Hagen. Mehr als vier Jahre nach der Sinn-Leffers-Insolvenz beginnt für die 2000 Mitarbeiter ein neues Kapitel: Die Nürnberger Modekette Wöhrl übernimmt die Hagener. Entlassungen oder Standortschließungen sind vorerst nicht geplant. Es bleibt bei zwei selbstständigen Unternehmen mit einem gemeinsamen Eigentümer.
Eine Überraschung gab es nicht mehr zu verkünden. „Das Kartellamt war schneller, als wir gedacht hatten“, kommentierte Patrick Feller, Aufsichtsratsvorsitzender von Sinn-Leffers und Geschäftsführender Gesellschafter des Finanzdienstleisters DIH, die Tatsache, dass einen Tag vor der Pressekonferenz bekannt wurde: Der bayerische Textilhändler Wöhrl schluckt seinen Hagener Konkurrenten Sinn-Leffers.
Wobei Gerhard Wöhrl, Sohn des Gründers, der sich 2010 aus dem operativen Geschäft zurückgezogen und es an seinen Sohn Olivier weitergegeben hat, korrigierte: „Das wurde falsch berichtet. Nicht die Rudolf Wöhrl AG, sondern die Familie Wöhrl kauft Sinn-Leffers von der Deutschen Industrie-Holding.“ Vorbehaltlich der Zustimmung des Kartellamts. Aber da rechnen alle Beteiligten mit einer positiven Entscheidung.
Unternehmen sollen eigenständig bleiben
Und der Unterschied zwischen Unternehmen und Familie - warum ist der wichtig? Weil, so erklärt es Gerhard Wöhrl, es bei zwei selbstständigen Unternehmen bleiben soll. Mit einem gemeinsamen Eigentümer. Als Beispiel nennt er Saturn und MediaMarkt. Die allerdings zuletzt durch dauernden Eigentümerstreit auffällig wurden. Aber das ist ein Spezialfall. Und für Sinn-Leffers eröffnet die Selbstständigkeit die Chance, die Hagener Firmenzentrale zu erhalten. Die Chance - mehr nicht. Langfristige Garantien wurden gestern nicht gegeben.
Wöhrl beschäftigt 2000 Mitarbeiter
- Die Wöhrl Unternehmensgruppe beschäftigt über 2000 Mitarbeiter an 38 Standorten in Baden Württemberg, Bayern, Berlin, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Der Jahresumsatz liegt bei mehr als 300 Millionen Euro. Wöhrl steht für eine über Jahrzehnte hinweg gewachsene Unternehmenskultur.
- SinnLeffers betreibt bundesweit Modehäuser mit Schwerpunkt in Nordrhein-Westfalen und erwirtschaftete zuletzt einen Umsatz von über 300 Millionen Euro. Die DIH hatte das Unternehmen 2005 als Sanierungsfall von der KarstadtQuelle AG erworben. Durch eine Neupositionierung und Bereinigung des Filialportfolios ist es den Eigentümern gemeinsam mit den rund 2.000 Mitarbeitern gelungen, SinnLeffers wieder profitabel aufzustellen und an seinen 22 Standorten zu stärken.
- Die DIH – Deutsche Industrie-Holding ist ein von Banken und Industrie unabhängiges Beteiligungsunternehmen. Sie agiert mit eigenem Kapital und bringt sich längerfristig und aktiv in ihre Investments ein.
Dafür klopfte man sich selbst und einander ausgiebig auf die Schulter: Die erfolgreiche Ausrichtung seit der Insolvenz sei Wöhrl aufgefallen, begründete Feller den Verkauf. Man habe die Marke wieder belebt und aufgewertet, substanziell in die Häuser investiert und ein erfreuliches Umsatzplus erwirtschaftet. Warum dann nicht das Investment halten? Weil die DIH einen „angemessenen Kaufpreis“ erzielt habe. Vor allem aber aus Verantwortung: „Nur eine bestimmte Unternehmensgröße kann langfristig Standorte und Arbeitsplätze sichern.“ Und Wöhrl sei als langfristig orientierter Familienunternehmer ideal für die Zukunft von Sinn-Leffers, auf die vor ein paar Jahren niemand habe wetten wollen.
Komplimente verteilten auch die Wöhrls. „Respekt für die letzten drei Jahre in schwieriger Zeit“ äußerte Olivier Wöhrl, Vorstandsvorsitzender der AG, die außer in Bayern auch im Osten und Südwesten vertreten ist. Er sieht hohe Überschneidungen darin, „wie wir Handel verstehen: Wir setzen beide auf Markentextilien, Qualität, kompetente Beratung, gute Standorte.“ Und eine Garantie gab es doch: „Alle Häuser werden fortgeführt.“ Auch dort, wo beide Unternehmen vertreten sind - in Dresden, Magdeburg und München.
Wöhrl schließt neue Standorte nicht aus
Und was ist mit neuen Standorten? Die will Gerhard Wöhrl, der in der Vergangenheit bereits mehrere kleine Familienunternehmen oder Hertie-Immobilien, „aber noch nie eine so wichtige Gruppe übernommen“ hat, zumindest „nicht ausschließen“. Vorrangig seien aber zunächst, so erklärte es Sinn-Leffers-Geschäftsführer Karsten Oberheide, Investitionen in den Bestand. Auch wenn er sich eine Rückkehr an den Unternehmenssitz Hagen wünscht. Man sei da in Gesprächen. Im laufenden Jahr sei damit aber nicht zu rechnen, und auch eine Filiale in der derzeit entstehenden Rathaus-Galerie schloss Oberheide aus. Sinn-Leffers hatte wegen eben dieser Baustelle Ende Februar vergangenen Jahres das Hagener Geschäft geschlossen.
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Am Freitag musste die Geschäftsführung zunächst versuchen, die Mitarbeiter in der Zentrale zu beruhigen, wo die Stimmung nach den ersten Nachrichten vom Donnerstag Nachmittag „sehr aufgeladen“ gewesen sei, so Oberheide. Erfolgreich? „Wir konnten ihnen viel von den Ängsten nehmen und die Chancen aufzeigen.“
Branchen-Insider waren schon länger davon ausgegangen, dass beide Ketten zu klein für den hart umkämpften deutschen Modemarkt sind, auf dem viele klassische Textilhändler mit sinkenden Erträgen kämpfen, während der Internethandel boomt. Davon will künftig auch Sinn-Leffers profitieren: „Im März werden wir unser Online-Angebot starten“, kündigte Oberheide gestern an.
Neueröffnung von SinnLeffers
Nach seinen Worten steht der stationäre Einzelhandel vor gewaltigen Veränderungen. Der Eigentümerwechsel mache nun den Weg frei, gemeinsam darauf zu reagieren: „Zwei starke Marken, die zusammen passen, wachsen nun auch zusammen.“ Wobei Sinn-Leffers stolz darauf ist , den Eigenmarkenanteil, der zu Karstadt-Zeiten bei 40 Prozent lag, auf zehn Prozent gedrückt zu haben: „Wir wollen immer nur die angesagtesten Marken bieten.“