist deutlich anstrengender“, berichtet die Hohenlimburgerin. Auch sie möchte sich beruflich weiterbilden – sie ist Kunstlehrerin an einem Gymnasium. Noch bis Sonntag hat sie Zeit, dem Stein eine Form zu entlocken und ihn zu glätten „wie eine Fensterbank“.

Aktmalerei

Das Spiel der Formen und Bewegungen steht auch im Atelier von Ulf Meyer aus Worpswede im Mittelpunkt. Er ist umringt von Frauen, die sich der künstlerischen Arbeit mit zwei Aktmodellen verschrieben haben. Es ist eine anspruchsvolle künstlerische Arbeit – im Raum herrscht hochkonzentrierte Stille. Nicht das Nacktsein spielt dabei eine Rolle, sondern der Wechsel von Standbein und Spielbein, der Verschiebung der Proportionen und die Bewegung der Körper im Raum. Die VHS macht hier auch ein nicht-alltägliches Angebot. Denn mit zwei Modellen zu arbeiten, ist die Ausnahme. Die Teilnehmerinnen nehmen das Angebot dankend an.

Serielles Arbeiten

Deborah Bahrt (links) ist mit 17 Jahren jüngste Teuilenehmerin der Winterwerkstatt. Sie nimmt am Kurs Serielles Arbeiten in kleinen Formaten teil.
Deborah Bahrt (links) ist mit 17 Jahren jüngste Teuilenehmerin der Winterwerkstatt. Sie nimmt am Kurs Serielles Arbeiten in kleinen Formaten teil. © WAZ FotoPool

So auch in der Gruppe „Serielles Arbeiten“. Hier geht es nicht um Massenfertigung, sondern um Arbeiten mit kleinen Formaten, bei denen sich die Malereien ständig verändern. Vor allem für Anfänger ist diese Methode interessant: „Er zwingt zu einem neuen Aufbruch und lässt die Handschrift frei werden“, erklärt Regelsberger. Zudem werden hier verschiedene Techniken kombiniert. Für Kursleiterin Tanja Moszyk und ihre Kollegen ist es die besondere Aufgabe, den unterschiedlichen Teilnehmern gerecht zu werden: „Wir müssen sie da abholen, wo sie stehen und ihre Potenziale herauskitzeln“, betont die Dortmunderin. „Manche muss man nur begleiten, ander völlig umkrempeln“, sagt sie lachend.

Mit Annette und Deborah Bahrt hat sie dankbare „Schülerinnen“. Mutter und Tochter sind bereits zum dritten Mal dabei. Die 17-Jährige ist die jüngste Teilnehmerin und nutzt die Gelegenheit, ihre Fertigkeiten zu verbessern und neue Eindrücke zu sammeln. Sie will selbst Künstlerin werden und hat einen Studienplatz an der Ruhrakademie in Schwerte ergattert. Ihr künftiger Schwerpunkt: Illustration.

Weiterbildung

Bildhauer Benno Hammerschmidt in Aktion.
Bildhauer Benno Hammerschmidt in Aktion. © WAZ FotoPool

Lernen ist der wichtigste Aspekt bei der Winterakademie. Daher stehen die Gruppen- und Einzel-Bildbesprechungen im Mittelpunkt der fünf Tage: „Man muss Kunst sprechen lernen, die Reflexion ist sehr wichtig“, erklärt Regelsberger. Das gehört auch die Namensfindung. „Oft ein ganz intimer Prozess“, verrät sie. Gäste können Sonntag mit den Mitwirkenden auch darüber ins Gespräch kommen. Ob der Austausch im kommenden Jahr fortgesetzt werden kann, ist mehr als fraglich. Denn die Stelle der VHS-Studienleiterin kann wegen der Finanzlage der Stadt nicht wiederbesetzt werden. Mehrere Studienleiter hören dort in den kommenden Jahren auf. Regelsberger hofft auf eine Nachbesetzung: „Denn Kunst ist Fantasieentwicklung.“ Und ohne Kunst wäre Hagen ärmer...

Sonntag Ausstellung mit Musik

Fast 60 Künstlerinnen und Kunstler haben die sechs Kurse im Rahmen der Winterwerkstatt genutzt. Dabei sind rund 250 Exponate entstanden, die am Sonntag zwischen 15 und 18 Uhr auf zwei Etagen in der Villa Post, Wehringhauser Straße 38, zu sehen sind.

Musikalisch umrahmt wird die Ausstellung vom Meinhard Siegel Trio. Die Essener spielen Jazz und Swing und haben bisher schon in Galerien in Düsseldorf, Köln und Berlin für Stimmung gesorgt. Der Eintritt ist frei – alle Interessierten sind willkommen, sich die Arbeiten anzusehen und mit Künstlern und Dozenten ins Gespräch zu kommen.